Lebenszeitverlängerung durch Homöopathie (Teil 2)

Ich habe inzwischen mal die zum Vortrag von Dr. Frass passende Veröffentlichung [1] quergelesen. Ausgangspunkt der retrospektiven Studie bilden die Krankenakten von 538 Tumorpatienten aus den Jahren 2004-2008 des Uniklinikums Wien, als Gruppe 1 bezeichnet. Von diesen wurden die ausgewählt, die in der Zeit neben der konventionellen Krebstherapie mindestens drei homöopathische Behandlungen hatten. Übrig blieben 287 Patienten, die als Gruppe 2 bezeichnet werden. Davon wurden alle Patienten mit fataler Diagnose, aber unter Ausschluss von Kindern und Patienten mit unvollständigen Daten, ausgewählt. Außerdem mussten zu jeder Tumorart mindestens Daten von fünf Patienten vorliegen. Die hiernach verbliebenen 54 Patienten bilden die Gruppe 3.

Welche Bedeutung kommt der Gruppeneinteilung zu? Keine! Es handelt sich dabei auch nicht um eigenständige Gruppen, sondern um voneinander abgeleitete Teilmengen. Es werden zwar ein paar statistische Daten, wie z.B. der Altersdurchschnitt, berechnet, jedoch haben diese keine Ausagekraft, da die Patienten im Verlauf der Studie nicht mehr auftauchen. Untersuchungsgegenstand sind nur die Daten der 54 Patienten aus Gruppe 3, verteilt auf 6 verschiedene maligne Erkrankungen. Wobei für die Auswertung das Lugenkarzinom in zwei Untergruppen, mit 7 und 3 Patienten (man hat keine Scheu Statistik mit drei Meßpunkten zu treiben!) aufgeteilt wird, die in der Präsentation aber wieder zusammengefasst werden.

n Karzinome erwartete ÜLZ
in Monaten
7 GBM (glioblastoma IV Grade IV) 13
8 MRCC (metastasized renal cell carcinoma) 35
16 MSARC (metastasized sarcoma) 12
5 CCC (inoperable cholangiocellular cancer) 10
8 PC (pancreatic cancer) 8 bzw. 22
7 NSCLC (non-small-cell lung cancer stage III and IV) 10 bzw. 15
3 SCLC (small-cell lung cancer) 10 bzw. 16

Eine Kontrollgruppe von Patienten ohne hoöopathische Behandlung wurde nicht gebildet. Wozu auch, Homöopathie wirkt doch, was braucht man da noch eine Kotrollgruppe. Die tatsächliche Überlebenszeit (ÜLZ) der Patienten ergab sich aus den Krankenakten, die Erwartete wurde getrennt für jede Tumorart durch eine Literaturrecherche ermittelt. Daher ist diese innerhalb einer Tumorart für alle Patienten weitgehend identisch. Darüberhinaus war nicht sichergestellt, daß die konventionelle Therapie der 54 Patienten aus der untersuchten Gruppe mit der der Patienten, welche die Grundlage der erwarteten ÜLZ aus der Literatur bilden, übereinstimmt. Es werden also zwei nicht vergleichbare Gruppen miteinander in Beziehung gesetzt und dann wird die Schlussfolgerung gezogen, daß mögliche Unterschiede auf die Homöopathie zurückzuführen sind. Außerdem liefern statistische Tests (hier: Wilcoxon-Test) bei den geringen Fallzahlen (3-16) sowieso keine brauchbaren Aussagen und damit sind ermittelte Signifikanzniveaus ebenfalls substanzlos. Auch habe ich erhebliche Bauchschmerzen die Daten als zwei gepaarte Stichproben zu betrachen, wie sie für die Verwendung des Wilcoxon-Tests Voraussetzung sind.

Jedenfalls ist es höchst unseriös, hier vor möglichen zukünftigen Patienten eine verlängerte Überlebenszeit durch eine begleitende homöopathische Therapie zu postulieren. Das ist nichts weiter als Bauerfängerei. Im Grunde sind sich die Autoren dessen sogar bewusst, denn sie schreiben in der Diskussion

It is not possible to assume that the potential effects of homeopathic treatment are more or less helpful for specific cancer entities.
[…]
However, an advantage of this data collection was to provide an overview of seven different cancer types, and findings show a continuously positive correlation between the number of homeopathic consultation and reached survival time.
[…]
As this was a retrospective analysis, findings may not be replicated using a prospective methodology.

Auch eine mögliche (positive) Korrelation der ÜLZ mit der Anzahl der homöopathischen Behandlungen erlaubt eben keine Aussage über die Wirksamkeit der homöopathischen Begleittherapie. Sie begehen hier den üblichen Fehlschluss eine bestehende Korrelation als Kaussalität zu interpretieren. Betten wären demnach lebensgefährlich und gehörten verboten, denn es gibt eine sehr starke Korrelatlion zwischen Todesfällen und Bettbenutzung. Auf dieser Webseite, die zwar nichts mit Homöopathie zu tun hat, kann man sich selbst davon überzeugen. Dort werden allerlei Unsinnskorrelationen (bspw. die Korrelation nicht-kommerzieller Raumflüge mit Soziologiepromotionen) gesammelt.

Abschließend noch ein Vergleich der Datenpräsentation, auch wenn ich die Darstellung in diesem Falle an und für sich für Unsinn halte, nach Dr. Frass mit den Daten aus der Veröffentlichung. Wie ich bereits im ersten Teil sagte steht dem scheinbaren Anstieg kein Parameter gegenüber und wird nur durch die Sortierung der Daten optisch erzeugt. Es könnte sein, daß die sortierte Darstellung eine Folge der statistischen Analyse ist, denn bei dem verwendeten Wilcoxon-Test wird eine Rangfolge erstellt. Daher könnte es sein, daß die Daten im verwendeten Excel zunächst entsprechend sortiert wurden.

Allerdings ergeben sich bei Verwedung der Originaldaten, sortiert nach der erreichten Überlebenszeit durchaus Unterschiede zu den von Dr. Frass präsentierten Grafiken. Bei den Glioblastomen wurde ein Fall weggelassen, beim Bronchialkarzinom stimmt zwar die Anzahl der Patienten aber die erreichten Überlebenszeiten weisen erhebliche Abweichungen auf. Offensichtlich wollte man tatsächlichen einen glatten, kontinuierlichen Verlauf, von was auch immer, präsentieren.

Grafikvergleich Glioblastomtompatienten

Gegenüberstellung der im Vortrag von Dr. Frass präsentierten Grafik (links) mit einer aus den veröffentlichten Daten (rechts) erstellten für Glioblastompatienten.

Grafikvergleich Bronchialkarzinopatienten

Gegenüberstellung der im Vortrag von Dr. Frass präsentierten Grafik (links) mit einer aus den veröffentlichten Daten (rechts) erstellten für Bronchialkarzinompatienten.

Für die Zukunft kann man nur dazu raten jede Aussage von Dr. Frass mit äußerster Vorsicht zu behandeln.

Literatur:

  1. Additive homeopathy in cancer patients: Retrospective survival data from a homeopathic outpatient unit at the Medical University of Vienna. Gaertner K., Müllner M., Friehs H., Schuster E., Marosi C., Muchitsch I., Frass M., Kaye A. D. Complement. Ther. Med. 2014, 22 (2): 320-332, DOI: 10.1016/j.ctim.2013.12.014, PubMed #24731904

3 Kommentare

  1. […] durech Homöopathie Teil 2, Feuerwächter am 15. Mai […]

  2. […] Vorteilen einer begleitenden Therapie mit Homöopathie war hier bereits zweimal Thema (Teil 1, Teil 2). Heute nun geht es um eine Tabelle mit p-Werten aus dem Vergleich der Gruppen mit und ohne […]

  3. […] diese Arbeit in einem Vortrag darstellt, kann man auf Feuerwächters Blog nachlesen, hier der Link. Danke, Dottore, für den […]

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