Verbot extremistischer Webseiten

Ich bin wahrlich kein Bewunderer des gerade vom Innenministerium unter Thomas de Maiziére verbotenen linksextremistischen Nachrichtenportals „linksunten.indymedia.org“. Dort treiben sich haufenweise kriminelle Elemente und Spinner herum, die auf ihre Gewaltexzesse auch noch mächtig stolz sind. Mindestens das haben sie mit den Propagandaseiten des islamischen Staats (IS) gemein. Dennoch halte ich das Verbot nicht nur für falsch, wenn auch im Hinblick auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) für konsequent, sondern auch für kontraproduktiv. Nichts desto trotz kann ich eine gewisse Schadenfreude nicht verhehlen, weil es nun genau diejenigen traf die permanent Andersmeinenden den Mund verbieten wollen, halte ich persönlich dementsprechend von derartigen Verboten überhaupt nichts. Noch dazu erfolgte das Verbot von „linksunten.indymedia.org“ offenbar mit Hilfe eines fragwürdigen juristischen Tricks – die Betreiber wurden par ordre du mufti zum Verein erklärt, um gegen sie mit Hilfe des Vereinsrechts vorgehen zu können.

  • Ein Verbot von Meinungsäußerungen hat noch nie weder die Meinungen beseitigt, noch hat es die Personen veranlasst sich zu ändern, aber dafür werden Letztere durch Verbote erst recht in den Untergrund gezwungen. Unter diesem Apsekt ist ein solches Portal fast das elektronische Äquivalent zum offenen Visier und jeder kann sich selber darüber informieren, ob er mit deratigem Gesindel konform geht. Insofern halte ich bspw. ebensowenig von Gesetzen zum Verbot der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ (§86a StGB) oder zur Holokaustleugnung (§130 StGB). Ein Gemeinwesen welches seinen Bürgern gesetzlich vorschreibt, welche Meinung sie zu einem Thema haben dürfen und welche nicht — manch einer kennt genau das noch aus der DDR — steht von vornherein unter dem Verdacht der Geschichtsklitterung und Indoktrinierung. So laufen zwar deutsche Behörden bei Anblick eines Hakenkreuzes oder SS-Runen Amok, aber DDR- und Stasisymbolik stellen hingegen keinerlei Problem dar und Religionen verbreiten im Kern sowieso nur Lügen.
  • Das Verbergen von Meinungen behindert massiv die Auseinandersetzung mit diesen und führt zu noch mehr Gerüchten als ohnehin schon kursieren oder zur Glorifizierung von Kriminellen. Exemplarisch denke man hier auch an die veschiedenen, mit ästhetischem Design versehenen und informativen Periodika des IS wie Rumiyah, Dabiq oder Kybenetiq (für Kryptointeressierte lesenswert, leider bisher nur zwei Ausgaben), um hier nur die zu nennen, die auch nicht nur in Arabisch verfasst werden.
  • Vom technischen Standpunkt her ist kaum zu erwarten, daß diese Seiten verschwinden werden, sie werden woanders wieder auftauchen. Rechtsextremistische Seiten (Stichwort Zündel und Lauck) sind damals einfach nach Kanada abgewandert und waren von dort für jedermann abrufbar, was vor Anfang der 2000er zu Internetsperrverfügungen mit der Androhung von Millionenstrafen (Stichwort Bezirksregierung Düsseldorf, Regierungspräsdent Jürgen Büssow, SPD) geführt hat.
    Übrigens wurden die Seiten der Unterdomäne „linksunten.indymedia.org“ bisher nicht in Deutschland, sondern unter franzözischer IP-Adresse (OVH ISP, Paris) gehostet, wohingegen die Hauptdomäne „indymedia.org“ der Associação Brasileira pela Democratização da Comunicação (São Paulo) gehört.
  • Da ein Verbot der Verbreitung derartiger Meinungsäußerungen nicht zu deren Verschwinden führt, forciert ein Verbot das Entstehen einer elitären Beamtengruppe, die zu diesen Publikationen Zugang hat, da die staatlichen Organe selbstverständlich weiterhin Zugriff haben wollen. Für den Bürger ist es dann noch weniger transparent, ob Maßnahmen gerechtfertigt sind.
  • Ist in einem Staatswesen erst einmal die Praxis von Zensur etabliert und prinzipiell akzeptiert, finden sich keine Grenzen mehr. Im Laufe der Zeit wird die Politik die Schlaufe der Meinungsfreiheit im Namen der guten Sache immer enger zuziehen, da sich mißliebeige Meinugen immer finden lassen, bis nur noch ein enger Korridor des Erlaubten übrig bleibt. Hingegen werden repressive Gesetze auch nach einem Regierungswechsel so gut wie nie abgeschafft, das bleibt allenfalls Revolutionen vorbehalten. Dies kann niemals im Interesse freier Bürger sein. In diesem Aspekt ähnelt die Zensur der Überwachung. Etliche Überwachungsmaßnahmen, die noch vor einigen Jahren in (West-)Deutschland undenkbar waren, sind inzwischen allgemeine Praxis geworden und noch immer werden Weitergehende gefordert und kontinuierlich ausgebaut.

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