Auffanggesellschaften

Die Stringenz deutscher Politik ist mal wieder berauschend. Vor langer, langer Zeit hat eine Rot-Grüne-Regierung unser Sozialsystem mit einem Rundum-Sorglospaket ausgestattet: Hartz IV. Manch einer wird bei diesem Namen an einen Kriminellen erinnert, aber Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt! In den Folgejahren haben Schwarz-Rot und schließlich Schwarz-Geldb dieses System aus Fordern und Fördern kontinuierlich verschär verbessert. Heute besitzen wir eine wunderbar effektiv arbeitende Arbeitsamt „Bundesagentur für Arbeit“ und jeder fühlt sich richtig gut aufgehoben. Die Politik hält sich mit Eingriffen in die Wirtschaft zurück, die Bevölkerung trägt die Eigenverantwortung, und wenn denn doch mal ein Unternehmen pleite gehen sollte, haben die Angestellten nichts zu befürchten, denn sie erhalten umgehend jede nur erdenkliche Hilfestellung von Vater Staat.

Aber wurde da bei den Banken nicht eingegriffen? Nein, natürlich nicht, denn bei den Banken ging es schließlich nicht um irgendwelche kleinen Bankangestellten, sondern um das System, welches mit allen Mitteln erhalten werden mußte. Irgendwelche Verschwörungstheoretiker haben glatt die wirre Frage aufgeworfen, ob es nicht ein Systemfehler sei, wenn das System von der Existenz der Banken abhängig ist. Aber hier hat die deutsche Politik sofort umfassend reagiert und eine sich ausbreitende Verwirrung der Bevölkerung durch konsequentes Ignorieren dieser Frage verhindert.

Bei Schlecker ist alles ganz anders, denn Schlecker ist eben nicht systemrelevant und es geht nur um Menschen, nicht um das System. Eine Schampookrise zeichnet sich bisher auch nicht ab. Dennoch, hier bröckelt etwas an der Fassade. Auf einmal möchte man mit Millionen an Steuergeldern für die Schleckerinnen eine Auffanggesellschaft gründen, um ihnen das harte Los der Arbeitslosigkeit zu ersparen. Sollte sich hier etwa in einigen Parteien der geradezu blasphemische Gedanke breit gemacht haben, das unser Sozialsystem Lücken aufweist, die Arbeitsämter nicht funktionieren wie sie sollen und das Hartz IV doch nicht so toll ist wie immer angepriesen? Sollte man nicht eher wirklich froh darüber sein, daß ein Arbeitgeber wie Schlecker endlich vom Markt verschwindet, als zu versuchen davon etwas zu retten? Sollte man nicht versuchen durch unbürokratische Maßnahmen die Angestellten schnell woanders in Lohn und Brot zu bringen? Bei dem Geschachere fragt man sich unwillkürlich, ob sich hier nicht die Politiker selbst retten wollen.

Man könnte glatt meinen es stünden wichtige Wahlen bevor und jeder versucht noch schnell seinen Teil vom Stimmkuchen zu vergrößern. Der FDP geht es natürlich nicht nur um ein paar jämmerliche Stimmen, sondern um exakt mindestens 5% der Stimmen, denn andernfalls gibt es für die FDP keine Anschlussverwendung mehr.

Merke:
Das Interesse der Politik für parteipolitisch motivierte Steuerausgaben und die Menschen in einem Unternehmen ist umgekehrt proportional zu dessen Bekanntheitsgrad und zum Abstand zu den nächsten Wahlen.

Es ist erbärmlich, geradezu widerlich, wie alle Parteien in diesem Lande auf dem Rücken derjenigen, die sich nicht wehren können, ihre ideologischen Grabenkämpfe austragen.

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