Richtervorbehalt bei der Vorratsdatenspeicherung

Wie inzwischen durch alle größeren Medien ging, hat sich die große Koalition auf die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) verständigt (Spiegel-Online). Als besonderes Merkmal für die Güte des Gesetzes wird immer der erforderliche Richtervorbehalt herausgestellt. Ich halte das aber für Augenwischerei, denn meiner Meinung nach wissen die Richter nicht wirklich was sie bei solchen Dingen überhaupt unterschreiben und daß eine Prüfung des Einzelfalles stattfindet wage ich zu bezweifeln. Die bekommen soetwas auf den Tisch, sehen nach ob die richtigen Paragraphen genannt wurden und zeichnen einen Beschluss ab.

Hierzu mal ein reales Beispiel aus der weitgeübten Praxis der Abmahnungen zu Urheberrechtsverletzungen. Nachfolgend der entscheidende Auszug aus einem Beschluss des LG München, unterschrieben im Namen von drei Richtern, zur Abfrage der Bestandsdaten zu eine IP-Adresse beim Provider. Im vorliegenden Fall ging es eine angebliches UrhG-Verletzung durch Anbieten einer einzelnen Datei über die Dauer von 6 Minuten.

… die zu Gunsten der Beteiligtan zu 1 urheberrechtlichen Schutz genießen, über eine sogenannte „Tauschbörse“ oder über den Server eines „Sharehosters“ im Internet rechtswidrig öffentlich gemacht zu haben (§19 a UrhG). Diese Rechtsverletzung ist offensichtlich im Sinne des §101 Abs. UrhG und weist ein gewerbliches Ausmaß im Sinne des §101 Abs. 1 Satz 1 UrhG auf.

Was wird demjenigen nun genau vorgeworfen? Hat er die Datei nun über eine Tauschbörse angeboten oder über einen Sharehoster verfügbar gemacht? Beides zugleich geht nicht, entweder das Eine oder das Andere. Wurde über eine Tauschbörse angeboten verweist die IP-Adresse auf den (einen) Anschlussinhaber, wird aber eine UrhG-Verletzung über einen Sharehoster abgemahnt, stellt sich die Frage, wie die Antragssteller an die IP-Adresse des Abzumahnenden gekommen sein wollen, denn von dieser hätte die UrhG-Verletzung nur dann erfolgen können, wenn der Abzumahnende selbst einen Sharehoster betreiben würde. Andernfalls hätten die Antragsteller zunächst beim Sharehoster um Auskunft ersuchen müssen. Diese Feinheiten zur Präzisierung des Tatvorwurfes interssieren die Richter überhaupt nicht. Ich neige zu der Aufassung, die verstehen nicht worum es geht. Des Rätsels Lösung: Es werden einfach Fälle zu Gruppen zusammengefasst und der oder die Richter stellen einen Universalabfragebeschluss aus. Da wird am Einzelfall rein gar nichts geprüft.

Weiterhin belegen die Einreicher die angebliche UrhG-Verletzung durch Beifügen von Anfangs- und Endzeit der Verbindung. Die Uhrzeiten der Verbindung sind auf die Sekunde genau angegeben. Sieht super genau aus, die Sache hat nur einen Haken: Die Zeitstempel enthalten keinerlei Angaben zur Zeitzone. Anders ausgedrückt, die Uhrzeiten sind zwar sekundengenau, können aber doch um Stunden abweichen. Geht durch, interessiert niemanden. Nächster Punkt wäre, wenn denn Zeitzonen angegeben wären, wie wird eigentlich bewiesen, daß an allen beteiligten Rechnern die korrekte Uhrzeit eingestellt war? Es gibt schlicht kein System, welches übergreifend, d.h. nicht nur bei der Beweismittelerhebung, sondern auch an der Abfragestelle (Provider), beweisfähig Zeitstempel dokumentieren kann. Kurz gesagt, das ganze Abmahnwesen beruht einzig und allein auf der Tatsache, daß alle Beteiligten glauben, daß die Uhrzeiten korrekt sind. Das Problem ist in Justizkreisen scheinbar vollkommen unbekannt, die Abmahnanwälte freut’s (falls es ihnen überhaupt selbst bewusst sein sollte).

Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es um weitaus mehr als um ein paar hundert Euro wie bei Abmahungen, soll doch nur bei schweren Strafaten (wenn die VDS erst da ist, wird auch falsch Parken ganz schnell zur schweren Straftat, wetten?) auf die gespeicherten Daten zurückgegriffen werden. Das Problem ist aber exakt dasselbe. Die Justizbehörden möchten dann auf Grund eines Anfangsverdachtes auf die Daten zugreifen, können aber niemals sicher sein, daß die erhobenen Uhrzeiten an Hand derer ein Vergleich stattfindet tatsächlich stimmen. Das zu lösen ist ein rein technisches Problem, kein Juristisches, kümmert aber niemanden!

Ich persönlich sehe keinen Grund, warum der Richtervorbehalt bei der VDS auch nur einen Deut sorgfältiger gehandhabt werden sollte, als bei Abmahnungen. Insofern kann man den Richtervorbehalt vergessen, der erhöht die Sicherheit keinesfalls, da die Beteiligten — Politiker, Staatsanwälte, Richter — nicht wirklich verstanden haben, wie das System funktioniert.

Ein Kommentar

  1. […] Wochen Standortdaten bei Mobilfunkgeräten (zur Farçe mit dem Richtervorbehalt hatte ich schon neulich etwas geschrieben), von den Unternehmen verlangt werden würde. Diese Konkretisierung hätte zur Folge, daß sich die […]

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