Tag Archiv für Grundrechte

Etwas fehlt noch …

Allmählich vervollständigt sich das Bild über das Ausmaß der geheimdienstlichen Vorratsdatenspeicherungen. Der e-Mailverkehr wird direkt an den Überseekabeln abgegriffen, die infiltrierten Händinetze liefern neben den Gesprächsinhalten auch gleich biometrische Akkustikproben und die Pässe enthalten biometrische Fotos und digitale Fingerabdrücke. Damit keiner von uns verloren geht, schaut die NSA auch gleich routinemäßig mal nach, wer, wann und mit wem auf Fotos auftaucht („Tundra Freeze“) und das bundeseigene Dienstleistungsunternehmen BKA übermittelt unsere Fingerabrücke in die USA.

Dennoch klafft trotz des umfangreichen Schutzes vor Terroristen immer noch ein riesiges Loch in diesem Schutzschild, denn aus unerfindlichen Gründen hat es der Gesetzgeber unverzeihlicherweise bisher überall versäumt, Regelungen einzuführen, die den Bürger zu einer freiwilligen Überlassung einer DNS-Probe verpflichten. Bei neuen biologischen Funktionseinheiten könnte dies mit der Ausstellung der Geburtsurkunde verknüpft werden, in dem eine Vorführung beim zuständigen Standesamt zwecks Abgabe einer Blutprobe an einen Amtsarzt zur Auflage gemacht wird, andernfalls wird die Geburt amtlich nicht anerkannt.

Bis es aber soweit ist und solange der Gesetzgeber seine Fürsorgepflicht sowohl gegenüber dem individuellen Staatsbürger, als auch gegenüber dem Gemeinwohl sträflich vernachlässigt, muß der freie Markt hier korrigierend eingreifen, in dem er den Bürger im Rahmen einer Aufklärungskampagne zur Stärkung des Bewußtseins für eine gesunde Lebensführung ausreichend informiert, damit dieser nicht nur ein extensives „Self Tracking“ (Self-Tracking für Manager, Quantified Self) durchführt, sondern auch seine DNS bei Dienstleistern freiwillig, natürlich nur unter strengster Einhaltung des Datenschutzes, einreicht. Selbstverständlich ist es dem mündigen Bürger freigestellt ob er die Dienstleistung lokaler Anbieter wie DNA Plus, DNA Direkt oder IhreGene in Anspruch nehmen oder sich als Weltbürger lieber auf internationalem Parkett bewegen möchte. Wem die einheimischen Offerten zu karg erscheinen, wird bei den Eidgenossen fündig. Das Geld ist sowieso schon dort, zum Sterben fährt man erster später hin, also kann man zwischendrin auch ruhigen Gewissens seine DNS in die Schweiz zu iGENEA schicken. Dafür erhält man dann eine Herkunftsanalyse und darf anschließend seine Daten mit der „grössten DNA-Genealogie-Datenbank der Welt“ verknpüfen. Aber auch wer internationalen Unternehmen, also US-amerikanischen, den Vorzug geben möchte wird nicht enttäuscht. Hier buhlen 23andMe, deCODEme (ist zwar 2009 in Insolvenz gegangen, aber es findet sich bestimmt ein Philanthrop, der den Datenbestand rettet) oder Navigenics um des freien Bürgers DNS. Allen gemein ist jedoch ein kleiner Wermutstropfen, denn sie verlangen Geld für ihre Analyse. Noch!

Ich weiß nicht welche StartUps die Geheimdienste empfehlen würden, aber ich bin sicher, jeder Teilnehmer macht sie ein klein wenig glücklicher, schließlich lieben sie doch alle, alle Menschen.

UAA, es reicht!

SPD-Innenpolitiker wollen an Vorratsdatenspeicherung festhalten

Wie bereits von mir am Tag des EuGH-Urteils, in dem die Richtlinie 2006/24/EG zur Vorradatenspeicherung rückwirkend für nichtig erklärt wird, vermutet, verschwindet damit die Vorratsdatenspeicherung (VDS) nicht vom Tisch. Die Unionspolitiker hatten noch am Tag des Urteils verlauten lassen, daß man eine VDS dringend bräuchte. Heute ziehen nun die die Innenpolitiker der SPD nach. In einer „Berliner Erklärung“ bekräftigen sie die Notwendigkeit der VDS.

Der EuGH und das Bundesverfassungsgericht haben aufgezeigt, dass die Sicherheitsinteressen des Einzelnen und datenschutzrechtliche Vorgaben in Einklang zu bringen sind. Wichtig ist aber jetzt erst einmal, das Urteil auszuwerten und genau zu analysieren. Danach muss die Koalition in Berlin entscheiden, wie eine rechtstaatliche Lösung aussehen kann. Die Innenminister und -senatoren der A-Länder bekräftigen, dass eine angemessene Mindestspeicherung zur Verfolgung schwerster Kriminalität notwendig ist. Verbindungsdaten müssen unter größtmöglicher Beachtung der Grundrechte und des Datenschutzes zur Verfolgung von Kinderpornographie, schwerster Fälle von Cybercrime und organisierter Kriminalität für eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung stehen.

Seit Jahren derselbe Tenor, obwohl bisher keinerlei Belege dafür erbracht werden konnten, daß die VDS die Aufklärungsquote deutlich steigert, bzw. daß ohne die VDS die Aufklärungsquote sinkt.

Da der EuGH die VDS nicht prinzipiell abgeleht hat, sondern diesen schwerwiegenden Grundrechtseingriff an — zugebenermaßen schwierig zu erfüllende — Bedingungen geknüpft hat, bleibt nun die Möglichkeit nach einer geeigneten Lösung zu suchen. Wie genau eine rechtskonforme VDS aussehen könnte, hat das Gericht offen gelassen. Allerdings ist es auch nicht die Aufgabe eines Gerichtes neue Gesetzesvorschläge zu unterbreiten, sondern es hat nur über Bestehendes zu urteilen. Solange Deutschland von einem Klüngel aus Sicherheitsbeamten regiert wird, wird daher die VDS, neben anderen grundrechtsverletztenden Maßnahmen, immer wieder auf der Tagesordnung erscheinen.

Nicht vergessen werden sollte, daß auch die (ausländischen) Geheimdienste ein gesteigertes Interesse an der VDS haben dürften. Selbst wenn ihnen der direkte Zugriff auf die Vorratsdaten durch rechtliche und technische Maßnahmen nicht möglich sein sollte, gibt es für sie eine andere Möglichkeit. In Verbindung mit dem im Urheberrecht verankerten Anspruch auf Auskunft (§ 101 UrhG, Abs. 1 & 2) haben diese eine ausgesprochen diskrete und legale Möglichkeit zur Abfrage erhalten. Eine Rechtsanwaltskanzlei behauptet einen Urheberrechtsverstoß und verlangt daraufhin Auskunft über den Anschlussinhaber. Was danach bei der Kanzlei mit den Daten geschieht ist dann nicht mehr nachvollziehbar. Es bleibt schließlich im Ermessen der Kanzlei, ob sie rechtlich gegen den Anschlussinhaber vorgehen will oder nicht. Allerdings funktioniert dies genaugenommen nur mit VDS, denn ohne VDS stellt sich die Frage auf welcher Rechtsgrundlage die Provider die Daten speichern dürfen sollten, denn im Zeitalter weitverbeiteter „Flatrates“ ist die Speicherung der Verbindungsdaten für die Rechnungsstellung nicht mehr notwendig.

EuGH kippt EU-Richtlinie zur VDS, nicht aber die VDS selbst

Heute hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil zur Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) bekannt gegeben: Die Richtlinie ist unrechtmäßig, da unverhältnismäßig!

Was sich zunächst nach einem Riesenerfolg für die Gegner der VDS anhört, entpuppt sich bei näherem Hinsehen mehr als eine vorläufige Niederlage der VDS-Befürworter, denn es wurde nur die Richtlinie gekippt, nicht jedoch die VDS grundsätzlich in Frage gestellt. Ähnlich hatte auch das BVerG in der Sache geurteilt. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Überwachungsfanatiker in SPD und insbesondere der CDU/CSU eine neue Regelung präsentieren werden. Angekündigt haben sie es bereits. Dem EuGH ist die Richtlinie schlicht nur zu unspezifisch formuliert. Mit der Begründung im Urteil haben die Richter den VDS-Befürwortern auch gleich konkrete Verbesserungsvorschläge für die nächte Richtlinie an die Hand gegeben. Weiterlesen

Rechtsanwalt für Internetrecht klagt gegen BND, bietet aber keinen PGP-Schlüssel an

Wie der Spiegel berichtet (via CR-Online), klagt der Berliner Anwalt Niko Härting (Twitter: @nhaerting) vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen eine Durchleuchtung von e-Mails aus dem Jahre 2010, da aus dem Jahresbericht (vgl. hier) des parlamentarischen Kontrollgremiums hervorging, daß der BND 37 Mio. e-Mails abgefangen, aber nur in 12 Fällen auf nachrichtendienstlich relevantes Material gestoßen sein soll. Soweit so gut, je mehr Klagen vor unterschiedlichen Gerichten gegen diese Schnüffelei vorliegen, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß Licht in die Sache kommt und Verantwortliche mindestens Rede und Antwort stehen müssen (man wird ja bescheiden, bei dieser Regierung).

Was den Fall aber interessant macht ist etwas Anderes und genau passend zu zwei anderen Artikeln zu Rechtsanwälten hier im Blog (hier und dort): Weiterlesen

Autoren starten Aufruf gegen Massenüberwachung

Ausgehend von den Initiatoren Juli Zeh (DE), Ilija Trojanow (DE), Eva Menasse (DE), Janne Teller (DK), Priya Basil (UK), Isabel Fargo Cole (US) und Josef Haslinger (AT) hat die Autoren-Gruppe „Writers Against Mass Surveillance“ bestehend aus 562 Autoren aus 83 Ländern am heutigen 10. Dezember 2013 einen Aufruf gegen die Massenüberwachung der Bürger in über 30 internationalen Zeitungen (bspw. FAZ) veröffentlicht.

Die wesentlichen Punkte darin sind:

  • Überwachung verletzt die Privatsphäre sowie die Gedanken- und Meinungsfreiheit.
  • Massenhafte Überwachung behandelt jeden einzelnen Bürger als Verdächtigen. Sie zerstört eine unserer historischen Errungenschaften, die Unschuldsvermutung.
  • Überwachung durchleuchtet den Einzelnen, während die Staaten und Konzerne im Geheimen operieren. Wie wir gesehen haben, wird diese Macht systematisch missbraucht.
  • Überwachung ist Diebstahl. Denn diese Daten sind kein öffentliches Eigentum: Sie gehören uns. Wenn sie benutzt werden, um unser Verhalten vorherzusagen, wird uns noch etwas anderes gestohlen: Der freie Wille, der unabdingbar ist für die Freiheit in der Demokratie.

Auf Change.org kann sich jeder dem Aufruf „Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“ durch Mitzeichnen anschließen (Aufruf in Englisch).

Weiterführendes:

Lest das Grundgesetz

StopWatchingUs Demo Berlin 2013 — Lest das Grundgesetz, nicht meine e-Mails & Ich kann nicht wenn jemand guckt.

StopWatchingUs Demo Berlin 2013: Lest das Grundgesetz, nicht meine e-Mails & Ich kann nicht wenn jemand guckt.

Im Rahmen der Spionageaffäre um die NSA und GCHQ kommt immer wieder gerne der Slogan „Lest das Grundgesetz“ auf. Im Prinzip keine schlechte Idee, fürchte ich doch, daß die Mehrheit — auch von denen, die es propagieren — es tatsächlich nicht gelesen hat. Sicherlich hat das Grundgesetz (GG) in den letzten Jahrzehnten für die Bundesrepublik Deutschland recht gute Dienste geleistet, aber der wirklich große Wurf, für den es immer ausgegeben wir, ist es meines Erachtens nicht. Außerdem wurde es im Laufe der Jahre durch deutsche Politiker immer wieder zu Ungunsten der bürgerlichen Freiheiten geändert. Auch ist es nicht widerspruchsfrei. Darüberhinaus sollte man immer im Hinterkopf behalten, daß das GG auf Geheiß der aliierten Siegermächte entworfen und schlußendlich von ihnen genehmigt werden musste. Es ist eindeutig ein Kind der Besatzungszeit. Dies könnte auch einer der Gründe sein, warum bis heute kein Verfassungskonvent mit dem Entwurf einer Verfassung für Deutschland beauftragt und dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurde. Weiterlesen

Betriebsblindheit eines Verfassungsjuristen


Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier hat sich in einem Interview in der Welt u.a. zu der Abhöraffäre geäußert. Für ihn grenzt ein Schutz vor der Spionage durch fremde Geheimdienste an Unmöglichkeit und damit endet für ihn die Schutzpflicht des Staates. Mit dieser Einstellung offenbart er ein hohes Maß an Betriebsblindheit. Weiterlesen

Demo StopWatchingUs in Berlin

Auch wenn die Demo in Berlin bei glühender Hitze bei weitem nicht so schlecht besucht war, wie die Edward-Snowden-Pro-Asyl-Demo (ca. 100-200 Leute) vom 04. Juli, dürfte die Teilnehmerzahl wohl noch nicht ausreichen, um auf die Regierung genügend Druck auszuüben, zumal diese in ihrer fulminanten Ahnungslosigkeit auch der festen Überzeugung ist, richtig zu handeln. Aber die nächste Möglichkeit ergibt sich am 7. September auf der Demo Freiheit statt Angst 2013 in Berlin. Wenn da generell nicht mehr Resonanz aus der breiten Bevölkerung kommt, muss man konstatieren, daß es die Mehrheit nicht anders will! Weiterlesen

Demo: 27.07. #StopWatchingUs

Am nächsten Samstag gibt es deutschlandweit Proteste gegen die ausufernde Überwachung durch die Geheimdienste, namentlich NSA und GHCQ.

Samstag, 27.Juli 2013, 14:00 – 18:30 Uhr
Startpunkt Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg
Hashtag #StopWatchingUs

Außer in Berlin gibt es an diesem Tag auch noch in über 20 weiteren Städten Proteste gegen Prism und Tempora.

… und damit auch die Geheimdienstmitarbeiter die Gelegenheit zur Teilnahme auf keinen Fall verpassen, gibt es für jede Stadt auch eine extra Facebookseite.

Weltpersonenregister

In der Diskussion der letzten Wochen über die durch Edward Snowden aufgedeckte Abhörpraxis wird so gut wie immer betont, daß es „nur“ um die Metadaten der Verbindungen gehe. Das greift meiner Meinung aber deutlich zu kurz. Sagen die Metadaten zu einem Telefongespräch tatsächlich nur etwas über Ort und Zeit, aber nicht über den Inhalt aus, sieht es bei anderen Kommunikationsformen anders aus, denn die Verbindungsdaten lassen sich nicht immer scharf von den Inhalten trennen (jeder Link ist bereits „sprechend“). Außerdem wird indirekt der Eindruck vermittelt, daß an dieser Stelle Schluss sei, aber man kann davon ausgehen, daß Geheimdienste keine selbst auferlegten Grenzen kennen. Die nicht vollständige Erfassung von Inhalten ist daher auch kein Zeichen ethischer Verantwortung und Anerkennung von Grundrechten, sondern schlicht ein technisches Problem.

Die Wunschvorstellung der NSA und eines jeden Geheimdienstes wird wohl eine Art Weltpersonenregister sein, Weiterlesen