Ada Lovelace

Nun hat sich kurz vor Jahresende auch Golem vom Ada-Lovelace-Fieber anstecken lassen, denn dieses Jahr war in feministischen Kreisen eindeutig das Ada-Lovelace-Jahr. Auf etlichen Veranstaltungen musste geradezu zwanghaft ihr Name erwähnt werden, auch wenn sich die Veranstaltung in keiner Weise mit IT beschäftigte und natürlich durften auch Buchempfehlungen weiblicher Autoren zum Thema nicht fehlen (Ada Lovelace. Die Pionierin der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen). Es ging/geht dabei nicht um die Leistung von Ada Lovelace an und für sich, sondern um den Versuch, getreu des ideologischen Feindbildes männlich, weiß, heterosexuell, die gesamte IT als eine letztendlich weibliche Erfindung darzustellen und die Geschichte in diesem Sinne umzuschreiben. Ein, wie ich finde höchst lächerliches Unterfangen, was aber nicht auf die fehlende Leistung von Ada Lovelace zurückgeht, sondern aus einem anderen Grund.

Nach heutigem Wissensstand war sie tatsächlich die erste Frau, die ein „Programm“ — in Form einer Tabelle mit Zustandsbeschreibungen — für eine Rechenmaschine niederschrieb. Allerdings wurde die zu grundeliegende, rein mechanische Rechenmaschine von Charles Babbage niemals gebaut, so daß ihr Programm eine rein theoretische Angelegenheit blieb. Als Erdenker der Maschine hatte Charles Babbage bereits selbst einige kleinere „Programme“ für seine Maschine geschrieben. Auch haben die damaligen „Programme“ nur sehr wenig mit dem gemein, was wir heute als Programm bezeichnen würden.

Die Geschichte dessen was heute die IT ausmacht begann erst nach dem zweiten Weltkrieg. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Entwicklung mit dem Aufkommen hochintegrierter Schaltkreise (integrated circuit, IC), wie sie heute in jedem PC, Smartphone und allen anderen elektronischen Geräten vorkommen und der damit einhergehenden Miniaturisierung und dem Preisverfall. Daran waren Abertausende ungenannter Männer und Frauen, in der weiten Überzahl tatsächlich Männer, beteiligt, aber Feministinnen müssen über 164 Jahre zurückgehen, um überhaupt eine Frau mit einem erwähnenswerten Beitrag zu finden, die zur feministischen Ikone der modernen Computertechnologie hochstilisiert werden kann. Eine solche Argumentation kommt in meinen Augen eher einem starkem Indiz für die Bedeutungslosigkeit von Frauen in der IT gleich, als einem Beweis dafür. Auch wenn Ada Lovelace mit ihren Gedankengängen ihrer Zeit voraus war, kann sie beim besten Willen nicht als Gallionsfigur hin zur Entwicklung der modernen Computertechnologie fungieren.

Literatur

  • Charles Babbage’s Analytical Engine, 1838. Allan G. Bromley. Ann. His. Comp. 1982, 4 (3): 196-217.
  • General-Purpose Electronic Analog Computing: 1945-1965. James S. Small. IEEE Ann. His. Comp. 1993, 15 (2): 8-18.
  • The Mechanical Analog Computers of Hannibal Ford and William Newell. A. Ben Clymer. IEEE Ann. His. Comp. 1993, 15 (2): 19-34.

2 Kommentare

  1. Sonstwer sagt:

    Wenn FeministInnen Ahnung von Computern hätten, wäre ihnen Grace Hopper ein Begriff.

  2. Der Umstand, daß Hopper in fem. Kreisen nur äußerst selten erwähnt wird, hat mich auch schon gewundert. Aber auf Lovelace fahren sie ab. Bücher, Beutel, Tassen, T-Shirts, die ganze Merchandisingpalette mit Lovelace, Lovelace-Räume, Seminare etc. Lovelace als Heilsbringerin.

    Eine Erklärung habe ich dafür nicht wirklich, aber vielleicht zielen sie darauf ab, eben die Grundlagen der IT, ihre Erfindung, einer Frau zuzuschreiben. Hopper hat eben „nur“ auf bereits vorhandene (überwiegend von Männern konstruierte) Systeme aufgebaut. Inhaltlich passt Hopper wesentlich besser zur modernen IT als Lovelace. Vielleicht hat sich Hopper auch einfach mal nur despektierlich über den Feminismus geäußert.

    Davon abgesehen, Fem. denken wenig selber. Eine hat eine Idee und die wird dann einfach ohne zu hinterfragen weiter kolportiert.

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