Diverse Politiker fordern die Verleihung von Bundesverdienstkreuzen an die Syrer, die ihren polizeilich gesuchten, terrorverdächtigen Landsmann Dschaber al-Bakr gefesselt der Polizei übergeben haben. Das erinnert entfernt an die Angelegenheit mit Tuğçe Albayrak vor einigen Jahren. Bevor eine Angelegenheit vollständig aufgeklärt ist, werden Helden gekürt und die Verleihung von Orden gefordert. Auch wenn sich die Beschuldigung der Mitwisserschaft der Syrer durch al-Bakr höchstwahrscheilich als Racheakt herausstellen wird, muss dem zunächst nachgegangen werden. Es scheint durchaus klärungsbedürftig, ob das Treffen der Syrer mit al-Bakr eine reine Zufallsbekanntschaft darstellt oder ob vielleicht doch mehr dahinter steckt,
Wichtiger als ein Orden dürfte für die viel gelobten Flüchtlinge allerdings etwas anderes sein. Der Linken-Politiker André Hahn forderte, ihnen zügig Asyl zu gewähren. „Das wäre ein ganz wichtiges Signal an alle hilfebedürftigen und ehrlichen Flüchtlinge“, sagte er im Bayerischen Rundfunk.
Mal abgesehen von der Frage, ob es sich bei den Syrern um Flüchtlinge oder Asylanten handelt, stellt ihre Handlung jetzt auf jeden Fall einen Asylgrund dar, denn nach Syrien können sie nun auf unabsehbare Zeit nicht mehr zurück, da sie persönlich auf der Abschussliste der Islamisten stehen.
Gerade die Forderungen nach einer Verleihung von Bundesverdienstkreuzen aus dem sich selbst als antirassitsich darstellenden rot-grünen Lager muten selbst rassisstisch an, denn nicht für die Handlung an und für sich soll der Orden vergeben werden, sondern weil Syrer die Handlung vorgenommen haben. Hätten ein paar stramme Rechte das Selbe getan, würden von dort mit Sicherheit keine Rufe nach Ordensverleihungen zu hören sein, sondern nach Strafverfolgung wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Verletzung von Persönlichkeitsrechten (posing Fotos mit dem Gefesselten) eines mutmaßlichen Verdächtigen. Womit der nächste Punkt angesprochen wäre, nämlich ob sich die Syrer nicht unter Umständen durch die Fesselung selbst strafbar gemacht haben, weil der Jedermann-Paragraph nach § 127 StPO (Vorläufige Festnahme) hier eventuell nicht zum Tragen kommt.
§ 127 Vorläufige Festnahme
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
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So einfach und glasklar für die Anwendung von § 127 StPO einzutreten, wie das Udo Vetter auf seinem Lawblog darstellt, ist die Angelegenheit meines Erachtens jedoch nicht.
Man braucht gar nicht die Frage zu überlegen, ob hier überhaupt eine „frische Tat“ vorlag. Darüber könnte man sicher diskutieren, auch wenn man letztlich davon ausgehen kann. Bei den heutigen Terrorismus-Delikten handelt es sich um Dauerstraftaten und sogenannte Unternehmensdelikte. Bei denen ist die Strarfbarkeit – gerade bei Sprengstoffbeteiligung – unglaublich weit nach vorne ins Vorbereitungsstadium verlagert.
In jedem Fall war Dschaber al-Bakr auf Grund eines konkreten Tatverdachts jedenfalls „verfolgt“ – wie sich ja schon an dem Fahndungsaufruf der sächsischen Polizei zeigt, der bei seiner Festnahme schon lange in der Welt war. Für eine Verfolgung im Sinne dieser Alternative des Gesetzes reicht es aus, wenn die Verfolger aktiv werden, nachdem sie sich aufgrund konkreter Anhaltspunkte zum Einschreiten veranlasst sehen. Eine „frische Tat“ im engeren Sinne braucht man dafür also gerade nicht.
Das Festnahmerecht greift laut dem Gesetz ein, wenn der Betreffende „der Flucht verdächtig“ ist. An einer Flucht wird man kaum zweifeln können. Den Wanrschuss, den Beamte auf ihn abgegeben haben, dürfte al-Bakr ja kaum überhört haben.
Aus der einschlägigen Literatur der Rechtsprechung ist eine Tat nur während des Tatvorgangs und kurz danach „frisch“. Ob nun eine derart weite Ausdehung des Begriffs der „frischen Tat“, wie Udo Vetter sie hier andeutet, noch rechtstaatlichen Grundsätzen entspricht, wage ich zu bezweifeln.
Der Gesetzgeber befugt in § 127 StPO unter bestimmten Bedingungen ausnahmsweise jedermann eine eigentlich strafbewehrte Handlung, nämlich die Festsetzung einer Person unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit, vorzunehmen. Einsperren oder Fixierungen können dabei durchaus gerechtfertigt sein, sofern sich der Täter widersetzt. Allerdings darf der (mutmaßliche) Täter nicht in jedem Falle eigenmächtig festgesetzt werden, sondern nur dann wenn er der Flucht — in der Rechtslitreratur wird von der Flucht von der frischen Tat gesprochen, allerdings ist die Flucht nicht zeitbegrenzt — verdächtig ist und seine Identität nicht festgestellt werden kann. Daher ist es entgegen der Annahme von Udo Vetter durchaus von Relevanz, ob eine frische Tat vorlag oder nicht. Weiterhin ist geregelt, daß das Recht des Privaten in dem Moment endet, wo ein Polizeibeamter in Aktion tritt:
Seinem Wesen entsprechend geht er [Anm.: gemeint ist § 127 StPO] vielmehr sowohl in Richtung Beeinträchtigung des Rechts auf Anonymität als auch der Freiheit der Person.
Die intendierte Rechtsfolge von § 127 (1) StPO ist die Personalienfeststellung, die mit einer Festsetzung bis zum Eintreffen von Ermittlungsorganen erreicht werden kann, um eine Strafverfolgung einleiten zu können. Somit ist es gerade nicht für jedermann statthaft, eine Person deren Identität sicher bekannt ist, bei Antreffen auf frischer Tat festzusetzen! Auch dürfen Privatpersonen keinesfalls weitergehende Rechtsbeeinträchtigungen gegenüber dem Tatverdächtigen vornehmen, als jene, die den behördlichen Organen erlaubt sind. Auch wenn hier die Umstände nicht gegeben sind, bei strafunmündigen Kindern kann man sich nicht auf § 127 StPO berufen, da dessen Zweck die Zuführung des Tatverdächtigungen zur Strafverfolgung ist, die eben bei strafunmündigen Kindern nicht erzielt werden kann. Strafunmnündige Kinder kann man jedoch nach § 229 BGB (Selbsthilfe) zur Identitätsfeststellung festsetzen, um bspw. Schadenersatzansprüche geltend machen zu können. Das (private) Festnahmerecht ist also komplizierter, als es den Anschein hat.
Somit erhebt sich die Frage, ob der Tatverdächtige im Sinne von § 127 StPO überhaupt auf der Flucht war. Seine Identität war hinreichend bekannt, nicht jedoch sein Aufenthaltsdort, er war zur Fahndung ausgeschrieben und nicht nur ein Polizeibeamter war in Aktion getreten. Es hätte daher durchaus ausgereicht, die Polizei über den Aufenthaltsort zu informieren und auf deren Eintreffen zu warten, damit diese die Verhaftung gemäß dem ihr übertragenen staatlichen Gewaltmonpol durchführt. Allerdings haben die Ermittlungsorgane einen Ermessensspielraum und können unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls von Fall zu Fall entscheiden, ob bereits Freiheistentziehung (verboten) oder noch eine Freiheitsbeschränkung (erlaubt nach § 127 StPO) vorlag, so daß die Syrer bei Ausnutzung des Ermessensspielraums sich nicht strafbar gemacht haben könnten.
Das Problem an der sehr weiten Auslegung des Begriffs der Flucht und losgelöst von dem Vorliegen einer frischen Tat durch Udo Vetter liegt darin, daß nun die Meute wähnen könnte, einen Freibrief auf Fetsetzung von Leuten zu haben, die vermeindlich gesucht werden.