„Homöopathische Arzneimittelprüfung“ für eine Hepatits C Virus-Nosode (HCV-Nosode)

Eine Infektion mit dem vor etwa 20 Jahren entdeckten Hepatits C Virus (HCV) — früher auch als non-A, non-B Virus bezeichnet — gehört wegen ihrer hohen Chronizität weltweit zu höchsten Risikofaktoren um an chronischer Hepatitis, Leberzirrhose oder Leberkrebs zu erkranken. Betroffen sind um die 170-200 Millionen Menschen, also rund 3% der Weltbevölkerung. Forschung auf diesem ist also dringend notwendig.

Inzwischen haben auch einige Homöopathen dieses Gebiet für sich entdeckt. So hat eine Arbeitsgruppe in Bombay eine Nosode aus und gegen HCV entwickelt [1]. Allgemein versteht man in der Homöopathie unter einer Nosode, ein, aus pathologischem Material entwickeltes Mittel, welches sich zur Behandlung der entsprechenden Erkrankung eignet. Daß dies gerade in Indien erfolgt, ist nicht unbedingt verwunderlich, erlebt doch dort die Homöopathie derzeit eine rasante Verbreitung, und böte, wenn sie denn funktionieren würde, auch den Ärmsten die Möglichkeit zu geringen Kosten behandelt zu werden. Im Gegensatz zu Westeuropa, wo Homöopathika im Hochpreissegment zu finden sind.

Die hier vorgestellte Arbeit zeigt überdeutlich die Arbeistweise in der Homöopathie und deren Unsinngikeit auf, auch wenn der Ansatz zunächst vollkommen sinnvoll erscheint:

A double blind, randomized placebo controlled homeopathic pathogenetic trial (proving) of Hepatitis C (Hep C) nosode was conducted with the aim to introduce the new nosode in homeopathic pharmacopeia.

In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie soll eine „homoöpathische Arzneimittelprüfung“ („proving“) für eine Hepatitis-C-Nosode durchgeführt werden, um das „homöopathische Arzneimittelbuch“ zu erweitern. Er müßte korrekterweise von einer HCV-Nosode, nicht von einer Hepatitis C-Nosode sprechen, wie sich auch durch die Herstellung der Nosode ergibt.

Herstellung der Nosode

Zur Gewinnung der HCV-Nosode wurde zwei Patienten Blut entnommen und um Koinfektionen auszuschließen auf „HIV, Hep B, Gonorrhea, Syphilis, etc. getestet. Trotz umfangreicher Literaturrecherche konnte ich in der derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Literatur keine Hinweise finden, welche Symptome mit dem Krankheitserreger „etc.“ assoziïert sind. Aus dem Blut der beiden Patienten wurde das Serum gewonnen, filtriert um große Partikel und eventuell vorhandene Bakterien zu entfernen und anschließend die Virusladung durch Bestimmung der Menge an virusspezifischem genetischem Material (RNS) ermittelt. Ausgehend von diesem Material wurden dann unter kontrollierten Bedingungen die Potenzen der HCV-Nosode hergestellt.

To further standardize the potentization process, force parameters of the mechanical potentizer were documented.

Aha, ganz wichtig. Um den Potenzierungsprozess zu standardisieren, hat man die Krafteinstellungen des mechanischen Potenzierers dokumentiert. Allerdings verrät man nicht welche Einstellungen man denn nun vorgenommen hat, nicht daß jemand der das reproduzieren möchte einfach drauf los schüttelt potenziert. Als Potenz für die „homöopathische Arzneimittelprüfung“ wurde C30 gewählt, also eine Verdünnung äquivalent zu D60 oder 1060. Eine Begründung warum die neue Nosode gerade bei dieser Potenz getestet werden soll wird natürlich nicht angegeben, dürfte aber darauf zurückzuführen sein, daß Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, diese Verdünnung vor 200 Jahren für „homöopathische Arzneimittelprüfungen“ bevorzugt hat. Nach Fertigstellung der Nosodenlösung hat man diese zur Kontrolle auf Virus-RNS untersucht:

It was established and documented that all the samples of HCV nosode 30c were negative for HCV virus.

Man konnte kein HCV mehr detektieren. Alles andere wäre auch äußerst verwunderlich und nur durch Schlamperei erklärbar gewesen, denn eine Verdünnung von 1:1060 ist schon lange soweit verdünnt, daß nichts mehr drin ist.

Studienteilnehmer

Die Studie wurde an insgesamt 22 Freiwilligen, aufgeteilt auf zwei Gruppen, durchgeführt, 15 — davon 6 Frauen — erhielten eine Injektion mit der neu entwickelten HCV-Nosode C30 („Verumgruppe“), 7 — davon eine Frau — eine Placeboinjektion, jeweils einmal die Woche über vier Wochen. Ein nahezu optimales Studiendesign — kleine Stichprobengröße, ungleiche Gruppengröße und inhomogene Gruppenzusammensetzung — um hinterher jedes beliebige Ergebnis zu erhalten. Vor Verabreichung der Nosode bzw. des Placebos wurden alle Versuchsteilnehmer medizinisch untersucht (Röntgen des Oberkörpers, EKG, Laborroutineuntersuchungen von Blut und Urin u.a. auf HIV und HCV, Schwangerschaftstest). Nachdem festgestellt wurde, daß alle Teilnehmer normalgesund waren, also keiner mit HCV infiziert ist, wurde der Test durchgeführt. Wie bei „homöopathischen Arzneimittelprüfungen“ üblich, erfolgen die Tests immer nur an Gesunden, bezogen auf die zu untersuchende Erkrankung, denn es soll festgestellt werden ob eine Nosode bei Gesunden eine entsprechende Symptomatik hervorruft. Tut sie dies, ist sie — aus homöopathischer Sicht — geeignet die Krankheit zu heilen. Wissenschaftlich ist das Ganze natürlich nicht haltbar. Eine weitere wesentliche Bedingung für alle Teilnehmer — auch das ist typisch für die Homöopathie — war, die Fähigkeit auftretende Symptome in einem Notizbuch festzuhalten, also ein Tagebuch darüber zu führen wie sie sich subjektiv fühlen.

Ergebnis

Nach Ablauf der vier Wochen wurden die Teilnehmer erneut medizinisch untersucht und die Tagebücher zur Auswertung eingesammelt, wobei die beschriebenen Gefühlszustände der Teilnehmer ausgezählt wurden. Dazu gehörten dann bspw. erhöhter oder verminderter Appetit/Durst, Akne, Pickel, laufende Nasen, brennende oder tränende Augen, Flatulenz, schwere nach den Mahlzeiten, schmerzhafte Menstruation, unbefriedigender Stuhlgang, Müdigkeit, schwerer Kopf, Nakensteife, allgemeine Unlust und das Träumen von Schlangen und noch einiges mehr. Alle Teilnehmer haben von Träumen berichtet, die jedoch nicht in die „Auswertung“ einflossen. Nur weil mehrere Teilnehmer, drei um genau zu sein, von Träumen mit Schlangen berichtet haben, hielt man dies für bemerkenswert.

Das Auftreten dieser Gefühlszustände weist für den Eperimentator eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Hepatits C-Infektion auf. Das ist insofern nicht ganz falsch, da durchaus Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit und Müdigkeit nach einer HCV-Neuinfektion auftreten können, nur trifft dies auf die Mehrheit aller anderen Infektionen ebenso zu. Ohne Laboruntersuchungen ist eine solche Form der Diagnostik sinnlos, denn demnach weisen 100% der Weltbevölkerung Symptome einer HCV-Infektion auf. So stellt der Autor dann auch fest, daß seine Nosode natürlich nie in der Lage sein wird Symptome einer Hepatits, Zirrhose oder Thrombozytopenie zu induzieren.

The drug proving with potentized nosode, logically, would never produce changes such as hepatitis, cirrhosis, varices, thrombocytopenia, and the like;

Bei dieser Feststellung weiß man nun nicht, ob man lachen oder weinen soll. Einerseits wird mit diesem einen Satz die gesamte Untersuchung als fehlgeschlagen dargestellt, denn das Konzept der Homöopathie beruht eben auf der angeblichen Möglichkeit Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen („similia similibus curentur“). Seine Nosode zeigt aber gerade nicht die wesentlichen Charakteriska. Andererseits empfinde ich das Ergebnis auch mit einer gewissen Freude, denn würde Homöopathie funktionieren, würden 15 gesunde Versuchspersonen jetzt ernsthafte Leberfunktionsstörungen aufweisen. Allerdings hätte der Homöopath gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip diese mit der eben entwickelten Nosode gleich behandeln können, notfalls auch in einer stärkeren Verdünnung aka Potenzierung. Aber er wäre kein Homöopath, wenn er hier auhören würde:

Hep C nosode needs to be evaluated for the cases of Chronic Hepatitis (infective, alcoholic, non-infective), cancer of liver, and related conditions.

Seine Nosode soll jetzt dennoch in Fällen von chronischer Hepatitis, Leberkrebs und Vergleichbarem getestet werden. Doch wie das gehen soll bleibt sein Geheimnis. Seine Forderung widerspricht der postulierten Wirkungsweise der Homöopathie, nach der ein Mittel bei Gesunden ähnliche Symptome wie bei einem Erkrankten hervorrufen soll. Genau aus diesem Grunde wird auch nur an Gesunden getestet. Das schließt sich aber rein logisch mit dem Testen bei chron. Hepatits oder gar Leberkrebs aus. Wie stellt er sich einen gesunden Krebspatienten vor? Offenbar versteht er selbst nicht den theoretischen Hintergrund seines eigenen Arbeitsgebietes. Zu allem Überfluss hat er auf seine Nosode bzw. deren Herstellung nach eigenen Angaben auch noch ein Patent beantragt. Man kann nur hoffen das in dem Amt Leute sitzen die denken können.

In ähnlich unsinniger Form laufen alle „homöopathischen Arzneimitelprüfungen“ ab. Der Begriff der Arzneimittelprüfung wurde von der Homöopathie umgedeutet um ihrer Quacksalberei einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Aber eine „homöopatische Arzneimittelprüfung“ hat weder etwas mit einer Wirksamkeitsprüfung von Arzneimitteln gemein, noch sind Homöopatika Arzneimittel.

Dieser eine Beitrag ist zwar bedeutungslos und wird (hoffentlich) in der Fülle des Geschriebenen auf dieser Welt untergehen. Dennoch zeigt er eine gefährliche Tendenz auf. Die Homöopathie insgesamt verläßt seit einigen Jahren verstärkt ihren angestammten Wirkungskreis der Wehwechen und dringt in Gefilde vor in denen eine Fehlbehandlung den Tod zur Folge hat (bspw. AIDS, Dengue).

Die Homöopathie kann sich dies erlauben, weil von Seiten der Bevölkerung eine verstärkte Nachfrage besteht, die meiner Meinung nach durch einen Bildungsnotstand erklärt werden kann. Einer nicht geringen Zahl von Menschen fehlen jegliche naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse, mit der Folge, daß sich eine Form von Gleichgültigkeit, in dem Sinne von „alle Ansätze sind gleich gültig“, breit macht. Jeder Arzt der zusätzlich Homöopathie anbietet, jede Apotheke die Homöopathika verkauft, verstärkt diesen Prozess, da die Methode gegenüber dem Patienten als vollwertiger Ersatz erscheint. Manchmal frage ich mich wie lange es dauert bis im Gesundheitssystem nicht auch Hasenpfoten und Heilsteine offiziell Einzug finden, bzw. warum es sie noch nicht gibt.

Literatur

  1. Hepatitis C Nosode: The preparation and homeopathic pathogenetic trial. Rajesh Shah. Homeopathy, 2013, 102:207-214, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.homp.2013.02.002, PubMed #23870381

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