Aufstand der Mathelehrer

Der Tagesspiegel hat einen Brandbrief von Mathelehrern veröffentlicht, der es in sich hat. Allmählich zeigen die links-rot-grünen Schulexperimente durchschlagenden Erfolg. In dem Bestreben um Gleichmacherei ging es von Anfang an darum, möglichst Viele mit möglichst hohen Abschlüssen zu versorgen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde und wird weiterhin das Niveau auf breiter Front systematisch abgesenkt. Gerade die SPD als zutiefst bildungsfeindliche Partei besitzt hierin außerordentliche Kompetenzen.

Im Rahmen der Kompetenzorientierung, die der ganzen Republik in Form von Bildungsstandards [Bil] vorgeschrieben wird, wurde der Mathematik- Schulstoff so weit ausgedünnt, dass das mathematische Vorwissen von vielen Studienanfängern nicht mehr für ein WiMINT- Studium ausreicht.

Da ist sie wieder, die liebe Kompentenz. Ein Modewort der letzten Jahre, welches in der Praxis ein Synonym für „generalisierte Unwissenheit“ ist. Überall sollen nur noch Kompetenzen erworden werden, was in der Praxis bedeutet, daß auf Faktenwissen verzichtet wird. Es wird dabei vollkommen außer acht gelassen, daß eine fundierte — eben im altmodischen Sinne kompetente — Entscheidung nur dann getroffen werden kann, wenn hinreichend Fachwissen vorhanden ist. Allenthalben trifft man in diesem Lande auf Kompetenzzentren, gerne in Form eines Genderkompetenzzentrums, aber erfahrungsgemäß findet sich dort dann Vieles, außer eben Kompetenz.
Eine weitere Folge des Kompetenzenunsinns ist, daß Themengebiete nur noch gestreift werden. Ein intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema findet nicht mehr statt, so daß auch keine Routine aufkommen kann. Das (menschliche) Gehirn braucht die Wiederholung um Dinge ins Langzeitgedächtnis überführen zu können. Heute wird nur noch für die nächste Klassenarbeit, Semesterarbeit etc. gelernt. Das kann man allerdings nicht den Schülern ankreiden, sondern den Lehrplänen.

Den Studienanfängern fehlen Mathematikkenntnisse aus dem Mittelstufenstoff, sogar schon Bruchrechnung(!), Potenz- und Wurzelrechnung, binomische Formeln, Logarithmen, Termumformungen, Elementargeometrie und Trigonometrie. Diese Defizite sind schon längst kaum mehr aufholbar – weder in Vorkursen noch in Brückenkursen. In der Studieneingangsphase finden inzwischen fast überall mathematische Alphabetisierungsprogramme statt;

Hier geht es ja nur um den Teilbereich Mathematik, von anderen Fächern, bis hin selbst zu Mängeln in deutscher Rechtschreibung und Ausdrucksweise wird Analoges berichtet. Die Schulen versagen auf breiter Front.

Der Mathematikstoff wird nur noch oberflächlich vermittelt, eine tiefere inhaltliche Beschäftigung findet nicht mehr statt. Entsprechend sehen kompetenzorientierte Lehrbücher aus – wie ein Kaleidoskop oder ein Panorama, in dem mit jeder Doppelseite ein neues Thema angefangen wird. Man sieht viel Text und bunte Bilder, aber keinen roten Faden mehr:

Wie ich oben schrieb und es betrifft nicht nur die Mathematik. Naturwissenschaftliche Grundlagenkenntnisse verschwinden immer mehr aus der breiten Bevölkerung und werden durch esoterisches Wohlfühlgedankengut substituiert. Eine fatale Folge des Konstruktivismus, der die Existenz objektiver Fakten negiert und die Realität als gesellschaftliches, durch Worte erzeugtes Konstrukt ansieht. Das Ergebnis ist ein Rückfall in Zeites des Animismus.

Die auf den neuen kompetenzorientierten Standard bezogenen VERA-Tests prüfen unter dem Deckmantel “Mathematik“ Alltagswissen ab wie das Wissen um die Richtigkeit der Aussage „Nach Mittwoch kommt Donnerstag“ oder das Ablesen eines Balkendiagrammes in Klasse 3 [VERA].

Selbst das geht nach Verlassen der Schule oftmals immer noch in die Hose. Es manchmal äußerst erstaunlich mitzubekommen, wie gering entwickelt die Fähigkeit ist, die Aussage graphischer Darstellungen zu erfassen. Mal abgesehen von der verbreiteten Unsitte graphische Darstellungen bewusst als Täuschungsmittel einzusetzen.

Wir fordern Sie auf, jeweils aus Ihrem Einflussbereich heraus Sorge zu tragen, dass

  1. Deutschlands Schulen wieder zu einer an fachlichen Inhalten orientierten Mathematikausbildung zurückkehren können,
  2. die Verantwortung für die gründliche Übung und Wiederholung des genannten Mittelstufenstoffes wieder uneingeschränkt von den Schulen übernommen wird,
  3. wichtige Grundlageninhalte wie Bruch- und Wurzelgleichungen, Potenzen mit rationalen Exponenten, ausreichend Elementargeometrie und Trigonometrie wieder in die Lehrpläne aufgenommen werden,
  4. der Einsatz von Taschenrechnern und Computeralgebra-Systemen (CAS) die wichtige Phase des Einübens der elementaren und symbolischen Rechentechniken nicht beeinträchtigt (in Hessen ist z.B. ab Klasse 7 der
    Taschenrechner Pflicht, was die Routinegewinnung, etwa in der Bruchrechnung, empfindlich stört),
  5. symbolische, formale und technische Elemente der Mathematik und abstrakte Inhalte stärker gewichtet werden,
  6. die Abiturklausuren anstelle von Modellierungsaufgaben wieder Aufgaben mit inhaltlich-fachlicher Ausrichtung enthalten, die auch international üblich und anerkannt sind.

Eine Antwort auf den von bisher 130 Lehrkräften unterzeichneten Brief gibt es auch schon, u.a. von Prof. Dr. Kristina Reiss

Reiss kritisiert, die Hochschulen würden sich nicht genug auf den Wandel einlassen: „Es ist ein fundamentales Missverständnis, dass die Schule die Schüler studierfertig abzuliefern hat. Die Schule ändert sich, weil ihre Bedingungen sich ändern. Auch der Fremdsprachenunterricht hat sich geändert. Es geht nicht mehr darum, die Grammatik zu beherrschen, sondern darum, sich ausdrücken zu können“, sagt sie.

Großartig, die Schüler verlassen die Schule mit einem Zeugnis, welches sich „allgemeine Hochschulreife“ nennt, aber durch Selbige sollen die Schüler nicht „studierfertig“ sein. Was um alles in der Welt soll denn dann Hoschschulreife bedeuten? Die Fähigkeit Plakate zu kleben und Institute besetzten?
Jemand der die Grammatik einer Sprache nicht beherrscht, ist natürlich auch ganz besonders ausdrucksstark. Das Ergebnis einer solchen Lehrmethode nennt sich gemeinhin Kanaksprak, nur braucht es dafür keinen Schulunterricht.

Die Hochschule könne also auch nicht einfach Analysis und Algebra verlangen wie vor 20 Jahren: „Wir an der TU München holen die Studienanfänger da ab, wo sie stehen.“ Dass Studienanfänger inzwischen keine Bruchrechnung mehr könnten, sei nicht zu erkennen. Vor allem seien die von Unterzeichnern angeführten Aufgaben „genau solche, die man in der Regel heute nicht mehr im Studium braucht – und wenn man sie braucht, kann man sie sich aneignen.“

Sieht man sich die im Artikel verlinkten und im Brief aufgeführten Aufgaben an, so mag das Argument zwar für den täglichen Gerbauch gelten, aber in einem naturwissenschaftlichen Studium werden diese Fähigkeiten durchaus benötigt, auch wenn das eigentliche Rechnen dann ein Computer übernimmt. Da ist dann auch keine Zeit mehr, sich dieses Schulwissen erst bei Bedarf anzueignen. Das weiterführende Fachwissen in den (MINT-)Fächern muss auf Bestehendes Aufsetzen können. Außerdem stellt sich die Frage, wozu die zusätzlichen Schuljahre bis zum Abitur gut sein sollen, wenn man sich doch alles erst später mal eben so nebenbei annehmen soll.

Nachtrag 12.07.2017:

Die Wirtschaftswoche hat das Thema inzwischen in einem Gastbeitrag von Hans-Jürgen Bandelt, Franz Lemmermeyer und Hans Peter Klein aufgegriffen: Bildungskatastrophe: Abiturienten scheitern schon am Bruchrechnen.

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