Studiengangsexplosion

Die Welt titelte neulich „Fachidioten erobern die deutschen Universitäten“ und das Handelsblatt (Handelsblatt 30.09.2015, Nr. 188: 13) folgte mit „Mehr ist nicht automatisch gut“. Beide haben sie auf ihre Art Recht, doch den Kern des Problems tangieren sie nur peripher. Die Zahl der Studiengänge war schon vor der Umstellung von Diplom und Magister auf Bachelor und Master beachtlich, doch danach hat sich die Zunahme verschärft. Die oft tatsächlich unsinnige Spezialisierung allein ist nicht das eigentliche Problem, sondern der grundlegende Wandel im Verständnis von Hochschule und Universität, der Absage an das Humboldtsche Bildungsideal.

Universitäten nach dem Humboldtschen Modell waren von ihrer Idee her nicht als (Massen-) Ausbildungsfabriken für schnelllebige Wirtschaftsunternehmen gedacht, sondern sollten dem Studenten eine breit gefächerte und fundierte wissenschaftliche Ausbildung bieten. Dieser Anspruch wurde in den letzten Jahren vollends aufgegeben. Hinzu kommt ein Einknicken der Politik gegenüber der OECD, denn diese beklagt seit Jahren die geringe Akademikerquote in Deutschland, ohne jedoch zu berücksichtigen, daß Deutschland ein mehrgliedriges Ausbildungsystem hat. Die Akademikerquote allein sagt nichts aus und ist nur dann verwendbar, wenn gleichartige Systeme vorliegen. Dies hat dazu geführt, dass inzwischen Berufe die nach Art und Ausbildung dem Handwerk zuzurechnen sind, an die Hochschulen geholt werden und inzwischen mit einem Bachelor oder Master akademisiert wurden, ohne jedoch das Berufsbild zu verändern. Es bleiben Handwerksberufe, haben mit Wissenschaft nichts zu tun, aber der Ausgebildete kann jetzt einen akademischen Titel vorweisen, hat aber kein Verständnis für die Funktionsweise von Wissenschaft entwickelt, da nicht wirklich Bestandteil des Lehrplans und dies für die Ausübung des Berufes auch unerheblich ist. Inzwischen befinden wir uns in einer mit zunehmender Geschwindigkeit rotierenden Abwärtsspirale in der wissenschaftlichen Ausbildung (und nicht nur dort).

Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung sind (bildungsferne) Nieten in der Politik, aber die eigentlichen Verantwortlichen sitzen in den Universitäten, es sind die Rektoren, Präsidenten etc. Meiner Auffassung nach sind in den letzten Jahren eine Vielzahl von schwachen und überaus schlechten Präsidenten an die verantwortlichen Stellen in den Wissenschaftsorganisationen (nicht nur in den Universitäten) aufgerückt, die dort ihrem Geltungsbedürfnis nachkommen, in dem sie sich im Glanze der politischen Macht sonnen und ansonsten nur Wissenschaftsprostitution betreiben. Exemplarisch erinnere man sich nur an das Verhalten von HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz, der noch die akademisch sterbende Schavan vollschleimte. Egomanen und Ideologen mit Beamtenstatus. Um an Geld für die Universität zu kommen, wurden alle Ideale, jeglicher Qualitätsanspruch und die Wissenschaftlichkeit umgehend über Bord geworfen. Auch hier ist die HU-Berlin mit ihren in alle Fachbereiche metastasierenden Gender Studies wieder ein Exempel par excellence. Die Universitäten hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, diese Entwicklung aufzuhalten, aber jeder wollte eben Vorstand einer Exzellenzuniversität sein und so hat man sich auf einen Wettlauf begeben, wer der Politik am weitesten in den Arsch kriechen kann. Gewonnen haben naturgemäß nur wenige, aber dafür alle verloren, die Studenten, die Universitäten, die Wissenschaft und die Gesellschaft. Übrigens hätten die Studiengänge überhaupt nicht auf Bachelor und Master umgestellt werden müsssen, es war eine Kann-Vorlage kein Muss.

Nur einige Wenige wagten zu erwähnen, daß die finanzielle Ausstattung einer Universität, die sich nahezu allein an der Zahl der Absolventen misst, eine Absage an die Wissenschaft ist. Aber genau dieses Prinzip hat dazu geführt, daß die Universitäten nun immer neue Phantom- und Pseudostudiengänge aus der Taufe heben. Sie Verhalten sich wie eine Werbeagentur bei der Kundenakquise. Versprochen wird alles, gehalten wird so gut wie nichts und wenn es nicht läuft zieht die Karawane eben weiter. Zurück bleibt verbrannte Erde.

Welche dieser ausdifferenzierten Studiengänge auf längere Sicht Bestand haben werden, wird die studentische Nachfrage regeln.

Horst Hippler, Präsident er Hochschulrektorenkonferenz (HRK), hat es zwar erkannt, nur setzt er dem nichts entgegen. Genau so läuft es, wir schauen mal wie viel Dumme sich finden, denen wir einen Titel verpassen können und wenn immer noch Viele durchfallen, dann senken wir eben das Niveau weiter ab.

Es geht um Prestige. Nicht umsonst ist der Trend zu englischen Titeln gewachsen. Mit ihnen wird der politischen Forderung nach Internationalisierung entsprochen. Nebenbei machen sie Eindruck, obwohl sich kaum einem erschließt, worum es überhaupt geht.

Sicher geht es um Prestige, leider, aber durch Schaumschlägerei und nicht durch Leistung, zeigt aber auch, daß man selber nichts zu bieten hat, wenn man ohne Not eigensprachliche Begriffe durch unverständliche, fremdsprachige Schaumtitel ersetzt. Ein Paradies für Blender vom Schlage eines Gutenberg und weitaus Schlimmeren.

Das ist auch Ergebnis der Bildungsexpansion, der erfreulichen Tatsache, dass es an den Hochschulen immer mehr soziale Aufsteiger gibt. Vieles deutet darauf hin, dass Studenten ohne Akademiker-Eltern die Universität als eine verlängerte Werkbank verstehen.

Die Bildungsexpansion ist eine Schimäre, ein Scheinriese und existiert nur in den Köpfen der Verantwortlichen, denn die wurde durch systematisches Absenken des Niveaus an Schulen und Universitäten erreicht, bei gleichzeitigem Kaputtsparen des Bildungssystems. Bildung hat in Deutschland keinen Wert, insbesondere unter den Einflüssen Rot-Grüner Versager.
Wenn Studenten die Uni als verlängerte Werkbank vestehen, haben sie schlicht ein falsches Verständnis, aber anstatt dies zu korrigieren (und damit in der Schule anzufangen), nutzt man nun dieses Argument das System weiter zu zerstören. Wenn kein Interesse an Wissenschaft besteht, warum sollen sie dann an eine Uni? Oder andersherum, wenn man die Hochschulen in Werkbänke umwandelt, wo soll jetzt Wissenschaft betrieben werden?

Eine noch stärkere Anwendungs- und Praxisorientierung der Studiengänge muss ganz oben auf der hochschulischen Agenda stehen.

fordert der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer. Aber am Besten wäre es, wenn die durch die öffentliche Hand finanzierten Unis auch gleich noch die Produktion übernähmen und die Unternehmen nur noch den Gewinn einstrichen. Das würde die Eigenkapitalrendite enorm steigern.

2 Kommentare

  1. […] Allerdings muss dies von der mittleren Ebene aus erfolgen, denn die Führungsebene steckt selber knietief im Sumpf und prostituiert sich lieber in der […]

  2. […] wissenschaftlichen Einrichtungen keine Hilfe erwartet werden, fröhnen sie doch selbst nur noch der Wissenschaftsprostitution. Wohl oder Übel werden sich diejenigen die wissenschaftlich arbeiten wollen, gegen ihre Dekane, […]

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