Der Krieg der deutschen Bundesregierung gegen Telegram

Die deutsche Bundesregierung will Telegram zähmen. Nicht nur Russland hat das auch versucht und ist vollumfänglich gescheitert. Insbesondere in der Drohung Telegram zu sperren sehe ich keinen Grund zu der Annahme, daß dies gerade dem digitalen Entwicklungsland Deutschland gelingen sollte.

Telegram ermöglicht Menschen in autokratischen Ländern wie Belarus, Proteste zu organisieren und Informationen zu verbreiten, die Medien nicht aufgreifen. Zugleich dient Telegram aber auch Kriminellen, Verschwörungstheoretikern und Extremisten.

Das war schon immer so, des Einen Freiheitskämpfer sind des Anderen Terroristen. Und bis vor Kurzem waren Politik Mainstream-Medien noch ganz begeistert wie sich die Opposition gegen Lukaschenko auf Telegram organisiert. Jetzt, wo man selber in die Schusslinie gerät findet man Gefallen an der Meinungsfreiheit à la China.

Hinzu kommt, dass Telegram „Gewinnerzielungsabsichten“ und mehr als zwei Millionen Nutzer aufweist. Während letzteres auch auf Messenger wie WhatsApp zutrifft, sind die die sogenannten „Kanäle“ eine Telegram-spezifische Innovation. User können auf Telegram Kanäle eröffnen, denen unbegrenzt viele User folgen können, während etwa bei WhatsApp die Gruppengrößen auf 256 Personen beschränkt sind. Über solcnhe Kanäle wird Telegram quasi zu einer Art Twitter, Facebook oder auch Instagram: Beliebige Menschen folgen einem Kanal, der dann Links, Fotos oder kurze Texte enthält.

Das stimmt so nicht, Telegram gibt es erst seit 2013. Die bei Telegram als Kanäle bezeichnete Funktion gibt es bei XMPP (vormals Jabber) als Multi-User-Chats (MUC) schon deutlich länger. Inzwischen werden bei XMPP alle Chats Ende-zu-Ende verschlüsselt, auch zu mehreren Endgeräten wie Händi, Tablett oder PC gleichzeitig (außer natürlich bei öffentlichen für jedermann zugänglichen Gruppen, man käme ja auch nicht auf die Idee Tageszeitungen an die Allgemeinheit verschlüsselt auszuliefern), dem sich Telegram mit seinen sogenannten „Geheimen Chats“ bisher hartnäckig verschließt (wie übrigens der (süd)koreanische Messenger Kakao ebenfalls). Die geheimen Chats sind jeweils nur zwischen zwei konkreten Endgeräten möglich, jedoch gundsätzlich nicht zu einem PC. Allerdigs besteht die Möglichkeit zu jedem Endgerät (außer PC) eines Nutzers einen separaten geheimen Chat einrichten. Man muss dann also wissen welches Endgerät der Gesprächspartner gerade benutzt. Das Ganze ist erstaunlicherweise grauenvoll unpraktisch gelöst, das genaue Gegenteil zu XMPP mit seinem OMEMO, welches die Aufgabe hne übernimmt.

Das proprietäre WhatsApp beruht auch auf dem freien XMPP. Das bei WhatsApp die Anzahl der Gruppenmitglieder derart gering ist liegt nicht am ursprünglichen Protokoll, sondern an einer Verkrüppelung desselben, ebenso wie der unterbundene Datenaustausch mit Teilnehmern außerhalb von WhatsApp.

Was Telegram trotz des Zawnges zur Angabe einer Mobilfunknummer jedoch relativ erfolgreich macht ist der, abgesehen von der Verschlüsselung, wirklich funktionsreiche Client, das eichte Auffinden von Gruppen („Kanälen“), seine Weigerung zur Kooperation bei Datebanauskunftabfragen und Löschbegehren, sowie der (falsche) Leumund es sei besonders sicher. Letztlich ist eine Sicherheit, die im Grunde an der Laune des Betreiber hängt keine wirkliche Sicherheit, schon gar nicht im technischen Sinne.

Nun will man also Telegram über das NetzDG beikommen, in dem man Instant Messenger zu sozialen Netzwerken erklärt. Das NetzDG war von Heiko Maas und Konsorten von Anfang an dazu geplant, die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit zu unterlaufen, in dem versucht wird den Unternehmen Kontroll- und Zensurpflichten aufzuerlegen, die der Staat selbst nicht anordnen kann, da dies dem Grundgesetz zuwiderläuft. Zensur über Bande. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht ein solches von ihm als „Flucht ins Privatrecht“ bezeichnetes Vorgehen als unzulässig angesehen.

Telegram brüstet sich auf seiner Website dagegen damit, keine Anfragen zur Löschung illegaler Inhalte zu beantworten. Lediglich Urheberrechtsverletzungen, etwa bei Sticker-Paketen, gehe man nach.

Diese Haltung führt nun dazu, dass das in Dubai ansässige Unternehmen sich zwei Bußgeldverfahren des Bundesamtes für Justiz gegenübersieht. Einmal wegen fehlender Meldeverfahren, einmal weil kein Zustellungsbevollmächtigten für Ersuche von deutschen Gerichten benannt wurde.

Ich wundere mich immer über die Idee der deutschen Politik, im Ausland ansässige Unternehmen müssten deutschen Gesetzen folgen. Was würde die Politik tun, würde Nordkorea dies von deutschen Unternehmen oder Nutzern verlangen? Das erinnert mich an die Diskussion zum Jugendschutz, in der für das Internet Sendezeitregelungen wie beim Fernsehen gefordert wurden. Da bestand in der Politik auch die Verständnisschwierigkeit, daß irgendwo auf diesem Planeten immer 22 Uhr ist.

Heise schreibt nun der Auslöser für den aktuellen Angriff auf Telegram sei der Wirecard-Skandal. Ohne breites Staatsversagen im Vorfeld wäre dieser gar nicht möglich gewesen, ganz ohne Messenger. Jetzt sollen die Messenger herhalten. Ob in der Politik tatsächlich so ein starkes Bedürfnis nach Aufklärung des Wirecard-Skandals vorherrscht? Da könnten für sie unangenehme Erkenntnisse ins Haus stehen. Der größere Antrieb für die Politik dürfte der „Kampf gegen Rechts“, die Gegner der Coronapolitik und alles wsas der verlogenen linken Politik zuwiderläuft darstellen.

Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses ist vermerkt, dass Telegram im Wirecard-Vorstand laut Zeugenaussagen ein gängiges Kommunikationsmedium war, der „Lieblingskanal“ des Ex-Vorstands Jan Marsalek. Seine Assistentin hatte ausgesagt, im Frühjahr 2020 habe die Kommunikation „zu 90 Prozent über Telegram stattgefunden“. „Vermutungen und Chat-Verlaufe mit einer vertrauten Mitarbeiterin legen nahe, dass Marsalek Gesellschaftsanteile an dem Messenger-Dienst Telegram gehalten hat„, heißt es in dem Bericht. Chatprotokolle sollen von ihm gelöscht worden sein.

War mir vollkommen unbekannt, daß man an Telegram, einem Unernehmen ohne richtiges Geschäftsmodell, Anteile erhalten kann. Sollte damit viellecht eine strategische Partnerschaft begründet werden? Der Messenger Signal testet bereits eine Bezahlfunktion mit der Kryptowährung .

Mit Kanal dürfte hier ganz allgemein Kommunikationskanal (wie Brief, Telefon oder eben Telegram) gemeint sein und nicht die Kanäle in Telegram. Es wäre wenig schlau und unwahrscheinlich gewesen, wenn die Kommunikation von Interna über eine Chatgruppe, quasi ein Verteiler, erfolgt wäre.

Über Telegram sei ein nicht nur bedeutender Anteil der unternehmensinternen Kommunikation abgewickelt worden, Marsalek habe sich darüber auch mit seinen Partnern unterhalten – insbesondere auch nach seiner Flucht. Oberste Priorität sei daher, dass die Nachrichten rekonstruiert werden.
[…]
Allerdings wird alles, was die Nutzer schreiben, von Telegram zentral gespeichert und bei Bedarf ausgeliefert. Marsalek und die seinen nutzten offenbar „geheime Chats“, die vor dem Mitlesen durch Dritte gesichert sind.

Hier wird die Angelegenheit unlogisch. Wenn geheime Chats benutzt wurden hilft den Behörden ein nachträglicher Zugriff überhaupt nichts, da die Nachrichten nach Zustellung von den zentralen Servern verschwinden und nur noch auf den beiden beteiligten Geräten vorhanden sei können und somit nichts zu rekonstruieren ist oder es fanden keine geheimen Chats Verwendung, dann trifft es den eklatanten konstruktionsbedingten Schwachpunkt von Telegram, nämlich die fehlende standardmäßige Verschlüsselung in Verbindung mit der unbegrenzten Dauer der Speicherung der Nachrichten auf den zentralen Servern.

4 Kommentare

  1. Bill Miller sagt:

    fefe hat ja dezidiert gesagt was er davon hält jetzt Telegram einzubeziehen.
    http://blog.fefe.de/?ts=9e101c7e

  2. Im Prinzip hat Fefe recht, allerdings neige ich eher zu der Auffassung Wirecard ist der relativ unauffällige Aufhänger um gegen die unregulierten Messenger vorzugehen, denn die sind der Politik ja schon seit einiger Zeit ein Dorn im Auge, nicht erst seit dem Auffliegen von Wirecard.

  3. […] hatte gerade was zum Krieg der Bundesregierung gegen Telegram, im Grunde geht es aber gegen alle Messenger, geschrieben, angeblich weil die Führung von Wirecard […]

  4. […] unter Federführung von Heiko Maas als er noch Justizminister war (Interview von ihm dazu) oder der Krieg der Bundesregierung gegen den Messenger Telegram, wiewohl man noch ganz begeistert war, wie sie sich die Opposition in Weißrussland mittels […]

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