Der „Die Linke“-Abgeordnete Dr. Dieter Dehm (Homepage) hat im staatlichen Auslandsradio „The Voice of Russia“ die These geäußert, amerikanische Geheimdienste würden deutsche Medien kontrollieren (Spiegel, Welt):
Teile der Medien sind komplett in den Händen der US-Geheimdienste und anderer Geheimdienste. Sie arbeiten sehr eng zusammen mit ihnen. Und im Moment wollen manche von ihnen den Konflikt vertiefen und deshalb drängen die Medien die Regierung.
Auch wenn sich seine Partei sofort von ihm distanziert hat, stellt sich die Frage, ob er nur eine Meinung hingesagt hat oder ob es tatsächlich Indizien für eine Infiltration der Medien durch amerikanische Geheimdienste gibt, denn im Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt fällt die ausgeprägte Schwarz-Weiß-Berichterstattung in Deutschland durchaus auf.
Im Vergleich zu den USA befindet sich Deutschland in direkter Nachbarschaft zu Russland. Insofern muss Deutschland, auch ohne die Geschehnisse des 2. Weltkrieges, aus ureigensten Interessen daran gelegen sein, ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Russland zu pflegen. Eine Annäherung beider Länder widerspricht aber fundamental den Interessen der USA, da sie dies als Minderung ihrer Einflusssphäre interpretieren. Weiterhin ist im Sinne der Expansionsbestrebungen die Eingliederung der Ukraine in die EU, wenn möglich auch in die Nato, ebenfalls im Interesse der USA. Auf Grund dessen muss davon ausgegangen werden, daß die US-Geheimdienste nicht nur auf eine pro-amerikanische Meinungsbildung hinarbeiten, sondern auch eine allzu große Annäherung zwischen Deutschland und Russland zu unterbinden versuchen.
Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg bedurften in Deutschland alle Medien, damals allerdings überwiegend Zeitungen, zum Erscheinen eine Lizenz der Besatzungsmächte. Sinn dieser Maßnahme war im weiteren Rahmen der Entnazifizierung und Umerziehung jene Publizisten kalt zu stellen, die im Dritten Reich an der Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten beteiligt waren. Da diese Lizenz jederzeit wieder entzogen werden konnte, war die Kontrolle über die Berichterstattung ebenfalls sichergestellt. Daß die damalige Miltiärverwaltung in Deutschland mit geheimdienstlichen Mitteln arbeitete, versteht sich von selbst. Auch wenn die Lizenzpflicht in Westdeutschland nach einigen Jahren (1949), in der Zone erst 1989, aufgehoben wurde, scheint es fraglich, daß die Besatzungsmächte, allen voran die USA, in Westdeutschland ihren Einfluss aufgegeben haben sollten. Sie könnten nur eine andere Strategie gewählt haben.
1952 wurde die Atlantik-Brücke e.V., eine nach außen private, überparteiliche und gemeinnützige Organisation, gegründet. Mitbegründerin der Atlantik-Brücke war übrigens die Journalistin und Herausgeberin Dr. Marion Gräfin Dönhoff. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Atlantik-Bücke ein Club für Führungspersönlichkeiten aus allen Lebensbereichen der Gesellschaft:
Die Atlantik-Brücke ist ein gemeinnütziger, privater und überparteilicher Verein der das Ziel hat, eine Brücke zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten zu schlagen. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten steht das Bemühen um ein besseres gegenseitiges Verständnis.
Zielgruppe sind deutsche und amerikanische Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik, den Streitkräften, der Wissenschaft, den Medien und der Kultur, die bei der Atlantik-Brücke einen Rahmen für vertrauliche Gespräche finden, aber auch Nachwuchsführungskräfte, die auf den „Young Leaders“-Konferenzen Netzwerke schmieden und den transatlantischen Dialog in der kommenden Generation lebendig halten. Mit ihren Studienreisen für amerikanische Lehrer möchte die Atlantik-Brücke ein differenziertes Bild vom modernen Deutschland vermitteln.
Die rund 500 Mitglieder der Atlantik-Brücke kommen vorwiegend aus der Wirtschaft, der Politik, der Wissenschaft und den Medien. Die Mitgliedschaft erfolgt auf Einladung.
Die Atlantik-Brücke als Think Tank
Die Atlantik-Brücke hatte in frühen Jahren auch den Anspruch, als eine Art Think Tank zu fungieren und mit Lösungvorschlägen meinungsbildend zu wirken. Diesem Anspruch trugen beispielsweise die Dokumentationen der Deutsch-Amerikanischen Konferenzen Rechnung, die als „East-West Issues“ publiziert wurden.
Bei diesem Anspruch ist es nur äußerst schwer vorstellbar, daß diese Organsisation nicht schon seit ihrer Gründung auf dem Radar der US-Geheimdienste gestanden haben sollte, bestand doch hier im Vorinternetzeitalter die Möglichkeit an zentraler Stelle Informationen zu sammeln, zu streuen und unauffällig Kontakte zu pflegen. In anbetracht der Enthüllungen der letzten Jahre durch den Historiker Josef Foschepoth (Geheimverträge) und Edward Snowden liegt die Vermutung nicht fern, daß die Atlantik-Brücke als ein Brückenkopf der US-Geheimdienste im Herzen der deutschen „Elite“ gesehen werden muss. Unter den heute rd. 500 Mitgliedern sind neben einflussreichen Politikern aus allen Parteien, Bankiers und Industriellen eben auch viele Medienschaffende:
- Axel Springer AG
- Axel Springer (Gründer der Axel Springer AG)
- Kai Diekmann (Bild)
- Mathias Döpfner
- Dietrich von Klaeden
- Die Zeit
- Marion Gräfin Dönhoff
- Martin Klingst
- Anna Marohn
- Josef Joffe
- Marc Brost
- Süddeutsche Zeitung
- Christian Wernicke
- Stefan Kornelius
- ARD
- Ingo Zamperoni (ARD)
- Tina Hassel (ARD, WDR)
- Michael Kolz (Phoenix)
- ZDF
- Claus Kleber
- Theo Koll
- Alexander Görlach (The European)
- Paul-Bernard Kallen (Hubert Burda Media)
- Katja Gloger (Stern)
- Constanze Stelzenmüller (Publizistin)
- Max Horkheimer (Sozialphilosoph, Frankfurter Schule)
- Christoph von Marschall (Der Tgespsiegel)
- Christiane Hoffmann (Der Spiegel, FAZ,)
- Tasso Enzweiler (manager magazin, Capital, Die Welt, Financial Times Deutschland, Handelsblatt)
- Tim Arnold (ProSiebenSat.1 Media, Random House, Bertelsmann AG)
Inzwischen gibt auch die deutsche Regierung freimütig zu, daß die US-Geheimdienste hier in Deutschland Handlungsfreiheit haben (z. B. Sigmar Gabriel: „der amerikanische Geheimdienst sehr genau weiß, wer hier was tut“), ohne dies jedoch grundsätzlich in Frage zu stellen. Der ehemalige Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit Prof. Werner Weidenfeld stellte in der Talkshow „Beckmann — ‚Der geheime Krieg‘“ (ARD 28.11.2013, 00:51:10-00:52:10) klar, wie die besondere „Freundschaft“ zwischen Deutschland und den USA praktisch funktioniert:
Ich kann Ihnen sagen, in meinen 12 Jahren als Amerikakoordinator habe ich drei Verhaltensweisen der amerikanischen Regierung erlebt. In dem Moment wo man mit Ihnen einer Meinung ist, sind wir die besten Freunde, wir umarmen uns, man hat Angst um seine Rippen, weil die Umarmungen so intensiv sind. Wenn wir in zweitrangigen Fragen nicht einer Meinung sind, sagt die amerikanische Regierung regelrecht ‚und das passiert mit uns, wo bleibt die Dankbarkeit in der Geschichte, wir haben die Freiheit und Sicherheit der Deutschen erobert und erhalten‘. Wenn wir in einer ernsten Frage anderer Auffassung sind, dann kommt Geheimdienstmaterial auf den Tisch das Deutschland belastet und entweder ihr macht mit oder ihr seid dran.
Unter diesen Bedingungen scheint eine Unterwanderung zwecks Einflussnahme nicht nur der Medien nicht so abwegig, als wie sie versucht wird darzustellen.
Weiterführendes:
- Überwachtes Deutschland: Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik. Josef Foschepoth. Vandenhoeck & Ruprecht, 2013, 378 Seiten, ISBN 978-3-525-30041-1, 34,99 €
- Enttarnt. Doppelagenten: Namen, Fakten, Beweise. Peter-Ferdinand Koch. Ecowin Verlag, 2011, 472 Seiten, ISBN 978-3-711-00008-8, 24,90 €
- Grüne und Linke auf der Atlantik-Brücke (Telepolis)
[…] ausgestellt bekommen. Und die vielen deutsch-amerikanischen Komitees, Clubs und Vereine (z.B. Atlantik-Brücke) etc. dienen natürlich niemals als Grundlage für Spionageoperationen und Steuerungsoperationen […]
[…] „Wunsch“ der Amerikaner? Zur Erinnerung, weite Teile der Politik sind eingefleischte Transatlantiker! Da die Bundesregierung bereits bei der Änderung des Grundgesetzes zum Art. 10 bereitwillig den […]
[…] Meinungen fordert, interessiert dies niemanden. Ist man bei der Presse bereits derart über die Atlantik-Brücke auf Linie getrimmt, daß man freiwillig auf Presse- und Meinungsfreiheit verzichtet? Kein Wunder, […]
[…] als Pressevertreter, vieler Journalisten in den diversen transatlitischen Bündnissen (bspw. Atlantikbrücke). Dieser Gesichtspunkt wird vollkommen ausgeblendet. Recht gut analysiert hat diese […]
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