Bahnchef Richard Lutz hat angekündigt, klassische Bahnfahrkarten auf Papier durch ein rein elektronisches Verfahren mittels App auf dem Händi des Fahrgastes ersetzen zu wollen (Golem, Spiegel). Von den offensichtlichen Problematiken, die bei Menschen auftreten, die kein Mobilteltefon nutzen können oder wollen, sowie die der Erstellung von Kundenprofilen sehe ich noch einen weiteren gravierenden Nachteil für den Kunden.
„Man wird in Zukunft kein Ticket mehr für die Bahn brauchen. Der Zug kann dann über das Handy eines Passagiers erkennen, dass er eingestiegen ist“, sagte Bahnchef Richard Lutz der „Bild am Sonntag“. „Je nachdem, wo er aussteigt, wird die Fahrt automatisch abgerechnet werden.“ Das System funktioniert mithilfe einer App, die die Position des Reisenden jederzeit feststellen kann.
Das erfordert eine erhebliche Mitarbeit des Kunden, denn der hat dafür Sorge zu tragen, daß sein Händi nicht nur angeschaltet ist, sondern auch immer WLAN aktiv ist.
Die Erstellung von Kundenprofilen kann als sicher gelten — nicht nur weil heute kein Unternehmen mehr freiwillig auf der Nutzung des Datenschatzes im eigenen Haus verzichten würde —, denn bei dem Tarifwirrwarr der Deutschen Bahn dürfte es ein Bestpreissystem geben (Best-Pricing-System). Dabei werden alle Fahrten tages-, wochen- oder Monatsweise gesammelt und dann jeweils am Periodenende errechnet, welcher Preistarif bei Rechnungsstellung für den Kunden am günstigsten ist. Zumindest Theoretisch. Genau an dieser Stelle geht mein Vertrauen in die deutsche IT von Großunternehmen gegen Null.
Die Aussage des Bahnchefs, daß der Schutz der Daten der Reisenden für die DB höchste Priorität habe, betrachte ich mal als humoristische Einlage. Der beste Datenschutz ist und bleibt die Nichterhebung von Daten, denn ist eine Sammlung ersteinmal vorhanden, werden Begehrlichkeiten geweckt und über kurz oder lang wird der regelmäßige Zugriff erfolgen. Bereits jetzt steht im Raum, alle Bahnfahrer ähnlich wie bei Flügen im PNR (passenger name record) namentlich zu erfassen (Belgien will gläserne Einreisende). Mit dem angekündigten Ticketsystem der DB wird exakt dies in Deutschland bei der Bahn landesweit eingeführt (Der Verkauf anonymer prepaid SIM-Karten wurde bereits von der Deutschen Bundesregierung verboten).
Hinzu kommt das eigentliche Problem der nachträglichen Abrechnung. Dem Kunden ist es hierbei nicht mehr möglich im Voraus die exakten Kosten für eine Reise zu benennen. Alle vorherigen Tarifaussagen sind bis zum Tag der Abrechnung immer mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet. Solche Verträge sind mir persönlich zuwider. Liegt ein Fehler in der Abrechnung vor, wurde der Betrag vom Mobilfunkprovider dann bereits eingezogen und als Kunde darf man dann dem Geld hinterherrennen. Sollte dann noch die Tarifvielfalt bei der DB Bestand haben (vermutlich wird sie sogar noch zunehmen, allein weil es nun vollelektronisch abläuft und sich Sondertarife im Sekundentakt einspeisen ließen), erreichen die Abrechnungen eine ähnliche Komplexität wie Rentenbescheide oder Steuererklärungen, d.h. sie werden nur noch bedingt in vertretbarer Zeit nachprüfbar sein.