Presserettung

Hinter einer zunächst unscheinbaren Meldung unter dem Titel „Kauder stellt Hilfe für Erhalt der Zeitungslandschaft in Aussicht“ könnte weitaus mehr stecken, als man auf den ersten Blick vermutet, wenn man die Nachricht im Zusammenhang mit Anderen sieht.

Kauder will der sterbenden Zeitungslandschaft in Deutschland unter die Arme greifen, ohne aber konkrete Pläne zu nennen, woher as Geld kommen soll.

In einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ (Freitag-Ausgabe) sagte Kauder, „zum unverzichtbaren Kulturgut in Deutschland“ gehörten Zeitungen und Zeitschriften, wie auch Rundfunk, Fernsehen und Online-Angebote „tatsächlich dazu“. Es gebe in Deutschland wie in kaum einem anderen Land eine bunte und attraktive Presselandschaft.
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Diese Presselandschaft mit ihren vielen Regionalzeitungen ist insbesondere für die ländlichen Räume wichtig. Das müssen wir bewahren.
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Deshalb müsse sich die Politik heute „mehr denn je fragen, was wir tun können, um die Presselandschaft zu erhalten“, betonte Kauder. Dabei stellte er politische Hilfsmaßnahmen in Aussicht. „Da sind aber auch die Verleger gefragt. Und zwar mit sinnvollen Vorschlägen und nicht mit Vorschlägen wie einer Subventionierung des Zeitungsaustragens über die Sozialversicherung.“ Dieser Vorschlag war im Rahmen der Debatte um den grundsätzlichen Mindestlohn zeitweilig diskutiert worden. „Ich denke, wir werden darüber aber jetzt ins Gespräch kommen“, stellte Kauder in Aussicht. Staatliches Geld werde es aber keinesfalls für den Erhalt der Zeitungslandschaft geben. „Staatliches Geld für die unabhängige Presse wäre ja ein Widerspruch in sich.

Wie genau sich Kauder nun die finanzielle Unterstützung der Presselandschaft vorstellt lässt sich nicht sagen, aber wenn es kein staatliches Geld sein soll, muss es aus einer anderen Quelle kommen. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine vorgebliche staatsferne aus der Finanzierung über Beiträge legitmimiert, wäre daher zukünftig ein „Gebühreneinzug Zeitungen“ (GEZ) durchaus denkbar. Das ist weitaus weniger abwegig als es sich zunächst anhört, denn in NRW arbeitet die rot-grüne Landesregierung auf eine Gesetzesänderung hin, um unter dem Dach der Landesmedienanstalt, also finanziert aus den Rundfunkgebühren, eine Journalisten-Stiftung zu errichten, die auch der Förderung von Printmedien dienen soll (FAZ, Preußische Allgemeine).

Weiterhin ist es in gewissem Sinne unrichtig, daß es für die Zeitungsbranche keine staatlichen Gelder geben soll, denn sie wurde bereits vor Kurzem durch einen Nachlass auf abzuführende Sozialleistungen mit 135 Millionen Euro subventioniert, damit sie von dem Mindestlohn nicht allzu stark gebeutelt wird.

Nahles zufolge bekämen die Zeitungen und Anzeigenblätter dadurch etwa 60 Prozent ihrer Mehrkosten durch den Mindestlohn erstattet.
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Der BDZV hatte argumentiert, durch die Umstellung auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde entstünden Mehrkosten von 225 Millionen Euro.

Selbstverständlich ist davon auszugehen, daß die enge Beziehung zwischen der Axel-Springer Eigentümerin Friede Springer und Angela Merkel in keinem Zusammenhang mit der Subventionierung steht. Einmal mehr möchte die Politik einfach nur eine sterbende Branche, deren Produkte immer Weniger kaufen wollen, aus rein altruistisch-kulturhistorischen Gründen zwangsalimentieren. Der einzelne Bürger kann seine finanziellen Nöte durch Engagement, Eigenverantwortung und Flexibiltät lösen, für Verlage wäre eine solche Forderung jedoch unverantwortlich. Auf die Idee, daß einseitge Hofbericherterstattung, strikte Vermeidung von sachlichen Analysen und eigenen Recherchen (unter Recherche verstehe ich mehr als nur Twitter durchsehen und Meldungen von Presseagenturen abschreiben) die Ursache für die Unattraktivität der Produkte sein könnte, wird nicht im Entferntesten in Erwägung gezogen. Eigentlich fehlt jetzt nur noch das für die Bankenrettung benutzte Argument der „Systemrelevanz“, was in diesem Falle durchaus ein gewisse Berechtigung hätte. Die Politik hat so ihre liebe Not mit der unkontrollierbaren Meinungsfreiheit in Blogs, ihr sind naturgemäß größere Einheiten die leichter steuerbar sind, lieber, wie bereits Alt-Bundeskanzler in seinem Bonmot „Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS und Glotze.“ überaus treffend zum Ausdruck gebracht hat.

Es ist sicherlich auch reiner Zufall, daß in der von Friede Springer im Jahre 2011 mit 80 Millionen Euro gegründeten Stiftung, der „friede springer stiftung“, neben Horst Köhler, Christoph Markschies, Eric Schweitzer auch der Professor für physikalische und theoretische Chemie von der Humboldt-Universität zu Berlin, Joachim Sauer, Mitglied im Kuratorium ist. Offenbar ist Herr Sauer in seiner Rolle als Chemieprofessor und Ehemann von Fr. Merkel nicht ausgelastet. Außerdem kommt langsam das Rentenalter in Sicht, da will man schließlich abgesichert sein. Die förderungswürdigen Ziele dieser Stiftung sind wenig überraschend:

Die Friede Springer Stiftung betreibt

  • die Förderung wissenschaftlicher, künstlerischer und kultureller Projekte
  • das Abhalten von Veranstaltungen und Symposien mit wissenschaftlichem, künstlerischem, kulturellem und erzieherischem Bezug
  • die Gewährung von Stiftungsprofessuren und Stipendien
  • die Förderung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben

  • die Unterstützung von Konzeptentwicklungen, Modellversuchen sowie Lehr- und Beratungsinstituten
  • die Förderung schulischer Maßnahmen, des Schüleraustauschs und die Förderung der Kunsterziehung

Nach dem Wunsch und der Vorstellung der Stifterin bekennt sich die Friede Springer Stiftung zu folgenden Grundsätzen:

  • Förderung des unbedingten Eintretens für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas
  • Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes
  • Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika
  • Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus
  • Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft

Abgesehen von der transatlantischen Beziehung die uns gerade mächtig auf die Füße fällt, darf man sich schon die Frage stellen, ob eine Stiftung deren Inhaberin für Revolverblätter wie Bild, B.Z. usw. verantworlich ist, wirklich die geeignete Person ist, Bildungsprogramme zu fördern, denn wenn diese ihren Zweck erreichen würden, würde Friede ihr eigenes Verlagsimperium kannibalisieren und das will sie bestimmt nicht. Und liebe Friede, bloß weil einem ein Dr. h.c. angehangen wurde, den ma sich womöglich vorher gekauft hat, heißt das noch lange nicht, daß man etwas von Bildung und Kultur versteht.

Mit einigen anderen, kleineren Vorkommnissen, die sich gezielt gegen Blogger (z. B. hier) richteten, könnte in diesem größeren Zusammenhang gesehen, auch das Leistungsschutzrecht (LSR), welches offiziell gegen Google gerichtet ist, langfristig doch eine andere Funktion haben, nämlich die der Beseitigung von Störfeuer aus Bloggerkreisen.

Es ist offensichtlich, daß die sogenannte „Vierte Gewalt“ im Staat ihrer Aufgabe genauswenig gerecht wird, wie die Bundesregierung und man daher beschlossen hat die Gewaltenteilung zum gegenseitigen Nutzen und zum Schaden des Volkes vollends aufzuheben.

Nachtrag 29.07.2014:
Passend zum oben geschilderten Szenario noch eine Meldung aus Spanien. Dort wurde anscheinend ein Gesetz beschlossen, welches bereits geringfügige Textzitate bis hinab zu bloßen Hyperlinks unter den Schutz des Urheberrechts stellt, bei dessen Verletzung Strafen bis zu 300.000 € oder sechs Jahre Haft drohen. Irrwitzig auch die Idee, daß Universitäten je Student pauschal 5,- € „präventiven Schadenersatz“ selbst für Inhalte die unter der Creative-Common-Lizenz stehen abführen sollen. Die Folgen einer solchen Gestzgebung sind schwerwiegend. Die Verlage werden untereinander entsprechende Verträge auf Gegenseitigkeit — wie beim Peering im Internet — abschließen, alle anderen bleiben außen vor, weil sie sich die Lizengebühren nicht leisten können. Eine solche Regelung kollidiert zumindest in Deutschland aktuell sowohl mit dem Zitatrecht, als auch mit der per Grundrecht geschützten Wissenschaftsfreiheit, da eine kritische Auseinandersetzung verunmöglicht wird. Nur zur Ergänzung, das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit kann jeder für sich in Anspruch nehmen, der wissenschaftlich arbeitet. Hierzu ist weder eine akademische Ausbildung, noch eine Anstellung an einer Universität Voraussetzung. Der Sinn der Regelung ist daher meines Erachtens ganz eindeutig der Ausschluss unliebsamer, unkontrollierbarer Wettbewerber um die Aufmerksamkeit der Leser bei der Meinunsgbildung, also der Auschluss von allen Blogs, die mehr als Katzenbilder zeigen. Für Politik und Verleger stellt diese Regelung eine echte Win-Win-Situation dar.

Das wird auch von anderer Stelle ähnlich gesehen

Der Zeitungsverlegerverband AEDE nannte das Gesetz den “wichtigsten Schritt, den jemals eine spanische Regierung zum Schutz der Presse unternommen hat”, wie die spanische ABC berichtet. Der Präsident des Verbandes, Enriquez, fügte demnach hinzu: “Ich bin überzeugt, dass die übrigen Länder in Europa uns auf dem jetzt eingeschlagenen Weg folgen werden.”

Der Jubel der Verleger ist nachvollziehbar und man kann nur hoffen, daß es in anderen europäischen Ländern Initiativen geben wird, die ein Nachziehen verhindern werden. Der feuchte Traum deutscher Verlagshäuser ist es allemal.

Die politische Absicht ist schwer zu verkennen: Die vielen Blogs und alternativen Medien, die in den vergangenen Jahren praktisch überall auf der Welt entstanden sind, sind den meisten Regierungen ein Dorn im Auge: Sie setzen auf die aus ihrer Sicht beste Form, auf Staatssender oder sogenannte öffentlich-rechtliche Sender. Dieser Sender verdienen ihr Geld nicht aufgrund ihrer Leistung, sondern dank einer staatlichen Zwangsgebühr (GEZ, heute Rundfunkbeitrag in Deutschland). Um die Qualität der Berichterstattung sicherzustellen, beaufsichtigen die Politiker die staatlichen Medien.
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Im Fall der Regulierung des Internets hoffen Regierungen, Staatssender und Verlage, dass die klassischen Medien dank ihrer bekannten Marken automatisch erste Anlaufstellen für die News-Konsumenten werden.

Meine Rede, es geht gar nicht in der Hauptsache um Google, es geht um die Rückgewinnung der Meinungs- und Deutungshoheit durch Verleger und Politiker. Bereits heute kommt ein erheblicher Teil kritischer Berichterstattung (Leaks, Plagiataufdeckung, Analysen, Polizeigewalt etc.) aus der Bloggosphäre. Deshalb beaufsichtigen und beeinflussen Politiker die Medien in ihrem Sinne und nicht im Hinblick auf eine Meinungspluralität, denn nur so können Denk- und Sprechverbote („Sprachregelungen“) im Sinne einer wie auch immer gearteten politival correctness wirkungsvoll durchgesetzt werden!

Im Grunde droht hier eine unsichtbare Teilung des Internet. Auf der einen Seite die Verlagsmedien, die zwar Inhalte von Blogs aufgreifen, aber einen Hyperlink dorthin schon heute scheuen, wie der Teufel das Weihwasser („Blogger haben herausgefunden“) und auf der anderen Seite die Bloggosphäre, bei der es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer stärkeren Vernetzung kommen wird. Ich bezweifele aber, das die Verleger dadurch tatsächlich in der Lage sein werden die Leser in Scharen zurückzugewinnen, denn schließlich sind die Leser abgewandert weil sich die Qualität der Inhalte im freien Fall befindet. Aus welchem Antrieb sollten die Leser auf Grund der Gesetzesänderung zurückfinden? Den reinen Leser betrifft es nicht, er kann nach wie vor beides konsumieren und er wird dorthin wandern, wo er für sich einen Mehrwert entdeckt. Aus Sicht der Verleger müsste eigentlich die Bloggosphäre wenn schon nicht gleich geschlossen — man ist ja für Meinungsfreiheit —, so doch stark besteuert werden.

3 Kommentare

  1. […] so ganz neu, dazu hatte ich hier im Blog vor gut einem Jahr einen längeren Artikel unter dem Titel Presserettung. Volker Kauder hat die Überlegung gäußert der darbenden Zeitungsbranche („unverzichtbares […]

  2. […] „unverzichtbaren Kulturguts“ (Volker Kauder) herum und die Landesregierung von NRW hatte eine Mittelzweckentfremdung für die Schreiberlinge im Sinne. Vielleicht sollte man auch für das Bloggen kostenpflichtige und […]

  3. […] Entourage. Nun soll also eine weitere Stiftung hinzukommen, diesmal für Journalismus. Neu ist dieser Vorschlag nicht, man arbeitet nach dem Prinzip steter Tropfen höhlt den Stein. Schon seit Jahren geistert die Idee […]

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