Entwurf zur Neuregelung der Störerhaftung

Der Informationsrechtler Prof. Dr. Thomas Hoeren von der Universität Münster hat in einem lesenswerten Beitrag den Regierungsentwurf zur WLAN-Haftung zerlegt und eine Unverschämtheit genannt.

Die einzige Frage, die bleibt, ist also: Wer schreibt eigentlich solch einen Unsinn? Und wieso geht so etwas ins Kabinett? Und wer stoppt diesen Zug? Langsam wird man müde und verbittert, wenn man sich die Qualität der Gesetzgebung in Deutschland ansieht.

Soweit seine abschließend klare Aussage zum Regierungsentwurf zur WLAN-Haftung. Der Entwurf enthält sachliche und scheinbar logische Fehler, die darauf hindeuten können, daß er nicht unbedingt von auf dem Sachgebiet bewanderten Juristen geschrieben sein könnte oder von Leuten die eine eigene Agenda verfolgen. Es wäre auch nicht der erste Fall in dem externe Kanzleien einen Entwurf für das BMWi geliefert haben.

Der Entwurf hat das Ziel, den Ausbau öffentlicher WLAN-Netze in den Städten vorantreiben. Soweit Neusprech. In Wirklichkeit geht es um eine radikale Verschärfung der Haftung für WLAN-Betreiber.

Prof. Hoeren hat richtig erkannt, daß ein intendierter Zweck nicht zwangsläufig mit dem Verlautbarten (hier WLAN-Ausbau) im Einklang stehen muß. Allerdings ist die Haftungsverschärfung des Entwurfes mMn auch nicht der Zweck, sondern nur das Mittel zum Erreichen desselben. Doch um welchen könnte es sich dabei handeln?

Rein private, nicht geschäftsmäßige WLAN-Anbieter – wie z.B. die Freifunker – sollen nach dem Entwurf nur dann in den Genuss der Haftungsfreistellung kommen, wenn sie darüber hinaus auch die Namen der Nutzerinnen und Nutzer kennen. Wieso private Netzbetreiber gegenüber gewerblichen Providern so schlecht gestellt werden, versteht keiner.

Die Qualität eines Gesetzes läßt sich unter verschiedenen Kriterien beurteilen. Einerseits ob es sich formal und logisch in das bereits bestehende Rechtssystem einfügt und andererseits ob das vom Gesetz gewollte Ziel erreicht wird. Unter der Annahme, daß der Entwurf den Ausbau privater (hier: als Gegensatz zu gewerblich) öffentlicher WLAN-Netze fördern soll, ist er hundsmiserabel, aber könnte nicht gerade die Verhinderung des privaten Ausbaus von privaten öffentlichen WLAN-Netzen der verdeckte Sinn dieses Gesetzes sein? Meines Erachtens besteht weder von Regierungsseite, noch von Seiten der Industrie — von einigen wenigen Unternehmen abgesehen — ein Interesse an der Förderung privater, öffentlicher WLAN-Netze.

  • Auf Seiten der Regierung gibt es massive Befürworter der Vorratsdatenspeicherung (VDS). Die ergibt aber nur dann einen Sinn, wenn sich eine Kommunikationsverbindung auch einem konkreten Anschluss (Familie ist ausreichend), gar einer konkreten Person zuordnen lässt. In der Kombination aus zunehmender Verschlüsselung von Verbinungen und zu erwartender breiter Verfügbarkeit privater öffentlicher WLAN-Netze würde die VDS in weiten Teilen ausgehebelt werden. Hinzu kommt, daß anarchische (i.S.v. nicht kontrollierbare) Privateinzelinitiativen von Millionen Bürgern aus Sicht der Behörden immer abzulehnen sind.
  • Die Vertreter der „Content-Industrie“ mit ihrem unermüdlichen Einsatz gegen Urheberrechtsverletzungen, dürften ebenfalls keinerlei Interesse an privaten, öffentlichen WLAN-Netzen haben. Vermutlich hegt man dort die Befürchtung, niemandes mehr habhaft werden zu können, denn die zukünftige Behauptung, die Urheberrechtsverletzung wurde von einem unbekannten Mitbenutzer vorgenommen, ist nicht widerlegbar und es bleibt nichts Justiziables mehr übrig, selbst wenn der Anschlussinhaber der eigentliche Täter ist. Für sie stellen private öffentliche WLAN-Netze nichts weiter als einen Freifahrtschein zum Massendownload dar. Kommerzielle WLAN-Netze würden über speziell zugeschnittene Produkte über die großen Provider auf dem Markt angeboten werden. Bei diesen Produkten würden dann in Absprache mit den Providern bestimmte Dienste und Ports gesperrt werden. Die Mehrheit der Nutzer befände sich also unter einer gewissen Kontrolle. Bei privaten öffentlichen WLAN-Netzen gäbe es diese Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten nicht.
  • Internetprovider sehen mit Sicherheit künftige Geschäftsmodelle gefährdet, insbesondere wenn das Netz tatsächlich mal auf Breitband ausgebaut werden sollte. Wenn jeder private Anschlussinhaber seinen Router zur Mitbenutzung freigibt, lassen sich Produkte für genau diesen Zweck nicht mehr oder nur noch schwer verkaufen.
  • Telekommunikationsunternehmen könnten langfristig bei flächendeckender Verfügbarkeit von Internet im öffentlichen Raum ebenfalls Umsatzrückgänge befürchten.
  • Nicht vergessen werden sollte auch, daß bei entsprechender technischer Ausstattung der Router sich — zumindest in den Ballungsgebieten — ein sehr unabhängiges Funknetz entwickeln würde, in welchem Daten dann direkt weitergeleitet werden könnten, ohne in die Kabelnetze eingespeist werden zu müssen. Den Geheimdiensten und Polizeien dürfte diese Möglichkeit nicht unbedingt zusagen.

Der Einzige der wirklich ein Interesse an freien privaten WLAN-Netzen hat, ist der Bürger, nur der schreibt die Gesetze nicht! Unter den genannten Aspekten wird aus der unverhältnismäßigen Schlechterstellung der Privaten gegenüber den Gewerblichen ein Schuh und das Gesetz ist aus Sicht seiner Ersteller dann doch ein Gutes, auch wenn es schlecht ist.

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