Lebenszeitverlängerung durch Homöopathie

Auffallend in den letzten Jahren ist die Hinwendung der Homöopathen zu ernsthaften Erkrankungen, bei denen eine Fehlbehandlung gravierende Folgen für den Patienten hat. So auch Prof. Dr. med. Michael Frass von der Universität Wien. Auf der Tagung „Science meets Homoeopathy in Berlin“ veranstaltet von Dr. med. Irene Schlingensiepen. Als Gastredner auf der Abendveranstaltung „Homöopathie für Skeptiker“ am 7. März (siehe auch „Der homöopathische Tischler“) stellte Dr. Frass seine „Studienergebnisse“ zum Befinden von Krebspatienten mit und ohne homöopathische Begleitbehandlung vor¹. Dort zeigte er dem Laienpublikum u.a. Grafiken zur Lebenserwartung von Bronchialkrazinom- und Glioblatompatienten, ohne diese jedoch intensiv zu erläutern. Seine Darstellungen kann man nur noch als perfide Manipulation bezeichnen.

Überlebenszeit von BronchialkarzinompatientInnen nach Prof. Dr. med. Michael Frass

Überlebenszeit von BronchialkarzinompatientInnen nach Prof. Dr. med. Michael Frass. Abfotografierte Leinwandprojektion während eines Vortrags.


Überlebenszeit von GlioblastompatientInnen nach Prof. Dr. med. Michael Frass

Überlebenszeit von GlioblastompatientInnen nach Prof. Dr. med. Michael Frass. Abfotografierte Leinwandprojektion während eines Vortrags.


Auf den ersten Blick sieht es beeindruckend aus, wie die Überlebenszeit ansteigt, doch was steigt da überhaupt an? Nichts! Die Höhe der Balken (Y-Achse) spiegelt die Überlebenszeit in Monaten wieder, doch die X-Achse ist eine reine Kategorienachse. Jeder Patient steht für sich selber und, außer durch die Erkrankung, in keinem Zusammenhang mit den anderen Patienten. Ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen der Überlebenszeit eines Patienten, mit der eines Anderen bei einer Erkranung wäre dann doch sehr verwunderlich. Hier wurden einfach die Patienten nach der Höhe der tatsächlichen Überlebenszeit sortiert aufgetragen. Das Ergebnis ist ein optisch eindrucksvoller Anstieg, der allerdings in der Realität inexistent ist, da ihm kein Parameter zu Grunde liegt.

Der zweite Punkt spiegelt den üblichen Unsinn der Homöopathen wieder. Man erinnere sich, es geht um den Vergleich des Befindens von Patienten mit und ohne begleitende Homöopathietherapie. Doch was wird in den Darstellungen einander gegenübergestellt? Die erwartete Überlebenszeit des jeweiligen Patienten mit der tatsächlichen Überlebenszeit desselben Patienten. Einzig relevant in diesem Zusammenhang wäre jedoch ein Vergleich der Überlebenszeiten der Patienten mit und ohne homöopathische Begleittherapie, nur wird die nirgends aufgezeigt (Warum wohl?). Er machte noch nicht einmal Angaben, auf welcher Grundlage die erwartete Überlebenszeit überhaupt ermittelt wurde, aber die Ursache der Lebenszeitverlängerung war selbstverständlich die homöopathische Begleittherapie.

Was Dr. Frass hier dem Publikum vorgesetzt hat, hat mit Wissenschaft nichts mehr zu tun und führt es in die Irre. Zu bemerken ist noch, daß Dr. Frass durch sein sicheres, fast (groß-)väterlich-weises Auftreten und seine ruhige Ausstrahlung überaus vertrauenerweckend ist.


1 Von Prof. Dr. med. Michael Frass angegebene Quelle:
Prospective, controlled study evaluating global health status and subjective well-being of cancer patients with or without add-on classical homeopathic therapy. M. Frass, H. Friehs, N. K. Sohal, C. Marosi, G. Kornek, C. Thallinger, I. Muchitsch, K. Gärtner, E. Schuster, C. Zielinski.
Division of Oncology, Dept. Internal Medicine I, Medical University Vienna; and Interdisciplinary Homeopathic Research Group (IHAK), Austrian Chamber of Phamacists; both Vienna, Austria

Dazu passt die kürzlich erschienene Veröffentlichung:
Additive homeopathy in cancer patients: Retrospective survival data from a homeopathic outpatient unit at the Medical University of Vienna. Gaertner, K., Müllner, M., Friehs, H., Schuster, E., Marosi, C., Muchitsch, I., Frass, M., Kaye, A. D. Complement. Ther. Med. 2014, 22 (2): 320-332, DOI: 10.1016/j.ctim.2013.12.014, PubMed #24731904

7 Kommentare

  1. […] Auch darüber schreibt heute der Feuerwächter: […]

  2. Dr. Edmund Berndt sagt:

    Ein klassischer Fall der Publikumstäuschung.
    Ich sehe hier nur eine Statistik mit 5 (in Worten fünf)Positionen.
    Mit solchen Statistiken kann ich jeden Aberglauben und natürlich auch den medizinischen Aberglauben Homöopathie rechtfertigen.
    Robert Musil hielt eine Abhandlung zur höheren Dummheit. Darin hielt er unter anderem ferst, dass sich die höhere Dummheit alle Kleider der Wahrheit anziehen kann, aber der Wahrheit pass immer nur ein Kleid.

    Charisma hat Prof. Frass ohne jeden Zweifel.
    Ich empfehle Herrn Prof. Frass nicht versehentlich, so wie ich das gemacht habe im E-Mail, zu duzen. Das störte offenbar sein Charisma und seine Anwältin forderte dann von mir eine Unterlassungserklärung und auch noch Kosten.
    Das Image des Aberglauben ist sehr empfindlich aus atmosphärische Störungen.

  3. Ich hab’ mir mal kurz die original Veröffentlichung angesehen. Grausamer Unsinn. Das Ganze beruht auf 54 Patienten, verteilt über sieben Tumore ohne Kontrollgruppe, erwartete ÜLZ aus Literaturangaben, alerdings bei anderer Therapie, aber die Homöopathie hebt die ÜLZ und seine Bronchialkarzinomgrafik als geschönt zu bezeichnen wäre gelobt. Ich bringe dazu demnächst noch etwas.

  4. […] habe inzwischen mal die zum Vortrag von Dr. Frass passende Veröffentlichung [1] quergelesen. Ausgangspunkt der retrospektiven Studie […]

  5. […] angeblichen Vorteilen einer begleitenden Therapie mit Homöopathie war hier bereits zweimal Thema (Teil 1, Teil 2). Heute nun geht es um eine Tabelle mit p-Werten aus dem Vergleich der Gruppen mit und ohne […]

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