Die objektive Bedeutung von Kreuzen

Zum Auftakt der Pädagogischen Woche im Erzbistum Köln äußerte sich der der Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio vom zweiten Senat des deutschen Bundesverfassungsgerichts bei einer Fortbildungsveranstaltung für katholischen Religionsunterricht (was hat dort ein Verfassungsrichter überhaupt verloren?) über die Präsenz von (christlichen) Kreuzen in öffentlichen Gebäuden. Das der Verfassungsrichter der Laizität eher skeptisch gegenüber steht, ist nicht neu wie ein Interview im Spiegel (Liberalität ist anstrengend vom 03.04.2010) belegt:

Deshalb ist unser Verfassungsstaat weltanschaulich neutral. Er nimmt nicht Partei, hegt aber eine positive Grundeinstellung zur Religion und setzt nicht auf strikte laizistische Trennung von Staat und Kirche. Der Staat weiß, dass seine kulturellen Grundlagen gestärkt werden durch aktive Glaubensgemeinschaften, die auf dem Fundament der Achtung persönlicher Freiheit stehen.
[…]
Hinter dem Wunsch nach totaler Trennung von Religion und öffentlichen Räumen steckt häufig Furcht.

Ob aktive Glaubensgemeinschaften tatsächlich die kulturellen Grundlagen des Staates stärken ist mehr als diskussionswürdig, soll aber jetzt außer acht gelassen werden, denn auf eben jener o.g. Veranstaltung (Ein Kreuz alleine kann nicht indoktrinieren) offenbarte er einige äußerst merkwürdige Ansichten, die in ihrer Summe an seiner Eignung als Verfassungsrichter starke Zweifel aufkommen lassen:

Die Bedeutung des Kreuzes muss erklärt werden. Ein Kreuz alleine kann nicht indoktrinieren.

Legt man das Kreuz als die reine Form ohne weitere Kenntnisse zu Grunde, mag man noch zustimmen, nur dürfte heute selbst ein wenig gebildeter Mensch ein artifizielles Kreuz zweifelsfrei als christliches Symbol einordnen. Wesentlich wahrscheinlicher ist daher eine Situation, bei der im Enzelfall eher erklärt werden muß, warum ein Kreuz gerade kein christliches Symbol sein soll. Doch spätestens bei der gängigen Darstellung in katholischen Kirchen als Folterinstrument mit einem blutenden, an die Balken genagelten Menschen, kann doch wohl von fehlender Indoktrination nicht mehr die Rede sein. Man stelle sich jemand völlig unbedarften vor, der in einem Gerichtssaal unter einem blutenden Folteropfer auf sein Urteil wartet. Hier ist tatsächlich höchster Erklärungsbedarf gegeben, nämlich warum einem Angeklagten eine derart grausame Darstellung in einem der Neutralität verpflichteten Staatswesen zugemutet werden darf oder womöglich soll. Vollkommen absurd wird es aber in Verbindung mit seiner zweiten Äußerung:

Anders als beispielsweise einem Hakenkreuz hafte dem Kreuz keine objektive Bedeutung an, die als Verletzung der Grundrechte interpretiert werden könne.

Hier wird ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, denn allein aus der Form Symboles erschließt sich weder beim (christlichen) Kreuz noch beim Hakenkreuz irgendeine wie auch immer geartete Bedeutung, erst recht keine objektive. Die Bedeutung eines Symboles ergibt sich immer aus dem Kontext der Verwendung. Oder wollte etwa Dr. Di Fabio einfach nur auf die allgemeine Bedeutungslosigkeit des Kreuzes als Religionssymbol in unserer Gesellschaft hinweisen?
Wie dem auch sei, es scheint dem Verfassungsrichter entgangen zu sein, daß das Hakenkreuz (Swastika) in anderen Kulturkreisen genau gegenteilig wahrgenommen wird, als bei uns heute. Er sollte sich einmal näher damit befassen, warum es zwar ein Rotes Kreuz, einen Roten Halbmond, einen Roten Löwen aber keinen Roten Davidstern gibt. Auf ihn wurde explizit verzichtet, weil sonst auch eine Rote Swastika als offizielles Symbol hätte anerkannt werden müssen, und dies war das Letzte, was Isreal und jüdische Gemeinden hätten sehen wollen. Genau dieser Umstand widerlegt die Behauptung der objektiven Bedeutung eines Hakenkreuzes.
Nach alledem war aber das Fazit von Dr. Di Fabio eigentlich zu erwarten:

Die Präsenz von Kreuzen lasse sich jedoch mit dem Grundsatz der Neutralität vereinbaren.

Das unser Verfassungsstaat eine positive Grundeinstellung hegt, mag richtig sein, heißt aber noch lange nicht, daß dies auch richtig ist. Das Mindeste was man von der Neutralitätspflicht erwarten kann, ist eine Gleichbehandlung aller Parteien. In diesem Falle existieren genau zwei Möglichkeiten zur Erreichung der Neutralität:

  1. Es werden die religiösen Symbole aller Gruppierungen in öffentlichen Gebäuden angebracht.
  2. Es werden keine Symbole angebracht.

In anbetracht der kaum überschaubaren Vielfalt und der damit einhergehenden Kosten kann wohl der erste Punkt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Da aber nur ein Symbol, das christliche Kreuz, angebracht wird, ist eindeutig ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot gegeben.
Sollte Dr. Udo Di Fabio mit seiner Meinung die Grundhaltung des Bundesverfassungsgerichtes repräsentieren, wird auch verständlich, warum die bereits seit der Weimarer Verfassung bestehende verfassungsrechtlich geforderte Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften (GG Art. 140 — Artikel 138 WRV Abs. 1) bis heute verschleppt wird. Und sicherlich war es auch nur reiner Zufall, daß Herr Dr. Ratzinger, alias Papst Benedikt XVI., bei seinem Deutschlandbesuch Ende September die Verfassungsrichter in das Freiburger Priesterseminar einbestellte.

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