Adblocker: Programmcode und Softwareverschlüsselung

Bild.de hatte Mitte Oktober auf seiner Webseite Änderungen der Gestalt vorgenommen, daß Surfer, die mit Adblocker unterwegs sind, vom Lesen der redaktionellen Inhalte abgehalten werden sollen. Ohne das Pressecho auf die Abmahnung druch den Axel-Springer-Verlag im Zusammenhang mit AdblockPlus hätte ich die Maßnahme auf Bild.de auf Jahre hinaus wohl überhaupt nicht bemerkt. Aber den Verlagsjuristen muss man nach Lesen des Beschlusses juristische Kreativität und dem Gericht zumindest Unkenntnis bescheinigen.

Die eigentliche Adblockererkennung erfolgt allerdings nicht auf dem Webserver von Bild.de, sondern auf dem Rechner des Surfers unter Verwendnung eines Skripts, welches bei Aufruf der Seite an den Rechner des Surfers übermittelt wird. Der Inhalt einer Seite wird zunächst vollständig im Klartext auf den Rechner übertragen und dann dort durch einen Hinweis wie „Warum sehe ich BILD.de nicht? Sie haben Javascript für ihren Browser deaktiviert. Aktivieren Sie Javascript jetzt, um unsere Artikel wieder lesen zu können.“ überblendet. Wer meint auf Bild.de zugreifen zu müssen, kann diese Überblendung durch Anpassen der Filtereinstellungen im Adblocker schnell abschalten.

Entsprechende Filtereinstellungen erschienen dann auch recht schnell u.a. im Forum des AdblockPlus-Herstellers, der Eyeo GmbH. Dies wiederum rief die Anwälte des Axel-Springer-Verlags auf den Plan, die in einem Eilverfahren (!) erfolgreich eine einstweilige Verfügung vor dem LG Hamburg gegen die Eyeo GmbH erwirkten. Dem Beschluss vom 22.10.2015 (Az. 308 O 375/15) zufolge hat das LG Hamburg der Eyeo GmbH bei Strafandrohung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,- € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für die Geschäftsführer, bei einem angesetzten Streitwert in Höhe von 100.000,- €, untersagt

a) im Forum ihrer Internetseite „Adblockplus.org“ Programmcodes zu verbreiten oder verbreiten zu sassen, die eine Umgehung der Softwareverschlüsselung der Webseite „www.bild.de“ ermöglichen sollen, wie dies im Forum „bild.de adblock detect unskippable“ gemäß der diesem Beschluss beigefügten Anlage AS 11 geschehen ist;

b) im Forum ihrer Internetseite „Adblockplus.org“ Links zu Programmcodes zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, die eine Umgehung der Softwareverschlüsselung der Webseite „www.bild.de“ ermöglichen sollen, wie dies im Forum „bild.de adblock detect unskippable“ gemäß der diesem Beschluss beigefügten Anlage AS 11 durch den Link auf das Forum http://forums.lanik.us/viewtopic,php?p=78705#p78705 geschehen ist;

c) Filterlisten für das Softwareprogramm AdblockPlus mit Programmcodes zu verbreiten, die eine Umgehung der Softwareverschlüsselung der Webseite „www.bild.de“ ermöglichen.

Einige Formulierungen in der Untersagung sind meines Erachtens hochproblematisch, wenn sich diese Betrachtungsweise mehrheitlich unter Juristen durchsetzen sollte. Die folgenden Überlegungen klingen momentan vielleicht noch sehr weit hergeholt, aber Tatsache ist, daß die Verlage seit einiger versuchen, Werbeblocker und ihre Nutzer zu kriminalisieren.

  1. Die Filtereinstellungen werden als „Programmcode“ bezeichnet. Folgt man dieser Auffassung, wäre jeder beliebige Text, den man in ein Formularfeld eingibt bereits als Programmcode anzusehen, denn in vielen Fällen hängt die folgende Operation direkt von der Eingabe ab. Denkt man dies konsequent zu Ende, bewegte man sich bei einer simplen Falscheingabe schnell im Bereich der Computersabotage (§303a StGB, §303b StGB), denn es wurde (potentiell) schädlicher Programmcode übergeben. Wie eingangs erwähnt, wird eine Seite von Bild.de komplett auf den Rechner des Surfers geladen und dort dann nur abgedeckt, solange die Werbung nicht angezeigt werden kann. Man könnte jetzt durchaus weiter argumentieren, daß das Entfernen der Abdeckung, sofern deren Rechtswidrigkeit festgestellt wird, ein Ausspähen von Daten nach §303a StGB darstellt.

    § 303a Datenveränderung

    (1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    Man späht zwar Daten auf dem eigenen Rechner aus, die man ohne Umstände von Bild.de übermittelt bekommen hat, aber die nicht für einen bestimmt waren, da man sie ohne die Werbung sehen wollte.

  2. Die Überblendung, also das bloße Verdecken, wird als „Softwareverschlüsselung“ angesehen. Gewagte Idee einen abgedeckten Klartext als verschlüsselt aufzufassen. Die Argumentation mit der (angeblichen) Softwareverschlüsselung deutet meines Erachtens genau in die Richtung der unter Punkt 1 gemachten Überlegung, da eine Verschlüsselung recht problemlos als eine besondere Sicherung gegen unberechtigten Zugang interpretiert werden kann. Unter diesen Umständen wäre aber bereits allein die laute Überlegung einen entsprechenden Filter (= Computerprogramm) für einen Adblocker zu erstellen die Vorbereitung einer Straftat nach §202c (1) StGB:

    § 202c Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten

    (1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er

    1. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
    2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,

    herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft

    (2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

    In der Begründung des LG Hamburgs geht es bisher „nur“ um Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nach Urheberrecht und BGB, aber Ziel der Verlage ist letztendlich ein komplettes Verbot von Adblockern. So heißt es in der Begründung:

    3. […] Um Internetnutzer, die den Abruf der Werbung auf der Internetseite „www.bild.de“ mit einer Software (sog. Adblock-Software) zu unterdrücken versuchen, von der Nutzung auszuschließen, hat die Antragstellerin seit dem 13.10.2015 eine Softwareverschlüsselung eingeführt, die einen Aufruf ihrer Internetseite bei Verwendung einer Adblock-Software durch den Nutzer unterbindet.

    4. […] Die Wirksamkeit der Programmcodes hat die Antragstellerin […] Die Programmcodes sind Vorrichtungen zur Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen […] Auch für diese von ihrem Mitarbeiter zur Verfügung gestellte Umgehungscodes ist die Antragsgegnerin verantwortlich.

    Das Gericht erkennt die Maßnahme ausdrücklich als „Softwareverschlüsselung“ an und spricht durchgehend von „Programmcode“. Auch fällt der Schlüsselsatz „Vorrichtungen zur Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen“, wie er in §303a (1) StGB strafbewehrt ist. Das deutet für mich darauf hin, daß man langfristig nicht nur auf Anwendung des UrhG abzielt. Es ist die Grundlage für die systematische Kriminalisierung von Werbeblockern und deren Benutzern.

    Das Vorgehen de[r|s] Verlag[e|s] erinnert in mancherlei Hinsicht an die Geschichte mit dem Verbot zur Umgehung des DVD-Kopierschutz CSS (Content Scramble System) mittels DeCSS, wobei man damals wenigstens noch von Verschlüsselung im Sinne der Kryptografie sprechen konnte und in Folge dessen selbst eine Primzahl in die „Illegalität“ rutschen könnte. Zuerst wurde auf Urheberrecht (UrhG) bzw. Copyright abgehoben, doch schon bald wurde gegen Programmierer die Waffe des Strafrechts herausgeholt und Gesetze angepasst. Da nun bereits die Adblockerfilterzeichenkette den Status Programm erhält, ist der Weg zum Strafrecht vorgezeichnet. Daß eben nicht nur gegen die Adblock-Hersteller vorgegangen wird, sondern gegen jeden, zeigt die Abmahnung gegen den Video-Blogger Tobias Richter (Tobias Tricks), der eine Videoanleitung zur Konfiguration des Ablockers ins Netz stellte. Allerdings hat er angekündigt es auf eine Auseinandersetzung mit dem Axel-Springer-Verlag ankommen zu lassen.

    Selbst wenn es beim ersten Anlauf nicht gleich gelingen sollte, werden die Verlagsjuristen die Flinte nicht ins Korn werfen. Friede Springer hat gute Kontakte ins Kanzleramt und es müssten nicht alle Juristen überzeugt werden, sondern nur ein paar Rädelsführer unter den Abgeordneten (Stichwort Leistungsschutzrecht; welches zwar bisher nicht funktioniert, aber eben auf betreiben des Verlags durchgedrückt wurde), damit ein geeigneter Paragraph um einen Punkt wie „ein Programm ist jede entworfene Zeichenfolge, die dazu geeignet ist, die Abläufe in einem elektronischen Gerät zu beeinflussen“ zu ergänzen.

    Mit einer Kombination aus Urheberrecht, mit seinen weitreichenden Auskunftsansprüchen (§101 UrhG, §101a UrhG) zur problemlosen und schnellen Ermittlung der Daten der Surfer über die Provider, seinen Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen und dem StGB als massive Drohkulisse, hätte man scharfe Schwerter um Menschen unter Druck setzen zu können. Vorausgesetzt andere folgen der mutigen und einfallsreichen Interpretation des Axel-Springer-Verlages.

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