Ein Quäntchen Verstand bitte

Letztes Wochendene bin ich in die Wunderwelt des Umweltfestivals vor dem Brandenburger Tor in Berlin eingetaucht. Gefühlsmäßig erschien mir der diesjährige Schwerpunkt auf Dihydrogenmonoxid, gemeinhin auch als Wasser bezeichnet, zu liegen. Wenn man den diversen Anbietern von Filtersystemen glauben schenken darf, quellen aus bundesrepublikanischen Wasserhähnen alle Übel dieser Welt. Und an jedem filterfreien Tag drehen wir erneut den Hahn der Pandora auf.

Da werden Filtersysteme angeboten, die das Trinkwasser von Mineralien, Medikamentenrückständen, Hormonen, Chemikalien Pestidziden und weiß der Geier was noch alles befreien, aber lebenswichtige Mineralien im Wasser belassen. Bei der Homöopathie werden beim Potenzieren, vulgo verdünnen bis nichts mehr drin ist, dem Wasser angeblich nur die „Schwingungen“ aufgedrückt, die eine positive Wirkung auf den den menschlichen Organismus haben. Hier sind es nun die Wasserfilter, die hochselektiv nur die Stoffe durchlassen, die dem menschlichen Körper von Nutzen sind. Die Natur ist schon intelligent und kümmert sich geradezu herzzereißend um uns Menschen.

Mich überrascht immer wieder die kognitive Dissonanz ausgeprägter Grünlinge. Einerseits werden sie von einer fulminanten Wissenschafts- und Technikfeindlichkeit, wenn nicht sogar -paranoia, beherrscht, auf der anderen Seite werden aber die angeblich schädlichen Folgen wiederum mit vorgeblich hochtechnischen Produkten versucht zu bekämpfen. So auch beim nächsten „erwähnenswerten“ Produkt vom Stand der NaturSinn GmbH (Twitter @NaturSinn), dem Wasser2000-System. Dabei handelt es ich um ein ca. zwei Zigarettenschachteln großes Metallkästchen mit Klettband, welches einfach außen an das Wasserrohr gehangen wird. Vermutliche Energiequelle, das Universum, oder so. In dem am Stand verteilten Werbematerial liest sich das dann so:

Im Wasser2000-System sind die Original-Informationen, genauer gesagt die Schwingungsfrequenzen, von Quellwässern, Mineralien und Sauerstoff mit einem quantenphysikalischen Verfahren auf Trägerfolien gespeichert, vergleichbar mit Musik auf einer CD. Die Montage am Rohr erfolgt ohne Eingriff in das Leitungsnetz, ob in Wohnung oder Haus. Das an der Systemeinheit vorbeifließende Leitungswasser wird analog dem Resonanzprinzip, wie bei der Homöopathie angeregt, seine innere Struktur wieder wie bei einem Quellwasser zu ordnen. Die resultierenden Effekte, wie z.B. Kalkwandlung zeigen sich nachweislich in der Praxis.

Ohne Quanten geht heute gar nichts mehr. Können die armen, kleinen Quanten eigentlich wegen Rufschädigung klagen? Es muss deprimierend sein für alles verantwortlich gemacht zu werden. Auf der Webseite von Wasser2000 kennt man zwar schon die Schwingungsübertragung, aber man weiß noch nichts von Quanten, obwohl man das Wirkprinzip genauestens beschreibt:

Die Übertragungsapparatur arbeitet dabei mit verdichteter bzw. gebündelter Vakuumenergie (vgl. Erzeugung eines Laserstrahls durch gebündeltes Licht).

Ist das nicht gefährlich Vakuumenergeie einfach in einem so kleinen Kästchen zu verdichten? Vor allen Dingen, denkt denn niemand an die Kinder? Wenn die das Kästchen in ihrem Erkundungsdrang in ihre kleinen, niedlichen Händchen bekommen und öffnen, quilt ihnen womöglich lauter Nichts ins Gesicht oder schlimmer noch, werden sie gar von der Vakuumenergie in das Kästchen hinein gesogen. Das kann doch alles der Entwicklung nicht förderlich sein.

Dabei fällt mir ein, arbeitet die Homöopathie eigentlich auch mit Vakuumenergie? Immerhin gibt es ja Globuli mit Antimaterie und — Tusch — Vakuum. Ist das etwa nichts? Vakuumglobuli in einer Verdünnung, Entschuldigung Potentzierung, von C30, also 1:10⁶⁰. Verdünntes Vakkuum, einfach faszinierend, wie schon ein bekannter Außerirdischer zu konstatieren wußte.

Gut, mit einem Jahresüberschuss 3.153,53 €, einem Guthaben in der Kasse und auf Bankkonten in Höhe von exakt 0,- € und einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 31.087,76 € bei einer Bilanzsumme von 63.614,07 € für 2012 ist die NaturSinn GmbH jetzt nicht gerade die ultimative Goldgrube, aber immerhin ziehen sie damit schon seit über einer Dekade den Leuten das Geld aus der Tasche. Mir erschiene eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft allerdings einträglicher, dann könnte man die Aktien verkaufen.

Beworben wird der Ganze Unsinn auch von Dipl.-Ing. Thomas Wobido, dem Erfolgsverdoppler aus München, der nach eigener Aussage in der Automobilindustrie tätig war.

Firmen wie die Robert Bosch GmbH, der Daimler Konzern oder die BMW Group habe ich als Entwicklungsingenieur, Projektleiter und Key Account Manager im Auftrag mittelständischer Unternehmen mit großem persönlichem Engagement beraten

Wenn solche (beratenden) Ingenieure in der (Automobil-) Industrie zum Standard gehören sollten, würde dies so einige Rückrufaktionen, Ein- und Abstürze und freilaufende Kernkraftwerke hinreichend erklären.

Auch ganz ultra-neu auf dem Umweltfestival, weil jetzt aus den USA: SmartKlean® für nur 37,-€. Das ist nicht einfach nur eine ordinäre Waschkugel, wie sie schon mal vor einigen Jahren Saturn seinen Kunden angedreht hat. Nein, da sind jetzt sage und schreibe vier Arten von Keramikkügelchen

  • Alkalische, zum Heben den pH-Wertes des Wassers ins basische,
  • Antimikrobielle, u.a. mit Nanostrukturen aus Silber zur Desinfektion,
  • Chlorabscheidende, zum Entchloren des Wassers und
  • Ferninfrarote, die die großen H₂O-Cluster des Leitungswassers in kleinere Cluster aufbrechen, damit das Wasser besser ins Gewebe eindringen kann

und zwei Neodymmagneten drin. Das Magnetfeld soll ebenfalls die Wasser-Cluster verkleinern und für mehr OH⁻-Ionen sorgen um den pH-Wert anzuheben. Könnte man das nicht auch zum Backen von Laugenbrötchen verweden? Einfach zwei große Magneten im Teig mitkneten …

So richtig vertrauenerweckend finde ich die Beschreibung der Wirkungsweise des Waschballes aber ehrlich gesagt nicht, da steht nirgendwo etwas von Quanten, da kann doch etwas nicht stimmen. Aber egal, wenn es damit nicht gelingt den Dreck aus dem Gewebe zu ziehen, womit sonst? Warum gerade zwei Magneten? Steht nirgends, aber mir erscheint das in all dem Irrsinn derart logisch, daß es doch wirklich keiner Erklärung mehr bedarf, oder? Der eine ist bestimmt ein Südpol und der andere ein Nordpol. Könnten das eventuell sogar Makroquanten sein? Halten tut dat Dingens übrigens 365 Wäschen, wahrscheinlich sind dann die Magneten alle. Am Ferninfrarot kann es nicht liegen, denn man muss den Ball ja alle zwei Wochen in die Sonne zum trocknen aufladen legen. Auf die Heizung legen geht nicht, die ist viel zu nah dran, es muss die Sonne sein, es heißt ja schließlich Ferninfrarot.

Ein Kommentar

  1. Irena Smikalla sagt:

    Hallo, bin studierte Mediziner(stud. in Lettland) und Heilpraktikerin. Da wir sehr kalkhaltiges Wasser haben, mein Mann nach Empfehlung vom Wärmepumpeinstallateur hat eine Wasser200 Gerät gekauft.Ganz ehrlich, habe ich dies nur Heute, nach 5 Jahre entdeckt,da wir uns für anständige Wasserenthärtungsanlage entschieden haben und die Installateuere mich gefragt haben- was das fürs Kästchen ist?
    Nur dann hab ich regiseurt und war regelrecht entsetzt, wie kann man unbestraft die Menschen so betrügen? Die ( Firma) haben große Website, werben im Facebook, und verwirren einfache Leute, wie main Mann und regelrecht ziehen das Geld aus die Tasche. Wie kann man sie stoppen?Mein Geld bekommen wir nicht zurück, aber weitere Menschen werden betrogen! Junge forscher Bayern haben Untersuchungen durchgeführt

    jugend-forscht-bayern

    Projektbeschreibung:
    „Wasserbelebungsgeräte sind seit rund drei Jahrzehnten auf dem Markt und finden guten Absatz. Das Prinzip hinter der von den Konsumenten i. d. R. festgestellten Wirkung, welches von den Herstellern verbreitet wird, liegt dabei nicht im Feld des naturwissenschaftlichen Konsenses. Aus Gründen des persönlichen wissenschaftlichen und allgemeinen wirtschaftlichen Interesses wurde deshalb diese Untersuchung zweier Wasserbelebungsgeräte, die sich laut der beiden Hersteller im Wirkprinzip stark ähneln, vorgenommen. Es wurde der mobile Wasserbeleber aus dem Hause Grander und der kleine Beleber „Wasser2000“ aus dem Hause NaturSinn verwendet. Die Untersuchungen wurden auf Grundlage der Werbeaussagen der Hersteller geplant.
    Die Hersteller geben auch geschmackliche Veränderungen an, was durch eine verblindete Degustationsstudie mit 46 Schülern und einer Lehrkraft der Staatlichen Fachoberschule Kaufbeuren überprüft wurde. Dabei wurde jeweils ein belebtes Wasser gegen die Neutralprobe verkostet, in der dritten Testreihe dann zwei Neutralproben gegeneinander, um den Einfluss der Subjektivität zu bestimmen. Bei der Grander-Verkostung folgte die Verteilung der auf dem Degustationsfragebogen

    Die Ergebnisse von Wasser2000 gegen Neutralprobe unterscheiden sich nicht von der „Placebokontrolle“ (Neutralprobe gegen Neutralprobe).

    Als Resumée lässt sich festhalten, dass im Rahmen dieser Untersuchung ein Einfluss der Wasserbelebung auf die genannten chemischen, mikrobiologischen und organoleptischen Parameter nicht festgestellt werden konnte.

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