Der Millionenkandidat

Es ist immer wieder erstaunlich, als wie wenig lernfähig sich Politiker erweisen, denn das Verhalten von Steinbrück erinnert immer mehr an das des Schnorrers Christian Wulff, nur daß Peer Steinbrück die deutlich bessere Hand in finanziellen Angelegenheiten gezeigt hat. Durch sein Herumlawieren in Verbindung mit merkwürdigen Erklärungen vermittelt er permanent das Gefühl nur die unwesentliche Hälfte der Geschichte erzählt zu haben. Gerade so kurz nach dem unsäglichen Christian Wulff hätte Steinbrück vorgewarnt sein müssen.

Beispielsweise lehnt er die Veröffentlichung seiner Steuererklärung mit der Begründung ab, er werde mit seiner Frau zusammen veranlagt. Hier versteckt er sich wohl hinter dem Recht auf Privatsphäre seiner Ehefrau. Man kann wohl davon ausgehen, daß die Steuererklärung per EDV erstellt worden ist, die mit Sicherheit einen separaten Ausdruck für den jeweiligen Ehepartner erlaubt. Interessant zu wissen wäre es auch, ob seiner Ehefrau die Privatsphäre ihrer Steuererklärung tatsächlich soviel wert ist, daß sie es riskiert, daß ihr Ehemann nicht Bundeskanzler wird. Oder handelt es sich vielleicht nur um ein vorgeschobenes Argument um weitere Einkünfte zu verschleiern? Dies könnte dann der Fall sein, wenn seine Ehefrau bspw. eine kleine, lukrative Event-Agentur hätte, welche Redner zu finanzpolitischen Themen vermietet… Firmen auf den Namen der Ehefrau anzumelden ist legal und keine Seltenheit. Dementsprechend scheinheilig wirkt daher auch sein Statement zu der Veröffentlichung von Nebeneinkünften:

Steinbrück forderte die Koalition auf, den Weg für strengere Regeln zur Offenlegung von Nebeneinkünften frei zu machen. Er schlage vor, die Transparenzregeln des Bundestages so zu verschärfen, dass alle Abgeordnete auf Heller und Pfennig angeben müssten, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt worden seien.

Auch Steinbrück dürfte bekannt sein, daß es nicht ganz so einfach geht, denn wie soll bei Rechtsanwälten ohne Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht verfahren werden? Und wie vereinbart sich diese Forderung mit seiner Weigerung seine Buchhonorare zu veröffentlichen? Auch hier kommt wieder ein Scheinargument. Er könne es nicht genau sagen, da an einem Buch der Co-Autor Helmut Schmidt beteiligt gewesen sei. Er wird doch wohl wissen, wieviel an ihn geflossen ist oder anders ausgedrückt, wieviel hat er denn dem Finanzamt gegenüber angegeben?

An anderer Stelle hat Steinbrück durchblicken lassen, daß er nicht geglaubt habe nochmal eine größere Rolle zu spielen. Das mag durchaus sein, aber schließlich ist er immer noch (einfacher) Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Fühlte er sich derart unterbeschäftigt? Wie dem auch sei, seine Aussage ist dem Wähler gegenüber eine bodenlose Frechheit. Auch wäre zu klären in welcher Funktion er diese Vorträge eigentlich gehalten hat. Wenn er sie als Abgeordneter oder Parteifunktionär, der er ja auch noch ist, gehalten hat, dann wären sie Teil seiner Arbeit gewesen und hätten somit unentgeltlich sein müssen. Hat er sie als Privatmann gehalten stellt sich die Frage woher er die Zeit genommen hat, neben seiner Vollzeitbeschäftigung (!) als Abgeordneter noch diese Zahl an Vorträgen zu halten, denn zu der reinen Redezeit von 1-2 Std. kommen noch Vorbereitung (oder hat er seine Vorträge schreiben lassen?) sowei An- und Abfahrt.

Weiterhin hätte Steinbrück klar sein müssen, daß die Honorare nicht für die Inhalte seiner Reden gezahlt werden, sondern für ihn als Person, den MdB und Ex-Finanzminister. Selbstverständlich wird man deshalb auch früher oder später eine Gegenleistung einfordern. Allein dadurch, daß man sich gegenseitig kennt, kann ein Vorteil erwachsen in dem man leichter Zugang zu ihm hat. Die Mechanismen der Macht sind subtil. Gerade auch weil Banken in den letzten Jahren im Mittelpunkt der Politik standen, musste Peer Steinbrück davon ausgehen, daß diese Kontakte nicht unbedingt altruistisch motiviert sein könnten.

Auch ist seit 2003 bekannt, daß Peer Steinbrück — damals Ministerpräsident — gerne kassiert, aber es mit seinen Pflichten alles andere als genau nimmt:

Zwar ließ sich Steinbrück in den Gremien des Aufsichtsrats der WestLB oft von seinem Staatssekretär Harald Noack vertreten. Zu den Sitzungen des Kredit-ausschusses, der Darlehen ab 25 Millionen Euro absegnet, erschien er kein einziges Mal. Trotzdem kassierte der heutige Ministerpräsident für die Gremientätigkeit die volle Aufwandsentschädigung. Seit 1998 überwies ihm die WestLB pro Jahr 25000 Mark: Als Verwaltungsrat erhielt er 10000 Mark, als Präside 5000 und als Kreditaufseher 10000 Mark.

Ein aus öffentlichen Geldern finanzierter Staatssekretär erledigt Steinbrücks Arbeit und Steinbrück kassiert, das ist nichts weiter als Bereicherung! Abgesehen von dieser Tatsache, ist das ganze System der Ämterhäufung höchst fraglich, lädt es doch geradezu zu Vetternwirtschaft und Korruption ein.

Peer Steinbrück mag es schmeicheln gefragt zu sein und auch noch fürstliche Honorare zu erhalten, aber als vertrauenswürdigen Abgeordneten oder gar als Bundeskanzler disqualifiziert ihn sein Verhalten eher. Von einem Abgeordneten erwartet man Integrität, unabhängiges, transparentes Handeln und Konzentration auf seine Aufgabe als Abgeordneter. Man wird in dieser Funktion nicht Millionär, aber so schlecht ist das Einkommen nicht, als daß man auf etliche Nebeneinkünfte angewiesen ist. In meinen Augen mißbraucht er seine privilegierte Stellung als MdB zum Zwecke der persönlichen Bereicherung. Das andere Abgeordnete ein ebensolches Tun an den Tag legen ist keine Entschuldigung, sondern beweist nur, daß das Mißtrauen welches Politikern inzwischen entgegen schlägt, zutiefst berechtigt ist.

Für meinen Geschmack wird die ganze Causa Steinbrück immer merkwürdiger, nicht nur auf Seiten von Steinbrück. Was private Banken mit ihrem Geld machen, ist zunächst einmal deren Sache bzw. die der Eigentümer, meist also Aktionäre. Bei Einrichtungen der öffentlichen Hand sieht das aber ganz anders aus. Hier verwundert es, daß die Verantwortlichen bei den überschuldeten Bochumer Stadtwerken freie Hand haben Honorare dieser Größenordnung für Vorträge, bei Steinbrück immerhin 25.000,- €, zu bezahlen. Selbst wenn mit dem jeweiligen Redner vereinbart wurde das Honorar einem gemeinnützigem Zweck zu spenden, stellt sich die Frage mit welcher Berechtigung die Stadtwerke Spenden verteilen, denn es hieß ja wohl nicht, daß die Spenden auch der Stadt Bochum zu Gute kommen mussten. Das Steinbrück sein Rekordhonorar nicht gespendet, sondern behalten hat, wird nun mit Kommunikationsproblemen zwischen den Stadtwerken und dem Veranstalter begründet. Normalerweise werden Verträge schriftlich geschlossen, insbesondere bei Beteiligung öffentlicher Einrichtungen. Entweder das Spenden war vereinbart oder nicht. Mündliche Nebenabreden bei derartigen Beträgen sind in diesem Kontext per se anrüchig. Wenn bei solchen Summen öfter Kommunikationsprobleme auftreten, könnte das die Verschuldung erklären. Daher sollten die Bochumer wirklich darauf dringen, daß die gesamte Praxis ihrer Stadtwerke durchleuchtet wird. Mal sehen was dort noch ans Licht kommt.

Nachtrag 05.11.2012:
Es geht schon weiter. Jetzt wird berichtet, daß auch Joachim Gauck, deutlich vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten, ebenfalls ein Redehonorar in Höhe von 25.000,- € erhalten hat. Ebenfalls ohne Auflage es zu spenden. Bochum scheint ein recht großzügiger Pleitier zu sein.

Weiterführendes:

4 Kommentare

  1. […] Peer Steinbrück stellt übrigens selbst ein ausgezeichnetes Beispiel für derart zweifelhafte Verhaltensweisen dar. […]

  2. […] sein ohne eines von Beiden zu vernachlässigen. Aber Peer Steinbrück hat es ihr ja mit seinen Vortragsreisen und dem Abgeordnetenmandat […]

  3. […] Immerhin stand hier ein Mann vor seinen Parteigenossen, der sonst von der Finanzbranche für mehrere Tausend Euro eingeladen wird, um Vorträge zu halten. […]

  4. […] umwehen keine Affären und nicht ein Hauch von persönlicher Bereicherung ist auszumachen — im Gegensatz zu Peer Steinbrück, mithin scheinen von ihr keine allzu derben Überaschungen zu […]

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