Dienstliche e-Mailadressen für Berliner Lehrer mit XMPP/Jabber-Dreingabe

Neulich ist Berlin zur Speerspitze der Digitalisierung geworden: Seine Lehrer bekommen dienstliche e-Mailadressen! Die Neid der Weltlehrerschaft ist ihnen wohl gewiss, oder nicht? Ein wesentlicher positiver Punkt wird dabei aber leider nicht erwähnt.

Damit müssen sie dienstliche Belange nicht mehr über private Mailadressen abwickeln. Diese Dienstleistung läuft über Mailbox.org, der sich stark für Verschlüsselung einsetzt (dazu unten mehr).

Rund 33.000 Berliner Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen bekommen eine offizielle und datensichere E-Mailadresse für dienstliche Zwecke. Ein Pilotprojekt an einigen Schulen sei dazu bereits gestartet, teilte die Bildungsverwaltung am Dienstag mit.

Im Verlauf des Jahres sollen demnach alle Lehrkräfte mit Hilfe des Berliner Unternehmens mailbox.org mit einem solchen elektronischen Postfach ausgestattet werden. Es umfasst auch Anwendungen wie Kalender, Adressbuch, Aufgabenverwaltung, Schreibprogramme, Datei-Speicher und Videokonferenzen.

Neben den e-Mailadressen für die Lehrer gibt es aber einen Riesenpluspunkt bei der Angelegenheit: Die Möglichkeit der Abkehr vom viel genutzten, aber höchst datenschutzbedenklichen WhatsApp hin zum dezentralen, datenschutzfreundlichen und DSGVO-konformen XMPP (vormals Jabber) für instant messaging also Chat. Mit diesem Schritt sind dann alle Lehrer mit einer e-Mailadresse bei mailbox.org sofort auch
technisch an das XMPP-Netzwerk für Chats angeschlossen
. Sie müssen nur auf ihren Mobilgeräten und/oder PCs eine entsprechende XMPP-App wie bspw. „Conversations“ auf Android installieren.

Wir bieten allen mailbox.org-Nutzern an, unseren sicheren Jabber-Server zu benutzen, der neben einer TLS -Verschlüsselung auf dem aktuellen Stand der Technik auch moderne Sicherheitsfunktionen wie DANE / TLSA unterstützt. Sie können die Sicherheit unseres Servers gerne beim IM-Repository TLS-Test überprüfen lassen.

Ob man in der Berliner Verwaltung überhaupt verstanden hat, welche Konsequenzen der für alle mitgelieferte XMPP-Zugang hat? Ich hege da so meine Zweifel.

Es gibt nun weder für Lehrer noch für Eltern und Schüler mehr einen Grund das bedenkliche WhatsApp zur Organisation und Kommunikation mit Schülern bzw. zur Organisation von Klassen weiter zu nutzen. Auch die Lehrer untereinander können fern von e-Mail sicher per Chat kommunizieren. Da es sich bei XMPP um ein analog zur e-Mailinfrastruktur offenes Netz handelt können sie nun auch mit Nutzern auf jedem x-beliebigen XMPP-Server auf der Welt kommunizierten. Den Punkt bewerte ich, als Verfechter von offenen und zentralen Netzwerken, als überaus positiv. Abgesehen vom Sicherheitsgewinn, könnte dadurch auch XMPP etwas aus seinem Schattendasein hervortreten, was letztlich auch seiner Weiterentwicklung zu Gute käme.

Wie bei allem gibt es auch hier zwei Seiten der Medaille. Mailbox.org ist ein Projekt des 1989 gegründeten Providers JPBerlin (Junge Presse Berlin) aus dem stramm linken Milieu, der sich selbst ausdrücklich als „politischer Provider“ bezeichnet:

Was ist ein „Politischer Provider?“

[…]
Die Aufgabe der JPBerlin ist es, politisch interessierten und engagierten Menschen eine technische Infrastruktur zur sicheren Kommunikation und Vernetzung zur Verfügung zu stellen. Unsere Kunden sollen sich ganz auf ihre Inhalte konzentrieren können (egal welche das sind), anstatt sich mit der Technik rumzuärgern und wertvolle Zeit und Kraft zu verschwenden.

Traditionell finden sich bei uns viele engagierte Menschen aus dem eher linken, ökologischen und sozialen Bereich. Und so ist es auch kein Wunder, dass wir fast alle namhaften Organisationen, Stiftungen, Bürgerinitiativen und andere Gruppen aus den entsprechenden Kreisen beherbergen.
[…]

Betreibt die JPBerlin selbst „Politik“?

[…]
Ansonsten ist die JPBerlin selbst als Privat- und Geschäftsprovider politisch neutral und keinesfalls einer bestimmten politischen Meinung, Strömung oder gar Partei verbunden. Wir machen uns auch keinesfalls die Meinungen unserer Kunden zu eigen. Dazu ist das bei uns vertretene Spektrum auch viel zu widersprüchlich und zu breit gefächert.
[…]

Rechtes Gedankengut

Die Grundfesten der Gedanken-, Meinungs- und Pressefreiheit, sowie Völkerverständigung und Menschenwürde schließen aus, dass rechtsnationales Gedankengut bei uns eine Heimat haben könnte.
[…]

Und staatliche Überwachung?

Die JPBerlin unterliegt dem Deutschen Grundgesetz und den deutschen Rechtsnormen. Soweit gerichtliche Verfügungen und Anordnungen vorliegen, müssen wir dem Folge leisten, wollen wir nicht selbst in Beugehaft genommen werden. Unsere Mission schließt jedoch vorauseilenden Gehorsam oder eine auch nur leichtfertige Herausgabe ohne tatsächlichen rechtlichen Zwang aus, sämtliche Anfragen entsprechender Stellen werden von unseren Anwälten genauestens geprüft.
[…]

Das liest sich wie eine Anleitung zur Quadratur des Kreises. Entweder man ist neutral oder man ist es nicht und hier ist man es eben nicht.

Da aber mit OpenPGP für e-Mail und OMEMO für XMPP zwei bewährt sichere und von JPBerlin und Mailbox.org völlig unabhängige Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen zum Einsatz kommen (können) und somit die Vertraulichkeit der Nachrichteninhalte auch bei Austausch über unsichere Kanäle gewährleistet ist, kann man in anbetracht des Vorteils vorerst über den etwas zweifelhaften Provider hinwegsehen, denn sind die Nutzer erst einmal mit Nutzung und Struktur von XMPP vertraut, können sie umgehend auf jeden anderen XMPP-Server umsteigen, da bei XMPP systembedingt eben keine unentrinnbare Abhängigkeit entsteht. So richtig stichhaltig war das Argument ohnehin nicht, da die Möglichkeit bereits seit Jahren für jeden besteht, es war Ignoranz und Trägheit.

Ganz am Rande noch eine Anmerkung:

Die Diskussion, die inzwischen auch wieder in der EU geführt wird, daß der Staat über Hintertüren Zugriff auch auf private verschlüsselte Informationen (Chat, e-Mail, Telefonate, Dateien, einfach alles) haben soll begann in der Politik vor rund 25 Jahren und wurde von einem jungen US-Senator begonnen: Joe Biden! Was aus dem wohl inzwischen geworden sein mag?

Ein Kommentar

  1. […] nach als rein zufälliger „Kollateralnutzen“ — auch dsbzgl. etwas in Gang kommen, seit die Lehrer dort dienstlich e-Mailadressen bei einem Provider erhalten bei dem eine Adresse im dezentralen XMPP-Netzwerk für Einzel- und […]

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