Wie überraschend, kostenloser Dienst unroll.me verkauft Nutzerdaten

Ich habe ja schon viele sinnvolle wie weniger sinnvolle und kriminelle Dienste im Internet kommen und gehen sehen, aber Manches hinterlässt mich doch immer noch fast sprachlos. Dazu gehört der Dienst Unroll.me, den ich noch nicht kannte. Dabei handelt es sich um ein Dienst der einem das eigene Postfach aufräumt, einen von Newslettern abmeldet und zu den gewollten Newslettern eine Zusammenfassung erstellt. Fast schon selbstredend, der Dienst ist kostenlos. Die NewYork Times berichtet (gefunden über Heise.de) nun davon, daß die Nutzer erbost darüber sind, daß dieser Putzdienst die gesammelten, anonymisierten Nutzerdaten verkauft, was wiederum den Chef Jojo Hedaya ganz traurig macht:

Our users are the heart of our company and service. So it was heartbreaking to see that some of our users were upset to learn about how we monetize our free service.

Wie rührend. Ich bin durchdrungen von einem tief empfundenen Beileid. Nein, nicht für Jojo — der betreibt ein Geschäft und hat es vorher auch so gesagt —, sondern für die Nutzer, besser gesagt wegen deren Dummheit.

  • Wie sonst, als durch den Verkauf von Nutzerdaten, soll sich so ein Dienst finanzieren? Das Anzeigen von Werbebannern ist in diesem Falle keine praktikable Lösung.
    Woher kommt eigentlich diese Auffassung — gerade auch in den USA mit ihrer puritanischen Arbeitsethik und dem Quasimutterland des Kapitalismus —, dieser Planet sei überbevölkert mit altruistischen, enorm reichen Philanthropen, die nichts Besseres zu tun haben, als wildfremde Menschen mit kostenlosen Dienstleistungen, allerdings aussschließlich im Internet, zu überhäufen?
  • Mit der Anonymisierung ist das so eine Sache, denn allein das Streichen des Nutzernamens bzw. der e-Mailadresse reicht oft nicht aus. Was bei einem Dokument hinreichend sein kann (sein kann, nicht ist!), muss es in der Summe bei vielen Dokumten nicht mehr sein, da allein die Kombination von Dokumenten eine Identifikationstür öffnet.
  • Man bestellt sich Newsletter, um dann von denen wiederum nur eine Zusammenfassung haben zu wollen und wenn sie einem nicht gefallen, schafft man es nicht, sich wieder abzumelden, sondern konfiguriert einen separaten Dienst? Kann man natürlich machen, aber warum?
  • Das Abmelden von Spamnewslettern ist besonders intelligent, denn durch die Abmeldung bestätigt man gleich auch noch die e-Mailadresse, was diese wiederum bei Datenhändlern im Wert steigen lässt.
  • Am Erschreckendensten ist aber die Naïvität, mit der die Benutzer das Zugangspasswort vom Zentrum ihrer digitalen Identität, ihrer e-Mailadresse, irgendeinem Dienst preisgeben, der dann alle e-Mails durchgehen kann.
    In den letzten Jahren, wurden die meisten Dienste aus Sicherheitsgründen so umgestellt, daß die Benutzerpassworte nicht mehr im Klartext, sondern nur noch in Form „gesalzener Prüfsummen“ gespeichert werden. Bei unroll.me geht das aber nicht, sofern nicht mit dem e-Mailprovider ein gesondertes Authentifizierungsverfahren vereinbart wurde. Da aber beliebige e-Mailprovider angegeben werden können, müssen Passwörter dort im Klartext hinterlegt werden, damit sich unroll.me in das Postfach einloggen kann. Diese Sofortüberweisungsdienste, bei denen man seine PIN für das Onlinebanking hinterlegen kann (AGB-Verstoß ggü. der kontoführenden Bank), fallen übrigens in dieselbe Kategorie.

Ehrlich gesagt, mir erschließt sich nicht, worin jemand an einem derartigen Dienst einen echten Vorteil für sich sieht. Was sind das für Nutzer? Letztere Frage ist ohne Sarkasmus gemeint, auch wenn es scheint, daß sie nicht nachgedacht haben. Handelt sich dabei um besonders aktive Vielmailer, die ihrer Daten nicht mehr Herr werden oder eher um technisch überforderte Nutzer?

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