Denn sie wissen nicht was sie nehmen

Don’t know what they take

Anekdote „Don’t know what the take“, gefunden im J. Spec. Homeopathy 1857, 2 (6): 3

Durch Zufall bin ich neulich auf eine kleine Anekdote in einer Homöopathiezeitschrift aus dem Jahre 1857 gestoßen [1]:
Im Verlaufe der Behandlung einer Dame durch einen Homöopathen, bekam die Patientin starken Durchfall, welcher vom Homöopathen dann auch entsprechend behandelt wurde. Allerdings blieb diese Behandlung erfolglos und die Dame griff zu Dr. Humphrey’s Specifics (Anm.: eine Unterart von Homöopathika) und ihr Durchfall verschwand umgehend. Beim nächsten Besuch bei ihrem Homöopathen gratulierte ihr dieser zur ihrer Genesung, aber sie informierte ihn darüber, daß seine Medikamente nicht geholfen hätten und erst der Griff zu Dr. Humphrey’s Specifics ihr Besserung verschafft hätte. Ihr Homöopath drückte sein Bedauern aus, wies aber drauf hin daß sie nie wisse, was sie da einnähme, woraufhin die Dame antwortete, dies wüßte sie bei seinen Mitteln auch nicht.

Don’t Know What They Take.
A lady was attended not long since by a very regular Homeopath, and in in the course of her treatment a quite prostrating diarrhea came. For these the Dr. prescribed for some time without success until the lady quite wearied with taking his presriptions to no purpose, resorted to our Specific Diarrhea Pills and was promptly relieved. On the next visit the Dr. congratulated his patient on her improvement when she candidly informed him that as his medicine had failed to reach the case, she had taken some of Dr. Humphrey’s Specifics and been entirely relieved. The Dr. quite down expressed his sorrow and regret, because, said he, “when you take them you don’t know what you take.” “Neither do I know what I take when you give me medicine,” quietly responded the lady.

Die kurze Ankedote von 1857 zeigt, daß sich in vielen Punkten für den Patienten wenig geändert hat, er zeigt aber auch wie wichtig lege artis durchgeführte Wissenschaft ist und warum sich die Wissenschaften massiv gegen jede Art von Scharlatanerie, wie sie nicht nur die Homöopathie darstellt, wehren müssen.

Die besagte Dame hat durchaus recht, wenn sie sagt, daß es egal sei welche Mittel sie nimmt, denn sie wüßte nie was sie da eigentlich nimmt. Die Standards haben sich dsbzgl. zwar deutlich geändert, Geheimrezepturen kommen in der evidenzbasierten Medizin nicht mehr vor, allerhöchstens noch bei Schamanen. Außerdem hat der Patient durch Bibliotheken und vor allen Dingen durch das Internet auch die Möglichkeit sich zu informieren. Dennoch ist eine medizinische Behandlung auch heute noch eine Angelegenheit des Vertrauens zwischen Arzt und Patient. Der Patient muss in das Fachwissen seines behandelnden Arztes vertrauen können, denn wäre es mit dem Anlesen von Fakten so einfach, bräuchte der Patient erst keinen Arzt aufsuchen. Gesichertes Fachwissen ist aber nur dann gegeben, wenn dies auf wissenschaftlich fundierter Grundlage gewonnen wurde. Genau daran hapert es aber bei pseudomedizinischen Behandlungsformen. Insofern ist der Begriff Alternativmedizin auch völlig unzutreffend, denn bei den damit beworbenen Methoden handelt es sich eben gerade nicht um gleichwertige Alternativen aus denen man sich die für einen bequemere aussuchen kann. Genaugenommen ist es auch relativ bedeutungslos zu wissen, was man genau nimmt, entscheidend ist, ob es gegen die Beschwerden hilft. Was uns zum nächsten Punkt bringt.

Die Dame hat Medikamente verschrieben bekommen und als diese ihrer Meinung nach nicht halfen, da sich die Beschwerden nicht verminderten, in Eigenregie zu anderen Medikamenten gegriffen. Eine Handlungsweise, die weit verbreitet ist. Aus heutiger Sicht ist klar, daß im Falle der Dame (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keines der beiden Medikamente ursächlich geholfen haben kann, da Homöopahtie – unabhängig von ihrer jeweiligen Ausprägung — wirkungslos (i.S.v. nicht besser als Placebos) bei der ursächlichen Bekämpfung von Erkrankungen ist. Dennoch bleibt das Grundproblem der zweifelsfreien Feststellung der Wirksamkeit eines Medikamentes bzw. einer Therapieform bestehen, denn das Verschwinden der Symptome bei einem Patienten ist kein Beweis für die Wirksamkeit. Wie können Spontanheilungen, Heilungen durch veränderte Ernährungs- und Hygienegewohnheiten und Selbstmedikation ausgeschlossen werden? Kurz gesagt, an einem einzelnen, lebenden Patienten kann der Nachweis rein prinzipiell niemals, weder durch ihn selbst, noch durch seinen behandelnden Arzt erbracht werden. So verschwinden bspw. nach Einnahme einer Kopfschmerztablette zwar oftmals die Kopfschmerzen und der Patient fühlt sich besser, allerdings verschwinden Kopfschmerzen eben auch meist von ganz allein wieder. Hat das Medikament nun geholfen oder nicht? Das Individuum hat keine Möglichkeit diese Frage für sich zu beantworten, geschweige denn für andere Leidensgenossen. Geanu dies ist auch der Grund, warum die, von den von Homöopathen und anderen Wunderheilern vorgebrachten Anekdoten zur Heilung von Krankheiten nur eines sind: Anekdoten. Genau aus diesem Grunde hat man in den letzten Jahrzehnten die evidenzbasierte Medizin entwickelt und vor allen Dingen beständig weiterentwickelt, denn es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß zum Nachweis der Wirksamkeit eines Medikaments immer viele Patienten unter möglichst gleichartigen Bedingungen im Vergleich mit einer geeigneten Kontrollgruppe zu betrachten sind. Wenn denn eine Wirkung, die den Placeboeffekt übersteigt, existiert, lässt sie sich damit auch nachweisen, vollkommen unabhängig davon, ob man einen plausiblen Wirkmechanismus kennt oer nicht. In wie weit allerdings die gemessene Wirkung irgendeine Relevanz besitzt ist eine andere Frage, die gesondert betrachtet werden muss.

Eigentlich erstaunlich, daß es noch rund 100 Jahre bis zur systematischen Entwicklung der evidenzbasierten Medizin brauchte.

Literatur:

  1. Don’t know what they take. Journal of Specific Homeopathy 1. August 1857, 2 (6): 3

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