Unsere Abgeordneten sind schon ein merkwürdiges Völckchen. Wenn sie Fragen beantworten sollen beharren sie nicht nur auf Mitteilung des Namens, sondern wollen auch die Wohnanschrift haben. Pseudonymität oder gar Anonymität sind ihnen ein Gräuel. Nun stellt sich der Petitionsausschuss ausgerechnet hinter eine schlecht formulierte, wenig durchdachte und von gerade einmal 378 Mitzeichnern getragenen, anonym eingereichte Petition (via heise). Der Petent fordert in seiner Eingabe, daß
Alle Einträge über Personen, die in Suchmaschinen oder Informationsdiensten für die Öffentlichkeit bereitstehen, müssen bei schriftlichem Einspruch durch die Betroffenen innerhalb von 72 Stunden mit einem „Button“ vergleichbar einer presserechtlichen Gegendarstellung versehen werden, wenn sie nicht aufgrund des Einspruchs sofort gelöscht werden.
weil das herkömmliche Verfahren über ein Gericht für den Betroffenen zu aufwändig ist, da sich „Suchmaschinen und Informationsdienste“ häufig weigern würden Einträge zu löschen. Aufhänger ist das bei Jugendlichen beliebte Cyber-Mobbing.
Der Petent definiert nicht, was genau er unter einem Informationsdienst versteht, aber ich nehme einmal an, daß er jede Webseite meint, auf der Benutzer Kommentare hinerlassen können, da er auf Mobbing abzielt. Eigenartig erscheint mir die Idee, auf Suchmaschinen eine Gegendarstellung hinterlassen zu wollen, aber wahrscheinich handelt es auch nur um eine unpräzise Formulierung. Was soll überhaupt mit der Einschränkung auf „Suchmaschinen und Informationsdienste“ bezweckt werden? Wäre denn nicht bei allen der Öffentlichkeit zugänglichen Seiten ein Gegendarstellungsbutton in seinem Sinne?
Technisch richtig anspruchsvoll wäre aber die Realisierung dieses Vorhabens. Auf den Seiten der Presseerzeugnisse greift das Recht auf Gegendarstellung, bei Foren mit Kommentarfunktion kann der Betroffene selbst eine Gegendarstellung hinterlassen. Wie aber soll ein Gegendarstellungsbutton brauchbar umgesetzt werden? Es kann ja nicht angehen, daß dann jeder ohne Identitätsprüfung eine Gegendarstellung, die offiziell als Solche gekennzeichnet ist, hinterlassen kann. Auch stellt sich die Frage welchen Sinn ausgerechnet bei Mobbing eine Gegendarstellung ergeben soll. Dürfen wir dann in Zukunft auf die Beschimpfung „Lieschen ist eine Schlampe“ etwas wie „Die Betroffene stellt hierzu fest, daß es sich bei der gemachten Aussage um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt. Richtig ist vielmehr: Lieschen ist keine Schlampe.“ lesen? Ich bin mir nicht sicher, ob dies wirklich der Intention des Petenten entspricht. Gegendarstellungen, womöglich noch selbst verfasste, bei Mobbingattacken dürften wohl eher Futter für die Mobber und ihr böses Spiel darstellen. Nicht umsonst heißt es in Foren „don’t feed the troll“.
Im Wesentlichen stellt sich nun der Petitionsauschuss hinter diese Forderung. Er verweist zwar sowohl auf die Möglichkeit einer Gegendarstellung bei Presseerzeugnissen, als auch auf die Möglichkeit, daß in Foren Kommentare hinterlassen werden können, aber die Begründung geht vollkommen an der Sache vorbei.
Gleichwohl ist aus Sicht der Abgeordneten das Argument des Petenten nachvollziehbar, dass in besonderen Situationen das bestehende Recht nicht mehr ausreiche. Die gelte insbesondere im Fall des Cybermobbings unter Kindern und Jugendlichen, bei dem möglichst schnelle Abhilfe zugunsten der Opfer notwendig sei. In diese Richtung zielt nach Aussage des Petitionsausschusses auch das am 13. Mai 2014 ergangene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH), welches das Recht auf Vergessen im Internet stärke.
Bei dem merkwürdigen Urteil des EuGH gegen Google (und damit auch gegen alle anderen Suchmaschinen) geht es um das Löschen von Verweisen aus dem Suchindex, wohingegen die Petition ein für den Benutzer vereinfachtes Prozedere auf Gegendarstellung fordert, also so ziemlich das Gegenteil von Löschen.