Weltpersonenregister

In der Diskussion der letzten Wochen über die durch Edward Snowden aufgedeckte Abhörpraxis wird so gut wie immer betont, daß es „nur“ um die Metadaten der Verbindungen gehe. Das greift meiner Meinung aber deutlich zu kurz. Sagen die Metadaten zu einem Telefongespräch tatsächlich nur etwas über Ort und Zeit, aber nicht über den Inhalt aus, sieht es bei anderen Kommunikationsformen anders aus, denn die Verbindungsdaten lassen sich nicht immer scharf von den Inhalten trennen (jeder Link ist bereits „sprechend“). Außerdem wird indirekt der Eindruck vermittelt, daß an dieser Stelle Schluss sei, aber man kann davon ausgehen, daß Geheimdienste keine selbst auferlegten Grenzen kennen. Die nicht vollständige Erfassung von Inhalten ist daher auch kein Zeichen ethischer Verantwortung und Anerkennung von Grundrechten, sondern schlicht ein technisches Problem.

Die Wunschvorstellung der NSA und eines jeden Geheimdienstes wird wohl eine Art Weltpersonenregister sein, wobei sich die NSA auf gutem Wege dorthin befinden dürfte. Jedem Menschen wird eine eindeutige Kennung zugeordnet, unter der alle Informationen zu ihm, derer die NSA habhaft werden kann, abgelegt werden. Da dies aber einen ganz erheblichen Umfang annehmen kann, der von einem Sachbearbeiter nicht mehr zeitnah ausgewertet werden kann, muß die Auswertung über Algorithmen erfolgen. Außerdem arbeiten Algorithmen von Äußerlichkeiten unbeeinflusst ihr Bewertungsschema ab, d.h. Ergebnisse sind miteinander direkt vergleichbar. Faktisch führt die Sammelleidenschaft der Dienste also dazu, daß ein jeder von uns wohl durch bestimmte Kennzahlen („score, rating“ o.Ä.) — bspw. zu politischer Einstellung, sexueller und religiöser Orientierung, Konsumverhalten etc. — beschrieben werden wird. Durch einfaches Festlegen von Schwellenwerten, könnten dann an Hand dieser Maßzahlen sehr schnell Entscheidungen über ihn getroffen werden. Einerseits wird das Leben eines Individuums somit auf weniger als einer Seite, dargestellt durch ein paar Zahlen zusammengefasst, andererseits können innerhalb von Sekunden ganze Gruppen von Menschen für welche Zwecke auch immer aussortiert werden. Diese Individualratings werden darüber entscheiden ob jemand ein Visum, eine Flugerlaubnis, eine bestimmte Arbeitsstelle etc. bekommt, oder als Terrorist eingestuft wird.

In der Kreditwirtschaft haben wir dieses System der Maßzahlen bereits in der Schufa u.ä. Organisationen verwirklicht. All jene die bei einem Versandhändler schon mal auf Rechnung bestellen wollten, aber nur per Vorkasse beliefert wurden, haben dieses System zu spüren bekommen, ohne daß man ihnen mitgeteilt hätte warum. Durch irgendwen hat der Kunde — entweder direkt er selbst oder indirekt durch seine Nachbarschaft — eine schlechte Bewertung erhalten. Weitet man dieses System auf alle Lebensbereiche aus, kommt man ganz zwanglos zu den von NSA und GCHQ gezeigten Aktivitäten. Genau dies muss aber unter allen Umständen verhindert werden, denn es hat nichts mehr mit dem Bild von freien Menschen in freien Gesellschaften gemein. Einer der Gründe, warum die deutsche Regierung mit Unverständnis auf die Kritik an den Spähprogrammen reagiert, dürfte der mangelnde technische Sachverstand sein. Den Regierenden fehlt einfach die Vorstellung — außer denen die erpresst werden —, welche Mißbrauchsmöglichkeiten in den Datensammlungen liegen.

Ein Kommentar

  1. […] weiß nicht welche StartUps Geheimdienste empfehlen würden, aber ich bin sicher, jeder Teilnehmer macht sie ein klein wenig glücklicher, schließlich lieben sie doch alle, alle […]

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