Auf der Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan wurde der türkische Journalist Ertugrul „Adil“ Yiğit, Herausgeber der Onlinezeitung „Avrupa Postası“, von Sicherheitsleuten aus dem Saal geführt, weil er ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Gazetecilere Özgürlük – Pressefreiheit für Journalisten in der Türkei“ trug. Umgehend kam die Diskussion auf, ob dies eine Einschränkung der Pressefreiheit darstelle.
Einerseits kann man das so sehen, da Herr Yiğit im Vorfeld ordnungsgemäß akkreditiert war und nun durch den Rauswurf in seiner Berufsausübung durch den Staat behindert wird. Diese Reaktion auf die direkte Unmutsbekundung gegenüber Erdoğan ist auch nicht unbedingt überraschend, denn die Bundesregierung hofiert den Islamisten Erdoğan über alle Maßen und tut viel dafür damit sich der Autokrat in Deutschland richtig willkommen fühlt. Insofern ist davon auszugehen, daß es eine Anweisung gab, bereits bei kleinsten Vorfällen durchzugreifen.
Wesentlich wichtiger scheint mir jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein anderer Punkt an der Angelegenheit zu sein, sofern er sich tatsächlich so wie von Herrn Yiğit geschildert zugetragen haben sollte:
Als ich draußen war, sagten zwei Mitarbeiter, die für die Akkreditierung der Journalisten zuständig waren, ich könne wieder hinein, wenn ich das T-Shirt ausziehe und mich ganz nach hinten setze.
Das wollte ich dann tun, doch dann kam ein Mann vom Bundeskriminalamt und sagte, ich dürfe nicht hinein. Die türkischen Securitys könnten aggressiv auf mich reagieren, das BKA sei im Vorfeld bereits gewarnt worden. Die türkische Security habe mich schon die ganze Zeit im Blick. Ich konnte das nicht glauben. Aggressiv? Hier auf deutschem Boden? Ich bin jedenfalls ganz schön schockiert von diesem Rausschmiss.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ähnlichkeit mit den „Jubelpersern“ beim Schahbesuch 1967 in Berlin. Sollte sich dies so ereignet haben, dann liegt hier erneut ein Staatsversagen vor, denn der Deutsche Staat hätte in diesem Falle den Sicherheitsleuten von Erdoğan unmißverständlich klar machen müssen, daß hier keine türkischen Spielregeln gelten.
Auf der anderen Seite ist der Akt des Tragens des T-Shirts auch nicht ganz so harmlos wie es scheint. In gewisser Weise steht er auch symbolisch für den Zustand und die Berichterstattung in der deutschen Presselandschaft. Es handelte sich um eine offizielle Pressekonferenz, aber der Träger mißbraucht hier aus seine durch die Akkreditierung privilegierte Position und agiert offen als Aktivist. Er hat dabei mit seiner Ein-Mann-Demonstration den Bereich des Journalismus weit verlasssen. Unter diesem Gesichtspunkt war der Rauswurf durchaus gerechtfertigt.
Das Phänomen, das Journalisten als Aktivisten in eigener Sache auftreten, hat sich in Deutschland inzwischen fest etabliert (auch wenn sich ihm in der Pressekonferenz offenbar niemand angeschlossen hat). Sie sehen sich selbst als eine geistige Informationselite, deren Aufgabe es sei, den unmündigen Bürgern das „richtige Funktionieren“ der Welt zu erklären, da nur sie, Sehern aus früheren Jahrhunderten gleich, Zugang zu höheren Wahrheiten haben. Das gipfelt dann oft in dem Satz, dieses oder jenes könne man nicht einfach unkommentiert stehen lassen. Vielen Journalisten, je jünger desto stärker, ist die Idee einer möglichst neutralen Berichterstattung über Ereignisse völlig fremd. Sie möchten nicht einfach „nur“ berichten, sondern die Welt in ihrem Sinne lenken, obwohl sie nicht gewählt sind. Als Folge dessen haben sie es geschafft, den Beruf des Journalisten so weit zu diskreditieren, daß die Glaubwürdigkeit kontinuierich sinkt und damit allgemein der Absatz von Presseerzeugnissen in dem ohnehin schwierigen Umfeld mit dem Internet als Kokurrenzmedium und seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten selbstverschuldet rapide sinkt.