Mit Burka vor Gericht

Das Landgericht München hat sich damit auseinanderzusetzen, daß eine strenggläubige moslemische Zeugin in einem Beleidigungsverfahren ihren Gesichtsschleier auch nach Aufforderung durch den Richter nicht ablegen wollte (NWZ, Süddeutsche). Die Richter der zweiten Instanz hatten im Vorfeld die Expertise eines Islam-Rechtsgelehrten eingeholt, die besagt, daß eine Moslemin vor Gericht und anderen Behörden den Gesichtsschleider ablegen dürfe. Die Zeugin will sich nun der Fatwa beugen, ließ sie durch ihren Rechtsanwalt verkünden. Das Gericht hat bekommen, was es wollte, aber dennoch scheint es sich für mich dabei um einen Pyrrhussieg zu handeln.

Der Sachverhalt ist nicht einfach nur ein weiteres Kapitel zum Thema angemessene Kleidung vor Gericht, sondern berührt etwas viel Grundlegenderes. Für solcherart Strenggläubige gibt es nur eine einzige beachtenswerte Instanz, die der Religion. Alles hat sich den Geboten der heiligen Schriften und wo diese nicht für jedermann eindeutig sind, den Religionsgelehrten, unterzuordnen. Die allgemeine Gesetzgebung, die Verfassung (Grundgesetz) und die staatliche Justiz sind somit nicht die maßgeblichen Autoritäten im Zusammenleben, gelten immer als nachrangig und werden nur dann anerkannt, wenn sie den religiösen Geboten nicht widersprechen bzw. von den religiösen Rechtsgelehrten bestätigt werden. Erkennt aber ein Gericht an, daß sich die weltliche Macht der (jeweiligen) „Göttlichen“ zu beugen hat, ist dies ein Schritt in Richtung Theokratie und steht im Widerspruch zu einer säkularen Republik mit ihrer unabhängigen Rechtssprechung und ist im Grunde auch eine Abkehr von der Neutralitätspflicht des Staates.

Daher erscheint es nur auf den ersten Blick als schlauer Schachzug, Gläubige mit den Waffen ihrer eigenen Religion schlagen zu wollen. Das Gericht hat zwar nun augenscheinlich bekommen was wollte — die Zeugin hebt im nächsten Verfahren den Schleier vor Gericht —, aber nicht das Gericht an und für sich hat sich Kraft seiner Autorität durchsetzen können, sondern eine religiöse Instanz hat der Gläubigen den geistigen Freiraum geschaffen den Schleier vor Gericht zu lüften. Bei den Gläubigen kommt an, daß sich auch die deutsche Justiz freiwillig der Religion unterordnet, sie also als höherstehend anerkennt. Zukünftige Verfahren dürften hierdurch nicht gerade vereinfacht werden.

2 Kommentare

  1. uwe hauptschueler sagt:

    Es ist schon Sonderrecht, Burkaträgerinnen unkontrolliert den Zugang in ein Gericht zu gestatten. Wie wird das bei Verkehrskontrollen geregelt? Werden demnächst moslemische Polizistinnen, ungläubige sind sicherlich nicht zumutbar, die Identität von autofahrenden Burkaträgerinnen bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle überprüfen? Oder was für eine Groteske wird man da aufführen?

  2. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) macht dsbzgl. klare Aussagen. Nach §23 (1) StVO dürfen u.a. Sicht und Gehör nicht beeinträchtigt sein, andernfalls liegt eine Ordnungswidrigkeit nach §49 (1) Nr. 22 vor.

    Weiterhin ist der Verkehrteilnehmer verpflichtet seine Identität und Fahrtüchtigkeit feststellen zu lassen, da er den Weisungen der Polizeibeamten Folge zu leisten hat (§36 (5) StVO), andernfalls begeht er eine Ordnungswidrigkeit (§49 (3) StVO), was bei fortgesetzter Weigerung nach den jeweiligen Landespolizeigesetzen bis hin zur Festsetzung führen kann, da die Verkehrssicherheit aller Priorität genießt.

    Aber das kann ja bei strenggläubigen Frauen alles gar nicht passieren, denn die dürfen nicht autofahren.

    Im Gegensatz dazu liegt es im Ermessensspielraum des Richters, ab wann er persönlich die Würde des Gerichts verletzt sieht. Hier hat der Richter aus eigenem Ermessen zum Trick der Fatwa gegriffen. Er hätte dies nicht tun müssen, sondern auch sofort andere Zwangsmittel (bspw. Bußgeld, Beugehaft) einsetzen können. Er hat die sanfte Art gewählt, was rein prinzipiell nicht schlecht sein muss, aber in diesem Falle mMn religiöser Einflussnahme auf die Justiz Vorschub leistet. Bei Gläubigen wird das Verhalten des Gerichts als Schwäche der Justiz ausgelegt und sie in ihrem Glauben weltliche Regeln seien nicht die höchste Instanz bestärkt. Für mich fällt das in die Kategorie „wehret den Anfängen“.

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