XX XY Männer und Frauen. Grafiken erklären die Unterschiede

XX XY Männer und Frauen

XX XY Männer und Frauen,
ISBN 978-3-426-65536-8

Die Autoren Matthias Stolz und Ole Häntzschel haben mit ihrem Buch XX XY Männer und Frauen. Grafiken erklären die Unterschiede eine Anthologie von Grafiken zum Thema Männer und Frauen verfasst. Zu 72 Sachgebieten rund um das Thema wie Namen, Kleidung, Sexualität, Gewalt, Bildung, Politik, Sprache etc. stellen sie auf ebenso vielen Doppelseiten die ermittelten Unterschiede grafisch anschaulich dar. Die Daten entstammen unterschiedlichsten Quellen wie bspw. dem Statistischem Bundesamt, dem Robert-Koch-Insitut, der Literatur wie auch aus eigener Recherche der Autoren. Durchgehend werden die Werte für Frauen in rot, die für Männer in blau dargestellt. So stehen beispielsweise den 15 Methoden der Empfängnisverhütung für Frauen nur 3 für Männer gegenüber. Man kann diese Aussage in diesem einen Satz treffen oder eben grafisch aufarbeiten in dem man auf einer Seite für jede Methode für Frauen ein Symbol, also 15 Symbole angeordnet in einer 3 × 5 Matrix, drei Symbolen für die Methoden beim Mann auf der anderen Seite gegenüberstellt. Die Kunst lag nun darin, für die Sachgebiete geeignete, leicht verständliche und vor allen Dingen abwechslungsreiche Darstellungsformen zu finden. Das ist weitestgehend auch gelungen, wenn auch manchmal das Datenamterial lückenhaft ist. So haben sie zwar für die Länge des täglichen Aufenthalts der Frauen im Bad Daten für 12 Länder, aber bei Männern nur für drei (Italien, Mexiko, Polen), die sich wiederum nicht bei den Frauen wiederfinden, womit ein Ländervergleich unmöglich ist.

Bei allen Themen beschränken sich die Autoren ausschließlich auf die rein grafische Darstellung der unterschiedlichen numerischen Werte für Männer und Frauen. An keiner einzigen Stelle unternehmen sie auch nur den leisesten Versuch selbst Stellung zu beziehen, die Werte zu erläutern oder gar zu interpretieren. All das bleibt, mit allen Fallen die statistische Werte bereithalten, dem geneigten Leser überlassen. Insofern ist der Untertitel des Buches („Grafiken erklären die Unterschiede“) auch unzutreffend, denn es wird durchweg rein gar nichts erklärt. Es werden nur gemessene Differenzen ansprechend visualisiert. So umgehen sie geschickt die Klärung der Frage des allgegenwärtigen Problems der statistischen Dreifaltigkeit: Koinzidenz ≠ Korrelation ≠ Kausalität. Wer sich ernsthaft für gechlechterspezifische Unterschiede interessiert, dem hilft das Bilderbuch nicht weiter, er muss zwingend die Originalquellen durcharbeiten, da selbst grundlegende Angaben wie die Stichprobengröße fehlen. Auch auf Seitenzahlen oder durchnummerierte Kapitel verzichtet das Buch, wer etwas sucht, muss es trotz Inhaltsverzeichnis durchblättern.


Ein ausgesprochen gutes Beispiel wie man den Inhalt des Buches absichtlich grob missverstehen will, liefert die „Die Welt“-Autorin Kathrin Spoerr in ihrem Artikel „Die irre Wahrheit über den Mann-Frau-Unterschied“. Eine Doppelseite des Buches visualisiert die Jahresproduktion an Unterhosen in Deutschland durch Darstellung von 205 Unterhosen aufgeteilt in 148 rosa Damenschlüpfer und 57 hellblaue Männeruntehosen. Jede Unterhose steht für 100.000 produzierte Unterhosen. Mehr ist auf der Seite nicht zu sehen, kein Kommentar, kein weiterer Text (außer der Datenquelle), nur die Unterhosen. Es werden nur die unterschiedlichen Produktionsmengen gegenübergestellt.

Was wird nun bei Frau Spoerr daraus?

Ist man aber kühlen Verstandes, dann erkennt man auf der irren Infografik: Männerschlüpfer (mit Eingriff und hellblau), Frauenschlüpfer (rosa). Man liest die Überschrift: „Unterhosen Jahreproduktion Deutschland“ und schließlich die Bildlegende: „Jede Unterhose steht für 100.000 Unterhosen“. Nun beginnt die Hirnarbeit: Multipliziere 57/162 Männer/Damenunterhosen mit 100.000.

Sie hat die Grafik fast richtig erkannt, aber es sind nicht 162 sondern nur 148 Damenunterhosen. Warum die ihr die Infografik irre erscheint, erschließt sich mir allerdings nicht.

Ergebnis: 5,7/16,2 Millionen Herren/Damenunterhosen werden in Deutschland jedes Jahr hergestellt und vermutlich auch verkauft. Schließlich vergleicht man die Zahl der Unterhosen mit der Zahl der in Deutschland lebenden erwachsenen Männer und Frauen – wobei sicherlich Google behilflich ist.

Dafür hätte man sogar Google nicht bemühen müssen, das findet sich auch im hinteren Drittel des Buches auf der Seite „Die deutsche Bevölkerung“. Mit dem falschen Wert hat sie richtig gerechnet. Es sind aber eben nur 14,8 Millionen Slips, jedoch sind die 1,4 Millionen zuviel errechneten Slips nicht das eigentliche Problem.

Was sagt uns das über das Geschlechterverhältnis in diesem Land? Nicht etwa, dass Männer nicht so oft Unterhosen kaufen wie Frauen, nicht etwa, dass Männerunterhosen doppelt so lange halten wie Frauenunterhosen. Nicht etwa, dass Männerunterhosenmode sich langsamer verändert als Frauenunterhosenmode. Sondern: dass Männern ihre Unterhosen scheißegal sind. Dass sie nach dem Motto „oben hui, unten pfui“ leben. Dass sie tatsächlich sind, was Frauen schon immer wussten: Ferkel.

Hier geht jetzt die Genderfantasie von Frau Spoerr mit allen zur Verfügung stehenden jungen Pferden durch. Nichts von dieser frei feministischen Assoziationskette findet sich in der Grafik wieder oder ließe sich aus ihr andeutungsweise herauslesen und ein begleitender Text fehlt allen Grafiken im Buch. Diese grunddämliche Interpretation entspringt allein dem Geist von Frau Spoerr und ist umso erstaunlicher, hat sie doch Volkswirtschaftslehre studiert und eine Promotion in Jura absolviert. Ein typisches Verhalten von Genderisten, eine sachorientierte Interpretation wird gar nicht erst in Erwägung gezogen, sondern sogleich auf das fest vorgegebene Ziel „Männer sind schlecht“ hin konstruiert. Gerade bei Unterhosen könnten die Produktionsunterschiede, wie sie selbst bereits andeutet, vollkommen andere Ursachen haben (Haltbarkeit auf Grund unterschiedlicher Gewebe, Mode, Slips gehören oft zu Zweiteilern, Verschleiß durch Belastung mit Körperflüssigkeiten etc.). Darüberhinaus besagen die dargestellten Werte auch nur, wieviel Unterhosen in Deutschland produziert werden, nicht jedoch wo und an wen sie verkauft werden. Aber wie sollte einer feministischen Volkswirtschaftlerin auch „Import und Export“ in den Sinn kommen, wenn man eine androphobe Erklärung benötigt.

Während man aber früher einfach drauflosbehaupten konnte, muss man sich heute erst mal mit den Techniken von bildlicher Visualisierung vertraut machen. Das erleichtert die Kommunikation nicht gerade. Aber das hatten die Autoren vermutlich auch nicht im Sinn.

Wenn hier jemand frei drauflosbehauptet, dann ist das Fr. Spoerr und nicht die Autoren, denn Letztere stellten zwei Meßwerte nur grafisch gegenüber, ohne Interpretation. Und ja, es wäre gut wenn sie sich als journalistisch Tätige mit dem Lesen Infografiken vertraut machen würde. Abgesehen davon, gibt es eigentlich auch eine nicht-bildliche Visualisierung? Also etwa eine avisuelle Visualisierung?

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