Milliardenmarkt Kinderpornografie — Wer bietet mehr?

Nachtrag beachten!

In einem Kommentar im Deutschlandfunk schreibt Ines Pohl (Twitter @InesPohl) von der taz („die tageszeitung“) über den Milliardenmarkt Kinderpornografie:

In jeder Sekunde sind weltweit 750.000 Pädophile online, sagen die Experten. Im vergangenen Jahr haben 250.000 Deutsche rund 20 Milliarden Euro für Bilder und Filme mit nackten Kindern ausgegeben. Der Markt ist riesig.

Wer sind diese sogenannten Experten? Leider gibt sie in ihrem Beitrag keine Quelle an, von der sie die Zahlen übernommen hat und wie diese ermittelt wurden. Das erinnert fatal an die Situation zu Zeiten von Familienministerin Ursula von der Leyen („Zensursula“), wo auch ohne Belege mit dem „Milliardenmarkt KiPo“ jongliert wurde

20 Milliarden sind ein erheblicher Betrag, der durchaus einer Erklärung bedarf um ihn einordnen zu können. Ein Vergleich mit den Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Bruttoinlandsprodukt macht die Dimensionen klar, von denen Fr. Pohl schreibt. Danach belief sich die Bruttowertschöpfung von Deutschland 2013 auf 2.451 Milliarden Euro. Somit entspräche der Kinderpornografiemarkt rd. 0,8% der Wertschöpfung Deutschlands und läge etwa gleichauf mit der Bruttowertschöpfung von Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (19 Milliarden Euro). Ähnliches ergibt sich beim Vergleich der Zahlen mit den privaten Konsumausgaben des Bruttoinlandsproduktes, 2013 immerhin 1.571 Milliarden Euro, mithin entspräche der KiPo-Markt 1,3% der privaten Konsumausgaben. Somit käme dem Kinderpornografiemarkt eine erhebliche Wirtschaftsleistung zu. Immerhin beklagen sich die US-Amerikaner lebhaft über Deutschlands Exportüberschuss von 200 Milliarden Euro. Da der überwiegende Teil der Ausgaben für Kinderpornografie in das Ausland fließen dürfte, läge der Exportüberschuss ohne Kipo noch deutlich darüber (+10%).

Noch dramatischer sieht es aus, wenn man von der gesamtwirtschaftlichen Situation auf den einzelnen Konsumenten kommt. Wenn 250.000 Konsumenten Ausgaben in Höhe von 20 Milliarden verursachen, dann entfielen im Schnitt 80.000 Euro auf jeden Kosumenten. Entweder die Konsumenten sind sehr reich und finanzieren diese Ausgaben aus ihrem Vermögen oder aber sie müssen ein Jahreseinkommen von weit über 200.000 Euro haben, um sich diese jährlichen Ausgaben allein für Kinderpornos leisten zu können.

Das sind jetzt ziemliche Zahlenspielereien, aber sie sind notwendig um die Glaubwürdigkeit der kolportierten 20 Milliarden einschätzen zu können. Ohne weitere Quellen erscheinen daher die genannten 20 Milliarden vollkommen unglaubwürdig.

Darüberhinaus müsste die eklatante Differenz zu Zahlen aus anderer Quelle erklärt werden. In einem Bericht zum Schutze der Menschenrechte von der UN aus dem Jahre 2009 [1] wird mehrmals von einem Markt mit geschätzen Milliardenumsätzen gesprochen:

However, despite these many and varied initiatives there is more and more child pornography on the Internet, becoming what is today a very profitable business, with a worldwide market value estimated at billions of dollars.

Zu dieser Einschätzung kommt die UN durch Rückmeldungen aus Befragungen von Regierungen und internationalen Organisationen (NGO’s).

2. This report focuses on child pornography on the Internet. It is based on information submitted to the Special Rapporteur through a questionnaire sent to Governments, international organizations, non-governmental organizations (NGOs) and the private sector in March 2009, as well as on other research undertaken by the Special Rapporteur.

Genaueres, wie diese Zahlen ermittelt wurden, geht aus dem Bericht nicht hervor, aber es muss bedacht werden das viele NGO’s einerseits ebenfalls nur mit geschätzten Zahlen arbeiten und andererseits ein vitales Interesse an möglichst hohen Zahlen haben. Aus diesen Befragungen wurde dann ermittelt, daß weltweit jährlich 3-20 Milliarden US-Dollar (zum Kurs von 2009: 2,1-14,1 Milliarden Euro) für Herstellung und Vertrieb von Kinderpornografie anzusetzen sind. Wohlgemerkt weltweit!

44. The production and distribution of criminal child pornography depicting abuse of children
has an estimated value of between $3 billion and $20 billion.

In einem Bericht des „Committee on the Rights of the Child (CRC)“ aus dem Jahre 2012 [2] tauchen ebenfalls Zahlen für Kinderpornografie auf, allerdings nur für die USA. Hier geht man von 13,3 Milliarden USD Gewinn für Pornografie aus, wobei (nochmals ?) 8-10 Milliarden USD Gewinn für 1996 aus Kinderpornografie geschätzt werden.

The United States generated roughly $13.3 billion in revenue from pornography, $2.84 billion of it being from the internet in 2006,⁸⁶ with some estimates of child pornography revenues being as high as $8 to $10 billion a year in 1996.⁸⁷

Wobei die dort angegebene Fußnote 87 auf eine Veröffentlichung von Kennedy et al. von 2004 verweist, aus der die Zahlen für Kinderpornos stammen.

Ryan P. Kennedy, Ashcroft v. Free Speech Coalition: Can We Roast the Pig Without Burning Down the House in Regulating “Virtual” Child Pornography?, 37 Akron L. Rev. 379, 415 (2004) (noting that “child pornography is estimated to be an $8 to $10 billion a year business as well as the third biggest money maker for organized crime”).

In wieweit diese Schätzungen nun wieder stimmen bleibt dahingestellt, aber sie liegen für die USA (rd. 320 Millionen Einwohner) deutlich unter denen, die nun für Deutschland (rd. 80 Millionen Einwohner) von Fr. Pohl genannt wurden. Soll das jetzt heißen, daß es in Deutschland mehr Pädophile gibt oder das sie deutlich mehr konsumieren oder über’s Ohr gehauen werden, weil sie mehr bezahlen als notwendig? Vielleicht heißt auch einfach nur, daß die Zahlen schlicht falsch sind.

Festzuhalten bleibt, daß es wohl keine genauen und schon gar keine aktuellen Zahlen gibt und die Zahlen die kursieren nur auf unbestimmten Schätzungen jeweils noch älterer Zahlen beruhen. Entweder die 20 Milliarden allein für Deutschland sind ein Lesefehler von Fr. Pohl oder eine wie auch immer durchgeführte Hochrechnung mit Fortschreibung alter Zahlen, die jeder realwirtschaftlichen Grundlage entbehrt. Jedenfalls hilft man den mißbrauchten Kindern nicht durch Hochtreiben der Zahlen, sondern schürt nur den (teilweise aus religiösen Gründen berechtigten) Verdacht — und mißbraucht sie im Grunde eine weiteres Mal — daß man eine versteckte Agenda hat.

Referenzen:

  1. Promotion and protection of all human rights, civil, political, economic, social and cultural rights, including the right to development. Report of the Special Rapporteur on the sale of children, child
    prostitution and child pornography, Najat M’jid Maalla. A/HRC/12/23, 13 July 2009
  2. The Committee on the Rights of the Child (CRC), 30.07.2012

Nachtrag 23.02.2014:
Auch von anderer Seite kommen nachvollziehbare Einspüche gegen die Pohlsche Zahl:

Nachtrag 24.02.2014:
Der Beitrag des DLF wurde inzwischen auf Wunsch von Fr. Pohl dahingehend geändert, daß der Satz mit den 250.000 Deutschen Pädophilen und den 20 Milliarden ersatz- und begründungslos entfallen ist (vgl. auch den Kommentar hier im Blog unten). Bestehen bleiben jetzt nur noch die 750.000 Pädophilen die weltweit in jeder Sekunde online sein sollen. Das kann sein oder auch nicht, Quelle und Experten bleiben weiterhin ungenannt, ebenso was mit der Angabe „online sein“ in diesem Zusammenhang genau gemeint sein soll.

4 Kommentare

  1. Wurgl sagt:

    Hallo!

    Bei der Umrechnung von Dollar in Euro ist wohl Multiplikation mit Division vertauscht worden. Der Kurs des Dollar schwankte in 2009 zwischen 1,25 und 1,42. Diese 3-20 Mrd Dollar sind daher 2.11/2.4–14.08/16 Mrd Euro.

  2. Ja, genau. Danke für den Hinweis, ich hab’s im Text korrigiert. Ich hatte den Kurs von 1,42 Ende Juli 2009 angesetzt.

  3. deltongo sagt:

    Ines Pohl hat mir geantwortet. Die Zahl 20 Milliarden Euro ist weltweit gemeint. Im DLF wurde das mittlerweile korrigiert:
    http://www.deutschlandfunk.de/kinderpornografie-im-zweifel-fuer-das-kind.858.de.html?dram:article_id=278324

  4. […] feministische Chefredaktuerin der taz versucht, durch Verbreitung falscher Zahlen mit der Rede vom Milliardenmarkt Kinderpornografie Stimmung zu machen, was allerdings später stillschweigend korrigiert werden […]

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