Nicht Wählerwanderung, sondern Parteiendrift

Insbesondere nach Wahlen, aber auch gerne zwischendurch bei Umfragen hört man viel über Wählerwanderung. Damit wird versucht das Verhalten von Wechselwählern und die Verluste und Zugewwinne an Stimmen von Parteien zu analysieren, doch der Begriff Wählerwanderung beschreibt das Phänomen nur unzureichend und lenkt den Blick in die falsche Richtung. Auf den ersten Blick sieht es natürlich nach einer Wanderung von Wählern aus, wenn eine Partei deutliche Verluste aufzuweist und dafür eine oder mehrere Andere Zugewinne, doch wandern tatsächlich die Wähler?

Eine Wählerwanderung würde voraussetzen, daß die Wähler ihre Meinung geändert haben. Doch Letzteres trifft meist jedoch nicht zu. Die überwiegende Zahl der Menschen ist, unabhängig davon welchem politischen Lager sie sich zugehörig fühlen oder welches ihnen von Dritten zugeschrieben wird, konservativ, meinungskonservativ. Grundlegende politische Überzeugungen werden von den Meisten eben nicht schnell oder gar spontan gewechselt, in etlichen Fällen bleiben sie nach der Selbstfindungsphase sogar ein Leben lang erhalten.

Was sich aber ändert, ist die politische Ausrichtung der Parteien. Bei der SPD kann man dies besonders gut erkennen, auch wenn sich bei allen Parteien analoge Symptome zeigen. Vereinfachend gesagt war die SPD ursprünglich eine Partei von Arbeitern für Arbeiter, daher auch die enge, korruptive Verflechtung mit den Gewerkschaften. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die Partei völlig neu positioniert, wobei die Interessen der Arbeiter immer mehr in den Hintergrund geraten sind. Die Partei wurde von Soziologen und Genderisten mit ihren unsinnigen, durch nichts belegten, aber als wahr postulierten Hypothesen gekapert, weil diese im Gegensatz zu Arbeitern, die arbeiten nämlich, genug Zeit aufbringen konnten um auf Parteiversammlungen die Richtung zu ändern. Das ursprüngliche Wählerklientel wurde dabei nicht mehr nur nicht beachtet, sondern regelrecht verdrängt, wenn nicht sogar verachtet. An dieser Stelle setzt dann ein sich selbst verstärkender, abwärtsgerichteter Prozess ein. Da man sich im Besítz der Wahrheit glaubt, versucht man den Niedergang dadurch aufzuhalten, daß man immer weiter mehr von genau dem fordert (Frauenförderung, Gender, Diversity etc.), was den Niedergang verursacht hat, da man nicht in er Lage ist die Ursache des Niedergangs zu erkennen. Auch erkennbar an der ständigten Phrase „der Wähler habe es nicht verstanden, ihm müsse es besser erklärt werden“. Auf die Idee, daß er es verstanden hat, aber einfach nicht will, kommt man nicht.

Insofern findet keine Wählerwanderung statt, sondern es sind die Parteien, die von ihren Wählern wegtreiben, eine Parteiendrift, wohingegen die Wähler mit einer gewissen Toleranz um ihren Standpunkt oszillieren und nur langsam ihre Meinung ändern. Gleichzeitig reden Parteistrategen sprachlich passend, aber ebenso irreführend, gerne davon, die verloren gegangenen Wähler zurückholen zu wollen (auch gerne nachdem sie diese als Pack beschimpft haben). Hierfür gibt es nun zwei Möglichkeiten. Entweder die Parteien kehren inhaltlich zurück, was wiederum vollkommen neues Personal voraussetzt, denn das Bestehende wird seine Meinung nicht ändern, denn auch dieses ist meinungskonservativ oder die Parteien starten mit dem alten Personal Umerziehungsprogramme um den Wähler wieder an die Parteilinie zu bringen (ihn also nicht zurückholen, sondern umformen) und genau Letzteres lässt sich derzeit gut beobachten. Da das (noch) nicht so richtig wie gewünscht wirkt, dürften also die Umerziehungsmaßnahmen noch weiter zunehmen.

2 Kommentare

  1. […] bezeichnet. Wie lächerlich, aber es bestätigt, was ich schon vor Längerem sagte, daß es keine Wählerwanderung, sondern eine Parteiendrift gibt. Auch mit dem neuen Vorstand hat die SPD eindeutig gezeigt, daß sie den festen Willen hat, […]

  2. […] ist im Grunde genau das, was ich auch bereits 2018 in meinem Blockartikel Nicht Wählerwanderung, sondern Parteiendrift dargelegt hatte. Die politische Linke wandert immer weiter nach links, der Wähler bleibt jedoch […]

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