Vor gut zwei Monaten hatte ich auf die von der Berliner Ärztekammer mit acht Punkten vergütete Fortbildunsveranstaltung unter dem Titel „Einführung in die Sehgal-Methode“, auch gemütsorientierte Homöopathie genannt, hingewiesen. Jetzt erreicht mich die Nachricht, daß die Berliner Ärztekammer ihr Auswahlverfahren für diese Veranstaltungen zumindest etwas verändern will.
[…] Gleichwohl zeigte uns die kammerinterne Diskussion des Veranstaltungsangebotes, die wir im Gefolge Ihrer E-Mail geführt haben, dass wir uns hierbei zuweilen in Grenzbereichen der Homöopathie befinden, die beispielsweise eine Teil-Anerkennung ausgewählter Veranstaltungsabschnitte (also keine vollständige Anerkennung eines Gesamt-Veranstaltungsangebotes) oder auch eine Nicht-Anerkennung von Fortbildungspunkten rechtfertigen könnten. Insoweit beachten wir Ihren kritischen Hinweis gern im Hinblick auf die künftige Bearbeitung verwandter Anträge auf Fortbildungszertifizierung zur Sehgal-Methode, die wir mit der zusätzlichen Einholung eines externen Expertenvotums hinsichtlich der jeweiligen Anerkennungsfähigkeit von Fortbildungspunkten verbinden werden.
Momentan weiß ich noch so recht wie ich das bewerten soll. Zunächst kann man es als kleinen Teilerfolg ansehen, daß überhaupt eine Reaktion erfolgt ist, eine kammerinterne Diskussion des Problems angeregt wurde und man gewillt scheint, wenigstens ein externes Expertenvotum einzuholen, bevor ein entsprechender Fortbildungsvorschlag als Fortbildung anerkannt wird. Auch das Novum von der möglichen Teilanerkennung einer Fortbildunsveranstaltung ist erwähnenswert.
Andererseits bleibt natürlich das Faktum bestehen, daß weiterhin Fortbildungsveranstaltungen zur Homöopathie prinzipiell anerkennungsfähig bleiben. Dies ist sicherlich dem Umstand einer außerordentlich tiefen Verankerung pseudomedizinischer Angebote im System geschuldet. Offen bleibt jedoch die Frage, wie ein solches Expertengremium arbeiten soll. Nach welchen Kriterien soll hier vorgegangen werden, denn Homöopathie, Schüssler-Salze, Reiki, NLP, Cranio-Sakral-Therapie, Osteopathie etc. sind aus wissenschaftlicher Sicht zweifellos Unsinn und gehören demzufolge ersatzlos aus dem Fortbildungskanon gestrichen. Dementsprechend wird die Aufgabe der Experten darin bestehen, die Inhalte entsprechender (homöopathischer) Fortbildungsanträge in Unsinn 1. Art und Unsinn 2. Art zu klassifizieren, wobei nur Veranstaltungen mit Unsinn 1. Art als gültige Fortbildung zugelassen werden können. Wirklich befriedigend finde ich diese Lösung nicht, aber sie folgt dem Zeitgeist, der sich in der Weigerung manifestiert Falsches als Falsches zu benennen und sich lieber in politischer Korrektheit, der gleich Gültigkeit (nicht Gleichgültigkeit!) von Allem, übt. Vollkommen vergessen wird dabei, daß die (wissenschaftliche) Realität nicht das Ergebnis eines Kosenses ist und auch nicht sein kann. Realität ist gefühllos, undemokratisch und diktatorisch. Sie ist, wie sie ist! Entscheidend für die Art der Verfahrensänderung dürften wohl auch eher monetäre Erwägungen der Kammermitglieder gewesen sein.
Auch ist mir nicht klar, wie man sich das Auswahlverfahren für die Experten vorzustellen hat. Homöopathen und andere Quacksalber würden nie zugeben, daß das, was sie tun Unsinn ist (und selbst wenn sie es bei Konkurrenten täten, fehlt ein entsprechendes objektives Unterscheidungskriterium) und fähige Naturwissenschaftler müssten alle entsprechenden Vorschläge abschlägig bescheiden. Ein gemischt besetztes Gremium, würde wiederum nach dem (demokratischen) Konsensverfahren arbeiten. Das Kernproblem für die Arbeitsweise des Gremiums lautet also: Wie unterscheidet man objektiv einen seriösen Scharlatan von einem unseriösen Scharlatan? Ich sehe hierbei ein massives begründungstheoretisches Problem auf die Experten zukommen, auf dessen Lösung ich durch die Berliner Ärztekammer mit gespannter Erwartung harre. Trotz Allem will ich die avisierte Verfahrensänderung bis auf Weiteres als ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung interpretieren.