Ein Hund namens Erdoğan

Vor einigen Tagen gab es Aufregung um eine Karikatur (Greser & Lenz, „Türken in Deutschland – Eine Erfolgsgeschichte“) aus einem baden-württembergischen Schulbuch, in der als Beiwerk ein angeketteter Hund in einer mit „Erdogan“ beschrifteten Hundehütte liegt (FAZ, Spiegel). Offenbar fühlte sich jemand in der türkischen Regierung durch den Hund angesprochen und es kam zu öffentlicher und diplomatischer Erregung. Die Berichterstattung darüber in den deutschen Medien ist ein weiteres Beispiel dafür, daß es nur darum geht irgendetwas zu schreiben um Klickzahlen zu generieren. Wirklich informiert wird man aber nicht, das Kernproblem wird nicht angegangen. Es ist im Grunde nur eine Kleinigkeit, aber sie ist mit ein Beleg für die Ursachen der zunehmenden Zahl an Lesern, die für derartige Inhalte nicht mehr bereit sind Geld auszugeben.

Zunächst muß man bei der Angelegenheit berücksichtigen, daß Hunde im Islam als zutiefst unreine Wesen gelten und somit ein Vergleich mit einem Hund immer eine handfeste Beleidigung ist. Jemanden im islamischen Kulturkreis einen Hund zu schimpfen ist ein weitaus größerer Affront, als in Deutschland jemand als Schwein zu titulieren und ganz und gar nicht mit dem bayrischen, sich zwischen Beleidigung und Kompliment bewegenden „a Hund is‘ er scho!“ oder dem „Sauhund“ vergleichbar. Da der türkische Präsident Erdoğan ein ausgemachter Egomane und vor allen Dingen nicht nur Moslem, sondern Islamist ist, ergibt sich daraus zwanglos eine ausgeprägte Humorlosigkeit gepaart mit allgemeiner Kritikunfähigkeit, welche er auch bei den Kritikern im eigenen Lande an den Tag legt. Insofern ist die Karikatur wahrlich visionär, denn bei Erdoğan gilt durchaus das Wort „wehe wenn sie losgelassen“. Dass diese Karikatur für Erdoğan und andere türkisch-islamische Nationalisten ein gefundenes Fressen darstellt, war absehbar, selbst wenn die Aussage, daß die Integration der Türken in Deutschland nur mit einem gefesselten Erdoğan funktionieren kann, zustimmungswürdig ist.

Es ist mir unerfindlich, wie man sich darüber so echauffieren kann“, sagte er in Stuttgart. „Eine Karikatur ist eine Karikatur, und sie karikiert, deshalb heißt sie so.

Diese Aussage von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeugt von Unkenntnis der Sachlage, was bei deutschen Politikern aber eher normal ist. Auch der Katholik Kretschmann würde sich vermutlich ungehalten äußern, fände er sich in einem Schulbuch am Schreibtisch sitzend mit einem kleinen gekreuzigten Schwein im Hintergrund an der Wand karikiert.

In der Sache hätte ich von den berichtenden Medien aber etwas mehr erwartet:

  1. Wann ist das Schulbuch mit der Karikatur erschienen und kann überhaupt der türkische Präsident gemeint gewesen sein, schließlich ist Erdoğan ein gängiger Vorname? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müsste man ihn freilaufend, mit gerissener Kette karikieren.
  2. In welchem Zusammenhang steht die Karikatur in dem Schulbuch? Bspw. enthielten meine Schulbücher Karikaturen aus der Nazizeit über Juden. Diese dienten allerdings der Illustration zum Verständnis politischer Hetzkampagnen im Dritten Reich.

Nichts desto trotz ist bei dem Thema politische Karikaturen in Schulbüchern, insbesondere von ausländischen Politikern, eine gewisse Vorsicht geboten. Es kommt immer auf den Kontext an. Einerseits stehen Schulbücher im Zeichen der Aufklärung und von Toleranz, zumindest sollten sie es, andererseits ist Hetze unangebracht. Der Grat ist schmal. Es wird hier auch nicht von jedem gerne gesehen, wenn Fr. Merkel in der britischen Regenbogenpresse (yellow press) mit Hakenkreuz und Hitlerbärtchen dargestellt wird. Entsprechende Darstellungen in englischen Schulbüchern würden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit von hier auch moniert werden, egal ob die Aussage zutrifft oder nicht. Karikatur darf alles, das heißt aber nicht, daß jede Karikatur auch schulbuchtauglich ist. Dennoch scheint mir die Forderung der zwei CDU-Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf und Oliver Wittke nach einer „angemessenen Entschuldigung“ gegenüber Erdoğan als übertrieben. Ich vermute mal, die beiden kennen ebenfalls nicht den genauen Kontext in dem diese Karikatur auftaucht. Auch muss ausländischen Politikern nicht alles gefallen, was bei uns gemacht und gelehrt wird. Vielleicht wäre es ein Königsweg, wenn zu aktuellen Themen Karikaturen nicht im Schulbuch abgedruckt, sondern im Unterricht Karikaturen aus Zeitungen zum Thema besprochen werden würden.

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