In diesem Lande scheint es etliche Leute zu geben, die den Begriff „Rechtsstaat“ nicht verstanden haben und diesmal sind nicht irgendwelche Politiker gemeint, die mal wieder das Grundgesetz aushebeln wollen.
In diesem Falle geht es um das Verhalten einiger ganz normaler Bürger dieses Landes, insbesondere dem, welches einige Emdener Bürger im Zusammenhang mit der Suche nach einem Kindesmörder an den Tag legen. Bei den Aufrufen zu Lynchjustiz kann einem Angst und Bange werden. Jeder kann schneller als ihm lieb ist in eine solche Situation geraten und dann solche Freizeithenker um sich herum zu wissen, muß ein fantastisches Gefühl sein. In diesem Falle hat es einen nachweislich Unschuldigen getroffen, aber selbst wenn er schuldig gewesen wäre, ist der Aufruf zu Lynchjustiz einfach inakzeptabel.
Das die Bild-Zeitung und andere „Organe der vierten Gewalt“ mal wieder ganz vorne weg bei der Vorverurteilung sind, entschuldigt die Angelegenheit nicht im Mindesten, denn jeder der dort an dem Lynchmob-Auflauf teilgenommen hat, hat diese Entscheidung selbst getroffen.
Dieses Verhalten zeigt übrigens auch die Überheblichkeit mit der wir oftmals den islamischen Ländern gegenübertreten, denn bei uns ist es im Kern nicht unbedingt besser. Die Bilder des Lynchmobs gleichen sich durchaus, nur die Teilnehmerzahl ist (noch) geringer.
Aber das Fehlverhalten liegt nicht alleine bei den Bürgern. Der Staat hat für alle Bürger eine Fürsorgepflicht, doch durch die zunehmende mediale Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft wird nicht nur diese verletzt, sondern auch die Unschuldsvermutung von offizieller Seite untergraben. Das Herausstellen, daß jemand kein Alibi für einen bestimmten Zeitpunkt hat, gehört dazu. In einem Rechtsstaat braucht niemand für irgendeinen Zeitpunkt ein Alibi, niemals! Ein Alibi erleichtert die Arbeit der Polizei und man kann sich selber dadurch, zumindest theoretisch, schneller aus der Schusslinie bringen, aber es gibt keine Verpflichtung ein Alibi zu haben. Eine solche Verpflichtung wäre schlechterdings auch nicht durchsetzbar, denn das würde bedeuten, daß niemand mehr allein sein dürfte, entspräche also der kompletten Aufhebung der Privatsphäre. Für die Beurteilung der Schuld ist das Vorhandensein eines Alibis irrelevant, denn in einem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung solange bis der Beweis der Schuld erbracht ist. Schuldig ist jemand aber erst dann, wenn ein Gericht dies in einem Urteil festgestellt hat, nicht jedoch vorher. Niemand muß seine Unschuld beweisen, es ist immer die Aufgabe der Gegenseite Beweise für die Schuld einer Person zu erbringen.
Es ist äußerst bedenklich solche Szenen im Deutschland von 2012 sehen zu müssen. Es hat sich nicht viel geändert, hinter dem mit der Nagelschere geschnittenen Rasen im Vorgarten wartet das Grauen. Gut, heute wird wenigstens der Müll getrennt. Man kann sich eigentlich nur noch für seine Mitbürger schämen.