Alternativvorschlag zur gesetzlichen Regelung der Knabenbeschneidung

Vor einigen Tagen haben über 50 Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen einen alternativen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 17/11430 vom 08.11.2012) zur Beschneidung des männlichen Kindes vorgelegt. Der vor einigen Wochen vorgelegte Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 17/10331 vom 19.07.2012) sieht explizit die Legalisierung der Beschneidung des männliches Kinds vor. Er berücksichtigt die Interessen des Kindes so gut wie gar nicht und durch die verwendeten Formulierungen wird jedwede Beschneidung von Jungen, unabhängig von der Motivation, legalisiert. Der nun vorgestellte, alternative, ausführlich begründete Gesetzentwurf macht hierbei deutliche Einschränkungen und versucht eine Kompromisslösung zwischen den Rechten des Kindes und denen der Eltern zu finden.

Vorgesehen ist, im Recht der elterlichen Sorge (§§ 1626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB) klarzustellen, dass die Personensorge der Eltern grundsätzlich auch das Recht umfasst, bei Einhaltung bestimmter Anforderungen in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung ihres Sohnes einzuwilligen. Voraussetzung hierfür ist wegen der Schwere und Irreversibilität des Eingriffs aber die Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen Sohnes, der das 14. Lebensjahr vollendet haben muss. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn im Einzelfall durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.
Die Durchführung der Beschneidung erfolgt lege artis durch eine Ärztin oder einen Arzt mit der Befähigung zum Facharzt für Kinderchirurgie oder Urologie.

Mithin führt der alternative Vorschlag drei Kernpunkte in die Gesetzgebung ein:

  • Beschneidung nach Vollendung des 14. Lebensjahres
  • Wirksame Einwilligung des Jungen nach Aufklärung
  • Durchführung nur durch einen Facharzt

Zunächst hat man den Eindruck, daß in diesem Vorschlag von politischer Seite erstmalig der Versuch unternommen wurde, die Problematik der männlichen Kindesbeschneidung von verschiedenen Seiten zu beleuchten und nicht nur reflexartig darauf zu verweisen, daß wir zu einer Komikernation würden und religiöse Traditionen in Deutschland (angeblich) geschützt seien. Doch schützt der alternative Vorschlag tatsächlich die Rechte des Kindes?

Die Güte eines Vorschlages hängt davon ab, in wie weit er die Rechte der Betroffenen berücksichtigt. Die Knabenbeschneidung, bei der es sich zweifelsohne um eine medizinische nicht indizierte Amputation eines gesunden Körperteils handelt, greift in vier grundlegende Rechte des Kindes ein:

  • Recht auf körperliche Unversehrtheit
  • Sexuelle Selbstbestimmung
  • Gleichbehandlung der Geschlechter
  • Religionsfreiheit

Der wesentliche Punkt des alternativen Vorschlages ist, daß er das Mindestalter auf das vollendete 14. Lebensjahr heraufsetzt, ein Alter in dem ein Junge wenigstens schon Sachverhalte verstehen und sich eindeutig äußern kann. Dies stellt ganz eindeutig eine Verbesserung zu der Beschneidung im Säuglingsalter dar. Ob dies aber für die jüdische Gemeinde akzeptabel ist, erscheint mehr als fraglich, war sie es doch die das Selbstverständnis des Judentums auf die Beschneidung an den ersten Tagen nach der Geburt festgemacht hat. Bei ihren Reden kann man davon ausgehen, daß reguläre Beschneidungen nach dem 8. Lebenstag den Untergang des Judentums darstellen würden. Insofern macht dieser Vorschlag für die jüdische Gemeinde keinen Unterschied zu einem Verbot der Beschneidung Minderjähriger. Moslems hingegen sollten mit dieser Regelung keinerlei Probleme haben. Weiterhin bleibt fraglich, ob ein 14-Jähriger tatsächlich, auch nach Aufklärung, die Folgen einer Beschneidung abschätzen und sich frei entscheiden kann, insbesondere wenn er unter dem Druck seiner unmittelbaren Gemeinschaft steht. Jeder sollte sich hier selbst fragen, ob er mit 17/18 Jahren bereits so frei und unabhängig seine Lebensentscheidungen in der Lage war zu treffen, auch in religiöser Hinsicht. Dies zu wissen, ist für die Beurteilung des Einflusses der Regelung auf das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von Bedeutung. Wie realistisch ist die Annahme, daß man einen 14-Jährigen wirklich sinnvoll über die Bedeutung der Vorhaut beim Geschlechtsverkehr aufklären kann?

Ebenso wie der erste Gesetzesvorschlag, läßt auch der alternative Vorschlag den Punkt der Gleichbehandlung der Geschlechter vollkommen unbeachtet. Warum sollen Jungen dem Druck der Gemeinschaft aktiv widerstehen müssen, wohingegen Mädchen von vornherein vollumfänglich vom Gesetz geschützt werden? Oder anders formuliert, warum soll Mädchen eine Entscheidung über die Beschneidung vom Typ I verwehrt bleiben, wenn doch Äquivalentes beim Jungen explizit erlaubt sein soll?

Letztlich läuft alles auf die Beantwortung der Frage hinaus, ob es innerhalb von falschem Handeln Richtiges geben könne, sofern man davon ausgeht daß die Kinderrechte gegenüber den Elternrechten priorisiert sind. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, warum überhaupt Handlungsbedarf besteht, denn aus welchem Grunde sollte ein säkulares System Genitalverstümmelung bei Kindern überhaupt dulden?

Die Giordano Bruno Stiftung (GBS) unterstützt den alternativen Vorschlag ausdrücklich und bietet auf der Webseite Pro-Kinderrechte die Möglichkeit seine Zustimmung an die Abgeordnete zu äußern. Ich persönlich stehe Zugeständnissen an Religionsgemeinschaften grundsätzlich mehr als skeptisch gegenüber. Andererseits ist rein prinzipiell der alternative Vorschlag dem ursprünglichen vorzuziehen, baut er doch zumindest eine Hürde gegen allzu willkürliches Handeln der Eltern auf und fordert die Durchführung unter medizinisch-hygienisch einwandfreien Bedingungen.

Weiterführendes:

Ein Kommentar

  1. […] Alternativvorschlag zur gesetzlichen Regelung der Knabenbeschneidung […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert