SPD plant Änderugen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz

In der Taz hat Johannes Fechner (SPD), in der SPD-Fraktion zuständig für Rechtspolitik und Verbraucherschutz, Änderungen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) angekündigt, die dem Bürger Rechts­ansprüche gegen soziale Netzwerke für unrechtmäßig gelöschte Kommentare ermöglichen sollen. Erst drängt man die sozialen Netzwerke zu massiven Löschorgien, privatisiert nebenbei quasi die Rechtsprechung und nun sollen neue Regeln eingeführt werden, welche den sozialen Netzwerken eine durch den Bürger einklagbare Pflicht zur Veröffentlichung auferlegen. Schon das derzeitige NetzDG beruht auf nicht klar abgegrenzten Begriffen wie Hassrede („hate speech“) oder soziales Netzwerk. Dementsprechend steht zu erwarten, daß man sich bei dem um eine Veröffentlichungspflicht erweiterten NetzDG gänzlich hoffnungslos verheddern wird, zumal die befürchteten Falschmeldungen („fake news“) zur Wahlbeeinflussung durch das Gesetz überhaupt nicht erfasst werden. In mir keimt ohnehin der Verdacht, daß die Unklarheiten gewollt sind und nicht allein der Unfähigkeit der beteiligten Juristen anzukreiden sind. Am schwerwiegensten ist aber, daß diese Regulierungen an einem konstituierenden Merkmal einer liberal-freiheitlichen Gesellschaftsordnung vorgenommen werden, der Meinungsfreiheit. Es ist bemerkenswert, welche Angst in der Politik allein vor den scharfen Schwertern der Worte herrscht. Sonstige Gewaltkriminalität wird gerne verharmlost, aber bei bösen Kommentaren hört der Spaß offenbar auf. Ein Umstand der sich dadurch erklären lässt, daß sich Politiker in einem physisch gesicherten Umfeld bewegen, aber dafür Meinugsäußerungen vollkommen ungeschützt gegenüberstehen.

taz: Herr Fechner, Sie wollen Betroffenen helfen, wenn legale nichtMeinungsäußerungen von Facebook gelöscht werden. Was ist konkret geplant?

Johannes Fechner: Betroffene Bürger sollen einen Rechtsanspruch gegen soziale Netzwerke erhalten. Sie können dann verlangen, dass ein zu Unrecht gelöschter Post wiederhergestellt wird.

Würde das auch für Hetze gelten, die gerade noch legal ist?

Ja, der Maßstab soll das staatliche Recht sein, nicht ein Unternehmensstandard.

Und wer entscheidet, ob eine Meinungsäußerung noch legal ist?

Wenn ein Nutzer meint, sein Kommentar sei zu Unrecht gelöscht worden, müsste er das soziale Netzwerk darauf hinweisen. Und wenn das Netzwerk keine Abhilfe schafft, könnte der Nutzer zu einem staatlichen Gericht gehen und klagen.

Jetzt, rechtzeitig kurz nach Verabschiedung des Gesetzes möchte man sich dafür einsetzen. Dieser Kritikpunkt wurde bereits kurz nach Bekanntwerden des Entwurfs zum NetzDG von mehreren Seiten geäußert und von Heiko Maas systematisch ignoriert.

Am Freitag wurde im Bundestag das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) beschlossen, warum hat die Koalition die geplante Regelung nicht gleich eingebaut?

Das hätten wir gerne gemacht. Aber wenn wir in das Gesetz eine neue Pflicht für Unternehmen eingefügt hätten, dann hätten wir das Gesetz bei der EU neu notifizieren müssen. Wir hätten dann erneut drei Monate warten müssen, ob es Bedenken der EU-Kommission oder anderer EU-Staaten gibt. Das Gesetz hätte also nicht mehr in dieser Wahlperiode verabschiedet werden können.

Die Begründung halte ich persönlich für gelogen, denn wie gesagt, diese Kritik am Gesetzentwurf gab es bereits von Anfang an. Die Gelegenheit war da, wurde aber nicht genutzt. Wie Hr. Fechner hier ausdrücklich bestätigt, war das pimäre Ziel nicht ein gutes Gesetz, sondern die Verabschiedung eines Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode, rechtzeitig vor den Bundestagswahlen, „Hauptsache löschen“ war also die Losung. Wahrscheinlich ist man sich im Ministerium voll bewusst, daß dieses Gesetz langfristig keinen Bestand haben wird, aber man wollte einfach nur schnell eine Kommentarlöschfunktion etabliert haben, „quick and dirty“ würde man das beim Programmieren nennen.

Können sich Nutzer heute noch nicht dagegen wehren?

Nach meiner Rechtsauffassung muss Facebook heute schon legale Kommentare stehen lassen. Das ist eine ungeschriebene Pflicht aus dem Vertragsverhältnis mit dem Kunden. Wenn soziale Netzwerke in den AGB auf strengere „Communitystandards“ verweisen, ist das eine unzulässige Klausel. Bisher gibt es aber noch keine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Es bringt daher mehr Rechtssicherheit, wenn wir den Restore-Anspruch für unzulässig gelöschte Kommentare ausdrücklich ins Gesetz ­schreiben.

Erst sind ihnen die „Communitystandards” zu lasch, jetzt auf einmal sind sie rechtlich nicht zulässig. Offenbar weiß in der SPD die linke Hand nicht, was die Rechte will und im Übrigen hat dort immer noch jemand eine Überraschung in der Hinterhand.

Für meinen Geschmack werden die Forderungen an die sozialen Netze immer abstruser. Neulich der Fall der Rechtsanwältin Seibt (die allerdings zugegebenermaßen nicht zum SPD-Umfeld gehört), die gerne Abmahnungen für gelöschte Kommentare an Facebook schicken möchte. Übrigens ein Umstand, der bei den Pressehäusern wie DER SPIEGEL bis Die Zeit im Hinblick auf deren Löschquoten von rechtmäßigen, aber nicht der gewünschten Linie entsprechenden, Kommentare mindestens auf Beachtung stoßen dürfte. Nun der Verweis auf irgendwelche ungeschriebenen Pflichten, an die es sich halten gälte, noch dazu ohne Rechtsprechung. Was wird man sich demnächst noch einfallen lassen?

Mich erinnert die Vorgehensweise in der SPD immer mehr an tiefsten Sozialismus, die Politisierung des Rechts. Dinge werden nicht einfach verboten, nein schließlich will man freiheitlich bleiben, sondern zu Tode reguliert. Das hält die Weste sauber und man kann mit der individuellen Freiheit von Bürgern und Wirtschaft hausieren gehen. Bleibt zu hoffen, daß die SPD nach der Wahl keine Möglichkeit mehr hat, noch gesetzgeberisch tätig zu werden. 4,9 % sind dafür vollkommen ausreichend.

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