Journalist fordert Entzug des Wahlrechts von AfD-Anhängern

Ralf Dorschel von der Hamburger Morgenpost sieht sich selbst als toleranten Demokraten, fordert aber in seinem Artikel „Nach Lügen, Hetze und Panikmache Standpunkt: Redet AfD-Fans nicht mehr nach dem Mund!“ nicht nur den Entzug des Wahlrechts für AfD-Anhänger sondern auch deren konsequentes ignorieren durch andere Parteien. Man fragt sich, ob ihm eigentlich klar ist, was er da von sich gegeben hat.

In einer gerechten Welt müsste man AfD-Fans das Wahlrecht entziehen. So, wie man Kindern die Bauklötze wegnimmt, wenn sie randalieren: Kleiner, du kannst deine Ritterburg in vielen Formen und Farben bauen, mit Mauern, Graben und Toren oder offen mit heruntergelassener Zugbrücke. Aber wenn du alles immer nur zerstören willst, dann bist du raus.

So auf die Schnelle einige Punkte zu dieser Aussage:

  1. Er hält AfD-Wähler für unmündige Kinder, aber dennoch hat er mit seinem Kindervergleich das Problem durchaus treffend umrissen, nur merkt er es nicht. Manche der Kinder würden ihre Ritterburg eben gerne mit Mauern, Graben und Toren bauen, aber genau die von ihm selber als legitim anerkannte Bauweise gesteht man ihnen nicht zu. Sie brauchen gar nicht erst etwas kaputt zu machen, man will ihnen von vornherein vorschreiben wie ihre Ritterburg auszusehen habe: Ohne Mauern, ohne Graben und mit für alle offenen Toren, ja ganz ohne Tore. Nur ist es eben dann nicht mehr so richtig ihre Burg, sondern eine Auftragsarbeit für Andere und dagegen begehren halt einige auf. Er hat seine eigene Metapher nicht verstanden.
  2. Wäre es nicht rein logistisch einfacher, nicht einzelnen Bürgern nach einem wie auch immer gearteten Gesinnungstest das Wahlrecht zu entziehen, sondern die Partei selbst gar nicht erst zur Wahl zuzulassen?
  3. Wie stellt man fest, wer AfD-Fan ist und wer nicht? Noch gibt es das Wahlgeheimnis. Soll das aufgehoben werden? Dann kennt man die Delinquenten erst nach einer Wahl. Ist die Stimme dann gültig, aber es erfolgt ein Wahlteilnahmeverbot für die nächste(n) Wahl(en) oder wird die Stimme bereits während der laufenden Wahl als ungültig/nicht abgegeben gewertet?
  4. Warum sollten Fans von NPD oder Freien Wählern das Wahlrecht behalten dürfen, die der AfD hingegen nicht? Fängt man mit solchen Methoden bei einer Partei an, wird das ganz schnell auf andere Parteien ausgedehnt werden.

Niemand ist gezwungen, eine bestimmte Partei zu wählen – wir haben genug seriöse Auswahl: Von der Linken bis zur CDU wird über kleine und große Themen gestritten. Aber die respektieren alle das Grundgesetz und rollen nicht ihre modernden Fische drin ein.

Und weil die genannte Auswahl so überaus seriös ist, wurde bspw. in Berlin vor Kurzem die Immunität von sechs Abgeordneten aus den Reihen der Grünen und Linken aufgehoben und der Weg für ein Strafverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsrecht frei gemacht, weil sie als Parlamentarier aktiv an der Blockade einer angemeldeten Demonstration teilgenommen haben. Die sechs Abgeordneten sind nun keine Einzelfälle, sondern spiegeln die generelle Haltung in diesen Parteien wieder, die eben nicht jedem das grundgesetzlich verankerte Recht auf Versammlungsfreiheit zugestehen will.

Der Autor verlangt Respekt für das Grundgesetz, doch wie sieht es mit seinem eigenen Respekt vor dem Grundgesetz aus? Seine Forderung nach Entzug des Wahlrechts für AfD-Fans (Wähler) verträgt sich nicht mit Art. 38 GG:

Artikel 38

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Seine auch schon im Parlament gefallene Aussage vom Respekt für das Grundgesetz sollte daher auch mal völlig losgelöst von der AfD betrachtet werden: Was genau heißt es eigentlich das Grundgesetz zu respektieren? Ist damit gemeint, daß man sich einfach nur an die existierende Gesetzeslage hält oder ist es noch umfassender gemeint, in dem unter respektieren verstanden werden soll, keine Änderungen daran vorzunehmen, es also quasi als in Stein gemeißeltes ewig gültiges Dogma zu behandeln? Im Jahr 2018 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übrigens 70 Jahre alt und innerhalb dieser Zeitspanne 64 Mal geändert, durchschnittlich also fast jährlich einmal und das nicht von der AfD. Dazu kommen noch die vielen geforderten, aber nicht umgesetzten Änderungen am Grundgesetz. Ist es das was er meint, wenn er von seriösen Alternativen zur AfD und Respekt vor dem Grundgesetz schreibt?

Man muss die AfD nicht mögen, aber de facto ist sie tatsächlich die einzige Partei, die eine substantiell andere Politik als die Altparteien vertritt. Mir konnte bisher auch noch niemand sagen, welche Partei denn nun jemand wählen soll, wenn er eine andere Politik als die der Blockparteien will, aber seine Stimme nicht der AfD geben möchte.

Hier ist, bisschen verspätet, ein guter Vorsatz für 2019: Lasst uns all die AfD-Wähler einfach aufgeben! Und dann kämpfen wir bei den Landtags- und Europawahlen in diesem Jahr wieder um die Stimmen der Mehrheit.

Das ist die grün-linke Vogel-Strauß-Politik. Man will auf Biegen und Brechen sein ideologisches Ding durchziehen, auftretende Probleme werden ignoriert, Kritiker verunglimpft und mit Sprechverboten belegt, denn Sprache schafft Realität, also darf über die Probleme nicht gesprochen werden.

Die AfD steuert bundesweit auf die 20%-Marke zu, in einigen Bundesländern hat sie bereits heute deutlich mehr. Es ist alles andere als eine gute Idee ein Fünftel der Bevölkerung, mit steigender Tendenz, willentlich zu ignorieren.

Außerdem: Ist ja kein „lebenslang“: Wer lernt, Andersdenkenden, Anderslebenden, Andersliebenden und Andersaussehenden mit Respekt zu begegnen, kriegt auch seine Bauklötze zurück. Und darf wieder mitspielen.

Bürgern mit unliebsamen Meinungen soll also nicht nur das Wahlrecht entzogen werden, sondern anschließend soll auch ihre Gesinnung (regelmäßig?) vom Staat überprüft werden. Schwebt ihm dabei ein Äquivalent zum medizinisch-psychologischen Gutachten (vulgo Idiotentest) zur Wiedererlangung des Führerscheins nach Entzug desselben vor oder denkt er da mehr an Umerziehungslager? Egal was, wo das hinführt hat man in der DDR, unter Stalin, Pol Pot und Mao Zedong (modisch orientiert sich Merkel ja schon an ihm: Mao in bunt) hinreichend bewundern dürfen.

Ich fürchte die Denkweise von Ralf Dorschel ist kein Einzelfall und in den rot-grünen Medien weiter verbreitet als einer funktionierenden Demokratie lieb sein kann.

2 Kommentare

  1. uwe hauptschueler sagt:

    2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke… und Abstimmungen und… ausgeübt.
    Artikel 20 GG
    Die AfD hat in ihrem Flyer Volksabstimmungen nach schweizer Muster gefordert. Dafür habe ich sie gewählt. Die anderen im Bundestag vertretenen Parteien scheißen auf den Artikel 20(2) GG und das schon seit Anbeginn des Grundgesetzes.

  2. Ich bin kein Gegner von Volksabstimmungen, sehe sie aber auch nicht als Allheilmittel. Wir haben bereits jetzt praktisch jedes Jahr irgendwelche Wahlen im Lande, die würden bei Volksabstimmungen nicht wegfallen, sondern kämen hinzu. Mit der Folge, daß sich das Land dann permanent im Wahlkampfmodus befände. Ganz billig sind die auch nicht. Da muss es aus rein praktischen Erwägungen dann auch Eingrenzungen geben, wann eine Solche durchgeführt werden kann bzw. muss. Man kann ein 80 Millionen Volk nicht permanent an die Urne rufen (eVoting hört sich zwar als prima Lösung an, ist aber fürchterlich unsicher, daher bis dato keine Alternative).

    Im Grunde genommen wählt man ja auch, weil man nicht die Arbeit auch noch mitmachen kann, keine Zeit oder kein Wissen hat. Also beauftragt man jemanden, sich um bestimmte Angelegenheiten zu kümmern. Zum Problem wird es, wenn dieser jemand sich nicht oder in völlig anderer als intendierter Art der Sachen annimmt, dann gibt es während der Legislaturperiode keine Einspruchsmöglichkeit, wohingegen man einen Klempner sofort feuern kann. Unser heutiges System ist daher im Grunde eine Vier bzw. Fünfjahresdiktatur. Hinzu kommt, je größer das Gebilde ist (Ort → Kommune → Land → Bund → EU), desto abstrakter werden viele Dinge und die realen Folgen von Regelungen lassen sich nicht mehr schnell erfassen.

    Auch werden Wahlen mit zunehmender Größe des Gebildes aus demokratietheoretischer Sicht unter dem Aspekt der Mitbestimmung immer unsinniger, da das Gewicht der eigenen Stimme asymptotisch gegen Null strebt. Das Problem würden Volksabstimmungen auch nur in wenigen Einzelfällen lösen (z.B. Euroeinführung). Auf EU-Ebene hat man versucht das durch Stimmgewichtung zu beheben (kleine Länder benötigen weniger Stimmen für einen Sitz im EU-Parlament, als Große, teilweise nur rund ein Zehntel!), was wiederum der Idee der Wahlgleichheit („Ein Mann, eine Stimme“) der modernen Demokratie zuwiderläuft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert