Auf der kommenden re:publica (@republica) ist ein Vortrag von der #Aufschei-Initiatorin Anne Wizorek (@marthadear) unter dem Titel „Let’ talk about Meinungsfreiheit, baby!!1!“ angekündigt.
Belästigungen, Beleidigungen und Drohungen im Netz sind leider Alltag, vor allem für Menschen die von Diskriminierungen wie Sexismus, Rassismus oder Homophobie betroffen sind. Hate Speech im Netz bedeutet Gewalt, Menschen werden in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Geschehen gehindert. Wir müssen daher endlich über die tatsächlich bedrohte „Meinungsfreiheit!!1!“ im Netz reden, über Taktiken gegen den Hass, Medienkompetenz und unsere Verantwortung für ein freie(re)s Internet.
Der Vortrag verfehlt bereits in der Ankündigung das Thema, denn die Meinungsfreiheit ist überhaupt nicht betroffen. Unbestritten sei, daß der Ton in einigen Ecken vom Netz äußerst rauh und auf beiden Seiten durch die Verwendung von Verbalinjurien geprägt ist und es auch Bedrohungen gibt, aber von einer Bedrohung der Meinungsfreiheit kann überhaupt keine Rede sein. Offensichtlich hat die Vortragende das Konzept von Meinungsfreiheit und damit das von Grundrechten nicht verstanden.
Die Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat. Der Zweck von Grundrechten, überhaupt von jeder Verfassung, ist die Beschränkung staatlicher Handlungsfreiheit, daher können die Abgeordneteten auch mit 100% zustimmung kein gültiges Gesetz verabschieden, welches die Grundrechte nicht beachtet. Eines dieser Grundrechte ist die Meinungsfreiheit, die besagt, daß der Staat den Bürger nicht der Freiheit berauben können soll seine Meinung frei zu äußern. Grundrechte gelten jedoch nicht im Verhältnis von Bürgern untereinander, hierfür sind u.a. Zivil- und Strafrecht zuständig. Niemand muß in einem Bereich, in dem er das Hausrecht inne hat, wie z.B. in seiner Wohnung, seinem Auto, auf seiner Weibseite etc. Dritten irgendwelche Grundrechte wie Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit zugestehen. Das Konzept der Grundrechte gilt hier schlicht nicht. Dementsprechend ist durch eventuelle Beleidigungen und Bedrohungen der Bürger untereinander auch niemals die Meinungsfreiheit bedroht. Dies wäre erst dann gegeben, wenn nachgewiesen werden könnte, daß staatliche Organe dafür verantwortlich sind, das meint aber Fr. Wizorek hier nicht. Außerdem ist durch Beleidigungen, so unschön sie auch sein mögen, niemand daran gehindert weiter zu twittern oder Blogeinträge zu veröffentlichen.
Nichts desto trotz ist die Meinungsfreiheit tatsächlich bedroht, aber anders als es Fr. Wizorek glaubt, nämlich durch den Feminismus bzw. Genderismus selbst. Seit einigen Jahren kursiert auf EU-Ebene der Entwurf „Europäisches Rahmenstatut zur Förderung der Toleranz“ vom „Europäischen Rat für Toleranz und Versöhnung“ (European Council for Tolerance and Reconciliaton, ECTR), nach dem die EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet werden sollen u.a. Kritik am Feminismus zu eliminieren. Da in diesem Fall die Maßnahmen vom Staat ausgehen, stellen sie eine Bedrohung der Meinungsfreiheit und anderer Grundrechte dar. Eben diese Position wird aber von Fr. Wizorek unterstützt, d.h. sie tritt genau für das Gegenteil dessen ein, für das sie hier vorgibt zu kämpfen, nämlich für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit!
Da nicht davon auszugehen ist, daß Fr. Wizorek ihren Denkfehler bis zum Vortragstermin einsehen wird, kann man den Vorttrag also schon jetzt getrost streichen und eine halbe Stunde länger schlafen.