Ist der Ausdruck „Kinderficker-Sekte“ gegenüber der katholischen Kirche strafbar?

BERLIN — Wie bekannt wurde (Tweet, Schockwellenreiter mit Blasphemieparagrafen angeklagt, Die große heilige Inquisition vs. Schockwellenreiter (2)) hat die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Betreiber eines der bekannteren Blogs von Deutschland, den Schockwellenreiter, Anklage nach § 166 StGB, auch „Blasphemieparagraph“ genannt, erhoben, weil er im Verlaufe des knappen Artikels Neues vom Ayatollah von Köln zu Kardinal Joachim Meisner vom Juni d. J. die katholische Kirche als „Kinderficker-Sekte“ bezeichnet hat.

§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Zwei Dinge sind leider noch nicht bekannt: Zum einen wer hinter der Anzeige steckt, möglicherweise aber nicht zwingend die katholische Kirche und zweitens welcher Teil des Ausdruckes „Kinderficker-Sekte“ genau als störend empfunden wird. Daher wird es interessant sein zu sehen, mit welcher Argumentation die Berliner Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen gegen die Meinungsfreiheit rechtfertigen will. In vergleichbaren Fällen wurden Klagen immer dann abgeschmettert, wenn die, mitunter durchaus sehr harschen Worte, auf einer objektiv nachweisbaren Grundlage beruhen.

In seinem Artikel bezieht sich der Schockwellenreiter auf die Kontinente übergreifende, objektive Tatsache des vielfachen Kindesmißbrauchs durch Vertreter der katholischen Kirche. Zu dem Bekenntnis als Solchem äußert er sich überhaupt nicht. Da der Kindesmißbrauch zweifelsfrei feststeht, stellt sich die Frage ob das Aussprechen der Wahrheit als Störung des öffentlichen Friedens geahndet werden kann. Hinzu kommt, daß der Schockwellenreiter zwar aus der Masse der Blogs herausragt, aber bei weitem nicht so einflussreich ist, wie dann unterstellt werden müßte, um eine Störung des öffentlichen Friedens anzunehmen. Außerdem enthält sein Artikel keinerlei Aufruf zu wie auch immer gearteten Unternehmungen gegen die Kirche. Noch dazu ist auf den Straßen bisher alles ruhig geblieben.

Vielleicht stört man sich auch nur an dem Begriff der Sekte. Hierbei kommt es jetzt darauf an, welche Definition von Sekte zu Grunde gelegt wird, denn eigentlich beschreibt der Begriff Sekte nur eine Abspaltung einer religiösen Gruppe von der Mutterreligion. Somit sind Christentum und Islam nichts weiter als jüdische Großsekten, mit ihrerseits wieder dutzenden von Abspaltungen. Aus Sicht der sich als einzig richtige Glaubensrichtung darstellenden katholischen Kirche sind alle anderen Gruppierungen gefährliche Sekten. Im Bereich des Staatsrechts (Stichwort Religionsfreiheit) und der Wissenschaft (Stichwort wertneutral) gibt es den Begriff der Sekte praktisch nicht mehr, da der Begriff von der negativen Konnotation nicht mehr zu trennen ist. Somit ist der Begriff der Sekte, weder dazu geeignet eine Beschimpfung des Bekenntnisses an und für sich darzustellen, noch kann durch seine Anwendung von einer Störung des öffentlichen Friedens gesprochen werden.

Auch ist es durchaus diskussionswürdig — auch wenn es für eine mögliche Strafbarkeit des vorliegenden Sachverhaltes irrelevant zu sein scheint —, inwieweit das religiöse Bekenntnis zum Christentum im Allgemeinen und zu dem der katholischen Kirche im Besonderen, als Störung des öffentlichen Friedens aufgefasst werden kann. Immerhin verschuldet sie mindestens 50 Millionen Tote verteilt über mehrere Kontinente. Wenn das keine Störung des öffentlichen Friedens ist, was dann? Die gesamte Organisation der katholischen Kirche ist antidemokratisch, gegen Meinungsfreiheit, zutiefst frauenfeindlich, sexualfeindlich, homophob und diskriminierend (wie gerade auch wieder ihre neueste Website Marriage Unique For A Reason zeigt). Auch wurden ihre Funktionäre, die aktiv an Völkermorden (Ruanda) teilgenommen hatten, vor weitergehender Gerichtsbarkeit beschützt. Sie verstößt somit gegen so gut wie alle Grundsätze des Grundgesetzes und der Menschenrechte. Anders ausgedrückt, die katholische Kirche ist größte existierende terroristische Vereinigung.

Erstaunlich ist überhaupt, warum die für den Schockwellenreiter zuständige Staatsanwaltschaft Berlin überhaupt meint ihre Arbeit aufnehmen zu müssen. Immerhin ist das eher säkular-atheistische Berlin eine katholische Diaspora. Es entsteht hier durchaus der Eindruck, als ob hier versucht wird durch politischen Druck oder durch einen „Freundschaftsdienst“ (Amtsmißbrauch ?) eine mißliebige Meinungsäußerung zu unterdrücken. Eine Anklage bedeutet noch lange nicht auch Verurteilung, aber sie ist durchaus dazu geeignet, insbesondere ein Individuum, einzuschüchtern. Aus Sicht der katholischen Kirche ist der mögliche Schaden durch einen verlorenen Prozess wohl um einiges höher, als eine kurze Notiz auf einem für die Gesamtheit der Meinungsbildung eher unbedeutenden Blog, denn es kann doch eigentlich für die katholische Kirche kaum etwas Schlimmeres geben, als quasi mit Brief und Siegel bestätigt zu bekommen eine „Kinderficker-Sekte“ zu sein.

Hinzu kommt, daß die katholische Kirche selbst, trotz der systemimmanenten Vertuschungsmaßnahmen, bisher sowohl von den Staatsanwaltschaften als auch von der Politik (man denke nur an die alberne Einrichtung eines „runden Tisches“) geradezu mit Glacé-Handschuhen angefasst wurde.

Abgesehen vom konkreten Fall gehört der § 166 StGB auf die Müllhalde der Geschichte, da es keinen Grund gibt Religionsgemeinschaften einen weitergehenden Schutz als anderen Institutionen zuzubilligen.

Nachtrag 10.02.2012:
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Eröffnung eines Hauptverfahrens nach §166 StGB gegen den Blogbetreiber abgelehnt.

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