Angelas Mission

Angela Merkel hat auf der Jahrestagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Timmendorfer Strand eine im negativen Sinne beachtenswerte Rede gehalten. Sie stellte öffentlich klar, daß der Schutz verfolgter Christen ein wesentlicher Bestandteil deutscher Außenpolitik sein soll. Wird sie beim Worte genommen, kann dies durchaus zu Problemen führen, denn in Zukunft kann jede Hilfe aus humanitären Gründen als Kreuzzug interpretiert werden — ein Vorwurf der bereits jetzt immer im Raume steht —, da automatisch davon ausgegangen werden wird, das Christen bevorzugt werden. Weitaus schwerwiegender ist aber die Verfestigung der für Religionen typischen Spaltung der Menschheit in „wir“ und „ihr“. Es erscheint bedenklich, wenn die Außenpolitik sich nicht mehr den Menschenrechten verpflichtet fühlt und zunächst unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion auf Beendigung der Verfolgung ausgerichtet ist, sondern eine einzelne Glaubensrichtung bevorzugt. Darüberhinaus entsteht auch innenpolitisch der juristische Erklärungsbedarf, warum ein der weltanschaulichen Neutralität verpflichteter Staat, dessen Einwohner zu weiten Teilen konfessionslos sind, ausgerechnet die Religionsgruppe der Christen bevorzugen sollte.

Ein weiterer Kernpunkt ihrer Rede war die in christlichen Kreisen oft kolportierte Behauptung — meiner Meinung stammt sie aus den USA —, „das Christentum ist die am meisten verfolgte Religion“. Spontan fällt einem hier polemisch ein „kein Wunder bei der Religion ein“, aber es ist komplizierter. Leider, aber wohl mit Berechnung, bleibt im Unklaren was genau unter „verfolgt“ und „am meisten“ zu verstehen ist. Handelt es sich bei der Entfernung von Kreuzen aus Gerichtssälen und Klassenzimmern, bei der Absage an den Kreationismus oder des Intelligent Design im Biologieunterricht, bei der Einschränkung des Glockengeläuts wegen Lärmbelästigung bereits um Christenverfolgung? Oder ist Verfolgung erst dann gegeben, wenn Blut fließt? Ähnlich bei dem Vergleichsoperator „am Meisten“. Meint er den

  • absoluten Anteil der Christen an allen Verfolgten Menschen?
  • den absoluten Anteil der Christen an allen wegen ihrer Religion Verfolgten?
  • den relativen Anteil der Christen an allen wegen ihrer Religion Verfolgten im Vergleich mit dem relativen Anteil der Verfolgten anderer Religionen?

Solange diese Fragen nicht geklärt sind läßt sich das Argument nur schwerlich sinnvoll entkräften. Es ist durchaus Merkels Markenzeichen im Unklaren zu bleiben, sonst kann sich die Fahne nicht mehr im Wind drehen.

Wie üblich, so bleiben auch hier die Konfessionslosen ungenannt. In vielen Gegenden der Erde ist es nicht nur von Nachteil, sondern hochgradig lebensgefährlich sich als Ungläubiger zu erkennen zu geben, dazu gehören nicht nur islamische Länder, namentlich z.B. Afghanistan, Pakistan, Iran, Jemen, Saudi Arabien, sondern auch Teile in den von Merkel so geschätzten USA. Aber bei dieser Art der Argumentation sind die Fakten auch nicht wirklich wichtig, denn es geht darum, dem Christentum eine Sonderrolle, diesmal die des bedauernswerten Opfers, zuschreiben zu können. Verschwiegen wird hierbei nicht nur die historische, sondern auch die gegenwärtige, aktive Beteiligung des Christentums an Verfolgung.

Politik und Kirche seien „aus guten Gründen“ getrennt, betonte die Kanzlerin.

Frau Merkel scheint nicht aufgefallen zu sein, das Politik und Kirche in Deutschland eben nicht vollständig voneinander getrennt sind (kirchliches Arbeitsrecht, Einzug der Kirchensteuer, Konkordatslehrstühle, Religionsunterricht an Schulen – den Merkel ausdrücklich begrüßt – etc.). Ferner straft ihr eigenes Reden und Handeln diese Aussage Lüge, denn wenn sie dies ehrlich meinen würde, hätte sie schon längst Religionsministerin Annette Schavan Einhalt geboten, deren Aktivitäten inzwischen dazu führen, daß eine Universität eine eigene Moschee bauen will. Auch in der Beschneidungsdebatte hat sie sich umgehend auf die Seite der Religionen gestellt und die säkularen Werte der Menschenrechte (körperliche Unversehrtheit, Religionsfreiheit des Kindes, UN-Kinderrechtskonvention) verächtlich gemacht:

Ich will nicht, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt ist, in dem Juden nicht ihre Riten ausüben können. Wir machen uns ja sonst zur Komiker-Nation.

Wie vereinbaren sich ihre guten Gründe für die Trennung von Politik und Kirche mit ihrer Forderung nach Missionierung, immerhin rd. die Hälfte des Volkes, dessen Bundeskanzlerin sie ist und wohl wieder werden möchte? Welches sind überhaupt ihre guten Gründe für die Trennung von Staat und Kirche?

Ich erhoffe mir, dass es eine missionarische Komponente hat, dass etwas von dem Geist der Reformation wieder zu Menschen gelangt, die von diesem Geist vielleicht nie gehört haben oder schon lange nicht gehört haben

Im selben Atemzug forderte sie aber Respekt denen gegenüber, die sich keiner Religion zugehörig fühlen. Offensichtlich haben Gläubige ein massives Problem zu verstehen, daß Religionslose einfach von der Religion in Ruhe gelassen werden wollen. Viele Religionslose empfinden den Aufruf zur Missionierung schlicht als die Drohung belästigt zu werden. Was genau sind denn nun Merkels wahre Pläne, außer der Gewinnung von Wählerstimmen, egal welchen?

Der Staat sei zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, erinnerte Merkel. „Aber die Bundesrepublik ist ausdrücklich nicht laizistisch gegründet worden“, fügte sie hinzu. Die Präambel des Grundgesetzes beginne „nicht ohne Grund“ mit dem Satz „In Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…“

Sie als führende Vertreterin des Staates gab mit ihrer Rede vor der Synode ein perfektes Beispiel wie man die Neutralität des Staates umfangreich verletzt. Ich persönlich halte die Erwähnung von Gott in der Präambel für einen Rückschlag gegenüber der Weimarer Republik, aber davon abgesehen steht dort nichts vom christlichem Gott! Vielleicht ist dieser Satz auch mit ein Grund dafür, daß bis heute kein Verfassungskonvent mit einer neuen Verfassung beauftragt wurde, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde dieser Passus ersatzlos entfallen.

Ich persönlich halte nichts von Merkel, ist sie doch ein Vertreter jener rückgratlosen Menschen, die jede eigene Meinung scheuen und sich immer rechtzeitig auf die Seite des Gewinnlers schlagen. Aus ihrer persönlichen Sicht hat sie damit sogar Erfolg gehabt, denn immerhin hat sie so das höchste Staatsamt (den Grüßaugust Bundespräsident zähle ich nicht mit) erklommen, aber dem Land hat sie sich nichts gegeben. Von Menschen wie Merkel gehen keine Impulse für die Zukunft ausgehen, Stillstand als Ziel allen Handelns.

Weiterführendes:

Ein Kommentar

  1. […] wesentlicher Bestandteil deutscher Außenpolitik sein. Darüberhinaus spricht sie sich für eine aktive Mission in Deutschland aus, wie sie auf Synode der EKD verlauten […]