Inzwischen hat es sich unübersehbar herumgesprochen, daß eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten Briten für den Ausstieg aus der EU gestimmt hat. Ich für meinen Teil sehe das als positives Ergebnis, aber nicht weil ich die Briten nicht in der EU haben will, auch wenn sie geschickter im Verhandeln waren und für sich niedrigere Mitgliedsbeiträge rausgeschlagen haben, sondern aus vollkommen anderen Gründen.
Mal ganz pragmatisch gesehen, was ist passiert? Von rd. einer halben Milliarde Europäern hat ein 80-Milionen-Volk in einem vollkommen friedlichen und demokratischen Prozess, der den anderen Teilnehmern der EU systematisch von ihren Regierungen verweigert wird, von seinem ihm zustehenden Recht der Selbstbestimmung Gebrauch gemacht und erklärt, daß es aus dem „Club 28“ austreten möchte. Dies ist allein eine Entscheidung der Briten und alle anderen haben das zu akzeptieren. Weder wird Großbritannien von der Landkarte verschwinden, noch wird man keinen Handel mehr mit ihnen treiben können. Nur der Bevormundung aus Brüssel haben die Briten für sich eine Absage erteilt. Selbst wenn es sich als eine Fehlentscheidung für die Briten herausstellen sollte, war es eine demokratische Entscheidung. Demokratie bedeutet eben auch, ein Recht auf Fehler. Außerdem dürften die Briten auch von Merkel und ihrem Tross die Nase gestrichen voll.
Es wurde höchste Zeit, daß Brüssel und vor allen Dingen Merkel mal einen kräftigen Schuss vor den Bug bekommt. Ich fürchte allerdings, viel nutzen wird es nicht, denn allein die Tatsache, daß es überhaupt zu einer Befragung über einem Austritt gekommen ist, spricht Bände. Merkel und Konsorten sind es schließlich, die im Einvernehmen mit dem Bundesverfassungsgericht Stück für Stück die Souveränität entgegen dem Grundgesetz an Brüssel abgeben, nicht alle wollen da bei sich mitziehen. Sie werden an der EU etwas ändern müssen, aber daß sie ihr Ziel aufgeben kann ich mir nicht vorstellen. Auf jeden Fall darf sich diese EU, mit ihrem System der Bevormundung, so nicht weiter verfestigen.
Was kommt jetzt von Politikern nach dem Brexit? Man warnt vor Panik! Bisher scheinen die Bürger der EU nicht gerade panisch schreiend durch die Städte zu rennen (Gut in Berlin gab es am Tag nach dem Brexit Ausfälle bei Bussen und S-Bahnen, aber ob jetzt die Briten die Fahrzeuge mitgenommen haben bin ich mir nicht so sicher). Die Einzigen, die hier offenbar Panik schieben ist eine politische, nicht sehr helle, aber dafür um so ideologischere „Elite“, die ihre eigenen Interessen und Posten gefährdet sieht und die Parlamente der Völker mit Hilfe eines riesigen Beamtenapparats systematisch entmachtet.
Und dann dieser Irrsinn des Politikbetriebs. Ein Volk nimmt friedlich sein Selbstbestimmungsrecht in Anspruch und es wird vor Panik gewarnt, aber gleichzeitig lässt man provokativ Truppen an der Grenze zu Russland aufmarschieren, als ob ein Angriff drohe und hält dies für vollkommen gerechtfertigt und besonnen.
Deutschland habe eine besondere Verantwortung und ein großes Interesse daran, dass die europäische Einigung gelinge.
Ich kann es nicht mehr hören. Immer dann, wenn etwas gegen unsere Interessen durchgesetzt werden soll, wird auf die angebliche besondere Verantwortung verwiesen. Die haben wir aber eben gerade nicht, sofern man denn eine demokratische EU will. Die Mitglieder der EU sind unabhängige Staaten und ein jeder trägt Verantwortung. Eine besondere Verantwortung würde genau das Gegenteil bedeuten und andere von ihrer Verantwortung entbinden. Wenn’s schief geht waren es sowieso wieder die Deutschen, mit oder ohne besondere Verantwortung. Außerdem ist es sicher nicht unsere Aufgabe, den Briten zu sagen, was sie in und mit ihrem Land zu tun und zu lassen, so lange es friedlich abläuft.
Von einem „Einschnitt für Europa und für den europäischen Einigungsprozess“ sprach Kanzlerin Angela Merkel nach Beratungen im Kanzleramt.
Leider hat man den Völkern nie gesagt (von gefragt redet man schon nicht mehr), wie genau das Ergebnis dieses Einigungsprozesses aussehen soll und wie weit es sich erstrecken soll. Bereits heute liegen die Grenzen der EU weit außerhalb des kontinentalen Europa, sie reichen von der Südsee bis an die Grenze von Brasilien. Was ist das Ziel der EU? Wirtschaftsgemeinschaft? Vereinigte Staaten von Europa oder Europa gar als Einzelstaat? Dies wurde nie, wohl mit Absicht, klar definiert. Wirklich gefragt wurden die Völker, ob sie dies auch so wollen, denn zunächst wurde die EU als eine reine Wirschaftsunion, als Freihandelszone, angegangen, nie und die Deutschen sowieso nicht. Inzwischen entwickelt sich die EU immer weiter zu einem europäischen Superstaat, mit dem Ziel die jeweiligen Eigenheiten der Kulturen zu nivellieren. Das gefällt nicht jedem. Hinzu kommt, daß es mit zunehmender Größe auch immer schwerer wird überhaupt noch igrendetwas zu verändern.
Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte wegen der Brexit-Entscheidung seine Reise nach Moskau für nächste Woche ab.
Der übliche unsinnige Aktionismus der SPD, denn er hat mit dem Brexit gar nichts zu tun. Das ist jetzt bis auf Weiteres eine Angelegenheit zwischen Brüssel und London und dort ist bisher noch kein Austrittsgesuch eingegangen. Objektiv betrachtet besteht für Hektik keinerlei Grund, zumal nun nach dem Rücktritt Camerons in Großbritannien erstmal Neuwahlen anstehen.
Der Höhepunkt ist aber noch etwas Anderes. In den sozialen Netzwerken werden die Älteren mehr oder weniger wüst beschimpft, weil sie den Jungen angeblich die Zukunft kaputt gemacht haben. Zuletzt kulminierte das in einem dämlichen Kommentar von einer Christina Kufer, die demnächst in London einen Master in europäischem Wettbewerbsrecht (sic!) machen möchte und nach ihrer Selbstbeschreibung „halb Juristin, halb Journalistin“ sein will, also nichts Ganzes.
Ehrlich gesagt habe ich Angst, dass es die Welt, in der ich die vergangenen 25 Jahre groß geworden bin, so bald nicht mehr gibt. Jetzt, wo sich eine Mehrheit der Briten dafür entschieden hat, aus der EU auszutreten.
Lebensunfähig? Erwartet die Autorin wirklich allen Ernstes, daß die Welt ihr Leben lang so bleibt wie die, in der sie groß geworden ist? Schlimmer noch, sie fordert nichts Geringeres als Stillstand, alles soll so bleiben wie es ist, weil es ihr genehm ist. Da ist die „Rollator-Generation“ ja flexibler. Handelt es sich hierbei, neben dem ausgeprägten Egoimsmus, noch um Infantilität oder schon um eine Form von besonders schwerer Senium praecox? Abgesehen davon vergisst sie, daß es nicht ihr Europa ist und sich da noch rd. eine halbe Milliarde Mitbewohner tummeln, die tatsächlich auch Rechte haben. Ob Fr. Kufer schon mal was Demokratie gehört hat? Aber das ist genau der Generationsteil, der überall „Safe Spaces“ fordert, von Mikroaggressionen faselnd durch die Welt läuft und auf keinen Fall mit anderen Meinungen oder gar der Realität konfrontiert werden will.
Als ich geboren werde, 1991, ist Deutschland schon wieder vereint. Zwei Jahre später am 1. November 1993 tritt der Vertrag von Maastricht in Kraft, der Gründungsvertrag der Europäischen Union. Weitere zwei Jahre danach fallen mit dem Schengen-Abkommen die innereuropäischen Grenzen. Als ich zehn bin, tausche ich mein Taschengeld von DM in Euro. Ich lerne Englisch, Italienisch und Französisch in der Schule, fahre zum Schüleraustausch nach Foggia, Bergamo und Lyon.
Nach dem Abitur gehe ich mit meiner Schwester auf Interrailtour über den Balkan, Istanbul, Griechenland und Italien. Im Jurastudium ziehe ich mit dem Erasmusprogramm für ein halbes Jahr nach Istanbul.
Wenn ich das so lese, frage ich mich, was man sie über Europa gelehrt hat. Man bekommt den Eindruck, sie stellt sich Europa vor 1991 wie eine Ansammlung von gegeneinander abgeschotteten Nord-Koreas vor. Reisen quer durch Europa waren auch damals schon genauso vollkommen normal und üblich, nur daß man noch ein Reisedokument zeigen musste, wie Schüleraustausche und der Interrail ist keine Erfindung der EU von 1991. Und daß das Erasmusprogramm ihr einen Studienaufenthalt in Instanbul, also außerhalb der EU, ermöglicht hat, spricht nicht für ihre These der Notwendigkeit einer EU. Der Bologna-Prozess ist zumindest für die deutschen Universitäten eine Katastrophe, da man sich nicht nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat, sondern auch das, was die Idee einer Universität ausmacht zerstört hat. Man hat sie von ihrer Struktur her zu einer weitergehenen Schule degradiert, allerdings unter Absenkung des Niveaus und das selbstständige, eigenverantwortliche Studieren abgeschafft. Auch das implizite Lob auf den Euro zeugt nicht davon, daß sie sich allzu viel mit dessen Problemen befasst hat. Sie behauptet rumgekommen zu sein, hat offenbar dabei nicht sehr viel gelernt. Die Zeiten vor der heutigen EU waren nicht die Schlechtesten, auch nicht für die Jungen damals. Die heutigen Alten, die damaligen Jungen, konnten sich ohne die EU mehr schaffen, als es die heutigen Jungen mit dem gegenwärtigen Sytem jemals werden können.
Inzwischen stellt sich heraus, daß die Wahlbeteiligung bei den Jungen miserabel war.
% who got through our final #EUref poll turnout filter by age group:
18-24: 36%
25-34: 58%
35-44: 72%
45-54: 75%
55-64: 81%
65+: 83%— Sky Data (@SkyData) June 25, 2016
Hier lernen wohl gerade die Jungen auf die harte Tour, daß es neben den 140-Zeichen-Sätzen auf Twitter auch noch eine real gelebte Welt gibt und es nicht ausreichend ist, auf sozialen Netzwerken alles zu „liken“ was der eigenen Meinung entgegenkommt, einen Hashtag zu generieren und all das und jene bestenfalls zu blocken, was anderer Meinung ist. Wobei ich mir nicht mal sicher bin, ob die jungen Nichtwähler überhaupt gegen den Brexit gestimmt hätten, wenn sie wählen gegangen wären. Es könnte durchaus sein, daß ihnen die EU schlichtweg vollkommen egal ist und nur mal wieder eine besonders lautstarke radikale Gruppe in den sozialen Netzwerken gegen die Alten marodiert.