Google muss neutral sein! Warum eigentlich?

Google muss neutral sein, so verlangt es nicht nur Günther Oettinger (CDU), EU-Kommissar für Digitalwirtschaft, sondern auch viele andere. Ein kurzer prägnanter Satz der allgemein zustimmungsfähig ist. Aber zu was wird hierbei eigentlich zugestimmt? Ein paar Überlegungen dazu, die zeigen, daß es denn doch nicht ganz so einfach ist.

Neutralität des Gesetzgebers

In einem Rechtsstaat gilt das Prinzip, daß Gleiches gleich zu behandeln ist, andernfalls hätte man Willkür. Daher rührt u.a. auch der Rechtsgrundsatz der Vermeidung von Einzelfallgesetzen. Im Hinblick darauf wäre die Politik gut beraten mit der Neutralität bei sich anzufangen und bei Gesetzesvorhaben nicht immer nur über Google zu diskutieren, sondern allgemeine Prinzipien für Suchmaschinen herauszuarbeiten.

Unternehmerische Freiheit

Bei den Forderungen nach Neutralität und Objektivität wird unberücksichtigt gelassen, daß es sich bei Google nicht um ein staatliches Organ handelt, sondern um ein Privatunternehmen, welches nach marktwirtschaftlichen Prinzipien handelt. Warum also sollte Google neutral und objektiv sein? Auf welche Grundlage stützen sich die Forderungen? Google macht mit seinen kostenlos nutzbaren Diensten ein Angebot an den Kunden und dieser kann zunächst einmal entscheiden ob er dieses in Anspruch nehmen will oder nicht. Jede gesetzgeberische Auflage an Google, bzw. an Suchmaschinen im Allgemeinen bedeutet einen (massiven) Eingriff in die unternehmerische Freiheit, der begründet sein muss. Von anderen Unternehmen, von Autoherstellern bis Verlegern, wird auch nicht pauschal Neutralität und Objektivität beim Vertrieb, schon gar nicht bei der Herstellung ihrer Produkte erwartet. Es ist also die prinzipielle Andersartigkeit der Produkte von Suchmaschinen und ihre Alternativlosigkeit klar aufzuzeigen.

Zu der unternehmerischen Freiheit gehört auch, daß der Suchmaschinenbetreiber bestimmen darf, welche Seiten er in seinen Index aufnehmen möchte und welche nicht. Die unmittelbare Folge bei der gesetzlichen Durchsetzung von Neutralität und Objektivität bei Suchmaschinen wäre ein Aufnahmezwang von Seiten. Daraus resultierend kann der Suchmaschinenbetreiber dann nicht mehr frei entscheiden, welche Seiten er in seinen Index aufnimmnt und welche nicht und — Tusch! — welche er aus dem Index entfernt, so wie es Google mit einigen Verlagsseiten getan hat, als sie nach dem Leistungsschutzrecht (LSR) darauf pochten für die Zitierung ihrer Artikel, die ihnen massiv Leser zuführt, bezahlt zu werden.

Was ist im Sinne des Gesetzgebers eine Suchmaschine?

Man könnte eine Suchmaschine als ein „Programm welches auf Eingabe von Suchbegriffen eine Liste mit Verweisen auf Dateien zurückgibt, die diese Suchbegriffe enthalten oder sich mit ihnen beschäftigen“ definieren. Dann wären einfache Linklisten wie man sie auf vielen privaten, wissenschaftlichen und geschäftlichen Homepages (und zu den Anfängen des Internet bei Yahoo) zu spezialisierten Themen findet keine Suchmaschinen und wären somit nicht der Forderung nach Neutralität und Objektivität unterworfen. Aber welcher prinzipielle Unterschied zwischen einer ad hoc generierten Verweisliste und einer Statischen, würde eine rechtliche Andersbehandlung rechtfertigten? Erfolgt die Bewertung anhand des Ergebnisses, ist eine Liste eine Liste und dürfte rechtlich nicht anders behandelt werden, wird jedoch anhand des Erstellungsmechanismus differenziert wäre eine von Hand erstellte Liste anderen Kriterien als eine von einem Softwarealgorithmus generierte, unterworfen. Allerdings wäre hierbei zu berücksichtigen, daß auch die Gedanken des die Liste erstellenden Menschen einen Algorithmus darstellen.

Wer soll die Zielgruppe eines solchen Gesetzes sein? Alle, nur gewerbliche Angebote oder nur Suchmaschinen ab einer bestimmten Reichweite? Bei letzterem erhebt sich die Frage anhand welcher objektiver Kriterien man die Grenzreichweite festlegen will. Allein schon bei der Frage ob sie national oder international gelten soll fängt das Problem an (z.B. sind Yandex in Russland und Baidu in China viel genutzt, aber in Deutschland kennt sie kaum einer). Wo wären in diesem Sinne Suchmaschinen für Spezialgebiete anzusiedeln, wenn sie zwar in der Summe der Suchanfragen irrelvant sind, aber auf ihrem Gebiet marktbeherrschend? Auch P2P-Suchmaschinen wie Yacy könnten in Zukunft deutlich mehr Gewicht bekommen. Wie wären die einzuordnen? Jeder Peer für sich oder die Gesamtheit aller Peers (weltweit oder national?), nur die gewerblichen Peers oder auch die rein Privaten, aber öffentlich zugänglichen?

Nicht unerwähnt sollen die Probleme eines Aufnahmezwanges für kleine Betreiber sein, die weder die Zeit dafür haben, noch die finanziellen Mittel um ausgedehnte Serverfarmen zu unterhalten.

Meinungs- und Pressefreiheit

Es wird, gerade in den letzten Tagen, wiederholt auf das hohe Gut der grundgesetzlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit verwiesen. Auf diese Grundrechte kann sich jeder Bürger und jedes Unternehmen berufen. Jeder darf ohne besondere Erlaubnis recherchieren und seine Meinung zu (fast) jedem Thema kundtun. Die Meinung kann tendenziös, rein subjektiv, ja sogar völlig falsch und dumm sein, aber sie darf geäußert werden. Wenn nun vom Gesetzgeber Neutralität und Objektivität für Suchmaschinenergebnisse gefordert werden sollte, ist darzulegen warum die Ergebnislisten nicht der Meinungsfreiheit unterliegen sollten.

Auch in diesem Abschnitt kommt der Aufnahmezwang ins Spiel. Er stellt den Zwang dar, eine bestimmte Meinung äußern müssen, ist also das Gegenteil von Meinungsfreiheit.

Auf das vom EuGH im Mai 2014 verfügte, gegen die Meinungsfreiheit verstoßende „Recht auf Vergessen“ gehe ich weiter unten noch ein.

Stellt somit die Forderung nach Neutralität nichts anderes als eine verbrähmte Formulierung für den Versuch der Einschränkung der Meinungsfreiheit dar?

Ist Neutralität gewollt?

In gewisser Weise ist Google nämlich bereits jetzt neutral, es indiziert alles, aber wirklich alles was es bekommen kann. Webseiten, Passwortdateien, Bilder, Texte, ob privat oder öffentlich etc. Diese Form der Neutralität ist oftmals gerade nicht erwünscht.

Zum jetzigen Zeitpunkt existiert bereits eine ganze Reihe von (länderspezifischen) Einschränkungen bei der Anzeige von Treffern in der Ergebnisliste. Für Deutschland ist als Zensurbehörde die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) dafür zuständig, die von staatlicher Seite unerwünschten Inhalte anhand geheimer Listen aus den Trefferlisten der Suchmaschinen ausfiltern zu lassen. Allzu neutral soll es nun auch wieder nicht sein.

Auch das bereits erwähnte und von der Politik begrüßte „Recht auf Vergessen“ schränkt die mögliche Neutralität weiter ein, da auch hier ungewollte Informationen Kraft Gesetz aus den Trefferlisten ausgeblendet werden.

Wann sind Objektivität und Neutralität überhaupt gegeben und wie soll die Messung erfolgen?

Ein Punkt der bis hierher außer acht blieb, ist die Frage nach der Definiton von Neutralität selbst. Wann ist eine Trefferliste neutral? Man muss immer bedenken, daß Suchmaschinen keine eigenen Inhalte erzeugen, sondern nur Inhalte von Dritten indexieren und durchsuchbar machen. Daraus ergibt sich eine Reihe von Problemen für die Definition von Neutralität.

Wie definiert sich die Neutralität einer Trefferliste, wenn der zu Grunde liegende Datenbestand stark einseitig ist? Soll mit Neutralität auch gemeint sein, daß bei identischen (zeitnahen) Suchanfragen alle Benutzer dieselbe Trefferliste übermittelt bekommen? Ein mögliches Gesetz bzw. die Ausführungsbestimmungen müssten hierüber eine Aussage machen.

Die Vollständigkeit einer Trefferliste kann aus naheliegenden Gründen ebefalls kein Kriterium sein, auch wenn Google nahe dran ist alles erfasst zu haben, nützt niemandem eine Trefferliste mit Abertausenden Treffern und sei noch so ausgewogen. Momentan wird das Problem durch die Ermittlung eines Relevanzfaktors (ein Problem für sich) angegangen, um die Treffer in eine für den Benutzer vermeindlich sinnvolle Reihenfolge bringt. Es ist beileibe kein triviales Problem aus tausenden Seiten, sei es händisch oder automatisch, die ersten 10, 20 max. 30 Plätze sinnvoll und ausgewogen zu belegen. Außerdem stellt sich die Frage ob dem Benutzer mit Neutralität in jedem Falle überhaupt gedient ist, denn wie soll die Suchmaschine nach Eingabe eines Suchbegriffes entscheiden, ob gerade nach einem aktuellem Anlass gesucht wird oder ein Überblick über das Thema gewünscht ist.

Bisher richtet sich der Inhalt der Trefferlisten nicht nur ausschließlich nach dem vorhandenem Datenbestand, sondern hängt in hohem Maße von den Suchanfragen anderer Benutzer und deren Entscheidung einem Verweis durch Anklicken zu folgen ab. Anders ausgedrückt, die Benutzer bestimmen in nicht unerheblichen Ausmaß die Relevanz eines Beitrages, vollkommen unabhängig davon ob er objektiv sachlich tatsächlich relevant ist. Das Verhalten dürfte aber alles andere als neutral und ausgweogen sein. Soll diese Funktionalität per Gesetz verboten werden?

Gedankensplitter

Die Politik, u.a. getrieben durch die Verlage mit ihrem Leistungsschutzrecht, hat speziell Google schon seit längerem im Visier und möchte es irgendwie regulieren und mit Auflagen einhegen, nur wissen sie offenbar nicht so recht wie. Was mich an dieser Diskussion lange wundert ist, daß bisher ein zentraler Begriff dabei noch nicht ins Spiel gebracht wurde — zumindest habe ich es bisher nicht mitbekommen —: Grundversorger. Die überwiegende Mehrheit der Benutzer verwendet Google als Suchmaschine, es ist schon fast zu einem Synonym für Internet geworden. Weltweit sucht man nicht, sondern man googelt. Was Google nicht findet ist quasi inexistent. Dies alles zeugt von der überragenden Bedeutung von Google für das Auffinden von Information. Weite Teile der Bevölkerung würden nicht mal ihre Hauspostille für die täglichen Nachrichten ohne Google finden (wie oft habe ich schon gesehen, daß http://www.Beispiel.de/ in das Eingabefeld von Google getippt wurde, um eben auf die Seite zu gelangen). Google erfüllt somit alle Kriterien eines Grundversorgers, so wie die Wasser- und Stromversorger. Erklärte man Google zum Grundversorger — sicherlich eine Horrorvorstellung von Google, ein Google-GAU —, hätte man schlagartig umfangreiche Möglichkeiten regulierend einzugreifen, aber dazu gibt es (noch?) keine Diskussion, nicht mal ablehnende Haltungen habe ich gehört. Sieht man die Möglichkeit nicht oder stecken andere Gründe dahinter?

Fazit

Meine Überlegungen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, zeigen aber hoffentlich deutlich, auf welch riesige geneigte Glatteisfläche sich jeder begibt, der die Forderung von Objektivität und Neutralität von Suchmaschinen gesetzlich regeln möchte. Aber als strebsamer und anpassungsfähiger Immigrant in Neuland wird Hr. Oettinger dies alles sicherlich vor seiner Aussage durchdacht gehabt haben, um alle konkreten Fragen zum Thema möglichst nichtssagend beantworten zu können.

Was ich mir wünsche? Natürlich neutrale und objektive Suchmaschinen! 😉

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