Raucherkosten

Es geistert mal wieder eine neue Studie zu den Kosten, die natürlich wie immer bei solchen Angelegenheiten weitaus höher sind, als bei den Vorangegangenen, die Raucher der deutschen Volkswirtschaft beibringen durch die Presse (Ärztezeitung, Tagesspiegel). Dr. Tobias Effertz hat hierzu die Daten von 145.000 Versicherten der Techniker Krankenkasse (TK) für die Jahre 2008-2012 ausgewertet.

Auf die, meiner Meinung nach vorliegenden, methodischen Schwächen will ich hier nicht weiter eingehen, weil die kompletten Daten anscheinend noch nicht öffentlich verfügbar sind. In dem vom DKFZ herausgegebenen PDF verweist der Autor als Quelle auf sein Buch, welches sich in Druck befinden soll, aber eben noch nicht verfügbar ist. Es fängt bei der Definition des Rauchers alleinig nach ICD-10 F17, Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak als Grundlage für seine Datenauswertung und Hochrechnung auf die Gesellschaft an, die unangebracht zu sein scheint, bis hin zur Errechnung von intangiblen Kosten (= immaterielle Kosten wie Einschränkungen der Lebensqualität), die zuerst als fiktiv klassifiziert werden, um dann in den Handlungsempfehlungen an die Politik wieder aufzutauchen. Momentan liest sich die Mitteilung eher wie eine Werbung für sein neues Buch, dessen Inhalt mit Steuergeldern finanziert wurde.

Unabhängig davon, ob die in der Studie berechneten Werte stimmen oder nicht läßt mich etwas Anderes aufhören, der rein auf die Durchökonomisierung des Menschen ausgerichtete Duktus.

Die durch das Rauchen verursachten Erkrankungs- und Todesfälle sind eine erheb­liche finanzielle Belastung für das Gesundheitswesen und die Volkswirtschaft.

Indirekte Kosten entstehen dadurch, dass Raucher aufgrund von Krankheit und vorzeitigem Tod nicht mehr arbeiten können. Indirekte Kosten sind somit Produktivitätsausfälle einer Volkswirtschaft. Nach dem humankapitalansatz verursacht der krankheitsbedingte Verlust eines lebensjahres Kosten in Höhe des ansonsten von den Betroffenen erzielbaren
Brutto­inkommens inklusive Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung („Arbeitsentgeld“).

Nicht nur der frühzeitige Tod, sondern auch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Pflege und Rehabilitation sowie die unfreiwilliger
Arbeits­osigkeit verursachen Produktionsausfälle.

Nicht berücksichtigt wird der durch Tabakkonsum verursachte Verlust an Lebensjahren, in denen keine volkswirtschaftlich produktiven
Leistungen erbracht werden.

Das ist ein Trend, der in den letzten Jahren an vielen Stellen beobachtbar geworden ist. Einerseits wird zwar gerne von einer Gesellschaft mit individuellen Freiheiten schwadroniert, aber gleichzeitig wird individuelles Verhalten nur unter dem monetären Nutzen für die Gesellschaft betrachtet. Es geht nicht darum eine Gesellschaft zufriedener Menschen zu schaffen, sondern die Erhaltung der Gesundheit ist zum reinen Mittel der Erhaltung der Arbeitskraft verkommen. Ist der Tabakkonsum erst geächtet, stehen schon die nächsten Kandidaten wie Alkohol oder Zucker („Zucker hat die gleiche Wirkung wie Heroin“) und risikobehaftete Sportarten auf der Warteliste. Allmählich wird so eine asketische, zutiefst lustfeindliche Gesellschaft geschaffen, die auf Uniformität und nicht auf Vielfalt der Lebensentwürfe setzt. Das eigentliche Problem daran ist nicht die Uniformität an und für sich, sondern die permanente Gängelei und die damit verbundenen Strafmaßnahmen bei abweichendem Verhalten. Bisher sind alle Gesellschaften, vollkommen unabhängig von der politischen Ausrichtung, gescheitert, die den „neuen Menschen“ heranzüchten wollten.

Nur um richtig verstanden zu werden, selbstverständlich ist Rauchen schädlich, so wie viele andere Drogen und vielerlei anderes Verhalten auch, aber dennoch sollte es eine individuelle Entscheidung bleiben, sofern es andere nicht über die Gebühr belästigt. Für eine Gesellschaft mit ausgeglichenen Menschen sollte jedem sein Laster zugestanden werden.

Literatur

  • Die volkswirtschaftlichen Kosten gefährlicher Konsumgüter – Eine theoretische und empirische Analyse für Deutschland am Beispiel Alkohol, Tabak und Adipositas. Effertz Tobias. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 2015, im Druck.

2 Kommentare

  1. Achim sagt:

    Es wurden nicht etwa die Daten der Stichprobe von 145.000 Versicherten analysiert sondern :
    -“ Nach der hier vorgestellten Berechnung werden
    die Krankheitskosten EINZELNER Erkrankter aus der TK-Stichprobe
    erfasst und der Jahresdurchschnittswert wird auf die
    Gesamtbevölkerung hochgerechnet “ –

  2. In dem Kontext des PDF ist die Aussage schon vernünftig. Der eine Ansatz teilt die Kosten auf die Krankheiten auf, Effertz Ansatz rechnet von Erkrankten hoch. Prinzipiell machbar. Die Frage ist halt was genau berechnet wurde, denn theoretisch müssten beide Ansätze zu annähernd gleichen ergebnissen kommen. Es ist z.B. auch nicht gesagt, wie Nichtraucher definiert ist.

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