Wer will die Uhr zurückdrehen?

Vergangenen Samstag lud die Bundestagsfraktion Die Grünen/Bündnis 90 (@GrueneBundestag) im Anhörungssaal des Bundestages zum „Fachgespräch: Wer will die Uhr zurückdrehen? Strategien gegen Anti-Feminismus und Homophobie“. Hier nun ein paar kurze Eindrücke vom Geschehenen dort, ohne jedoch auf die Positionen jedes Einzelnen einzugehen, da diese jedermann im Internet nachlesen kann, da meiner Meinung nach dort praktisch keine neuen Standpunkte vorgestellt wurden.

Als Referenten und Moderatoren fungierten MdB Volker Beck, der Journalist Peter Gerhardt, MdB Kai Gehring, Prof. Sabine Hark (Gender), Anne Wizorek, MdB Ulle Schauws, Prof. Dr. Daphne Hahn (pro familia), Laurel Braddock, Vertreter der GEW, MdB Beate Walther-Rosenheimer, die Juristin Dr. Anna Mangold und der Chefredakteur des Magazins MÄNNER, Kriss Rudolph.

Positiv sei erwähnt, daß auf Grund der Länge der Veranstaltung, immerhin von 13:00 Uhr bis in den Abend hinein, ausreichend für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt worden war.

Allgemeines

Der Anhörungssaal war voll, einige Wenige noch auf der Empore, die sonst als Zuschauertribüne fungiert. Somit dürften es knapp 200 Teilnehmer, überwiegend aus dem Schwul-Lesbischen und unverkenbar aus dem Trans-Umfeld, gewesen sein. Als Quintessenz der Veranstaltung erschien mir das Thema leicht verfehlt, wenn man sich auf den Titel, nämlich „Fachgespräch“ und „Strategien“ bezieht. Ich für meinen Teil habe nicht den Eindruck gewonnen, daß man Strategien hätte und diese vorstellte, eher das Gegenteil. Die Referenten berichteten mehr vom Status quo oder ihrer bisherigen Tätigkeit, sofern man bei den Genderleuten überhaupt davon reden kann, als von Strategien mit denen sie der zunehmenden Zahl an Kritikern begegnen wollen. Für mich schwang durch die Veranstaltung ein hohes Maß an Ohnmacht, nicht unbedingt Resignation, aber Lähmung mit. Augenscheinlich weiß man nicht so recht was man den Kritikern („anti-emanzipatorische Bewegungen“ im Szenesprech) entgegensetzen soll. Die Veranstaltung lief ruhig und ohne Hektik ab, für Publikumsfragen wäre genug Zeit gewesen, aber das Publikum war sehr Verhalten, es kamen nur wenige Nachfragen oder Vorschläge. Eher wartete man auf den großen Wurf der Referenten, allerdings vergeblich.

Großartige Kritik hatte ich dort sowieso nicht erwartet, da man in diesen Kreisen sowieso der Meinung ist, den Stein der Weisen gefressen zu haben und die ultimative Wahrheit zu verkünden. Umso größer nun die Enttäuschung, daß nicht alle dieser Wahrheit auch umgehend und vor allen Dingen widerspruchslos folgen wollen. Ein Umstand mit dem alle Missionare seit Jahrhunderten zu kämpfen haben.

Man hält an seinen Konzepten fest, beklagte eine Zunahme an Kritik und den hohen Organisationsgrad der Kritiker (als ob die LGBTI- und Genderszene nicht selbst stark vernetzt ist) und warf die Frage auf, woher die Gelder dafür kämen — zu Letzerem unten mehr —, ist aber offensichtlich über das weitere Vorgehen gegen Kritiker von Ratlosigkeit geplagt. Beispielsweise hätte man dort mal darüber diskutieren können, ob denn die Kritiker tatsächlich so stark vernetzt sind wie angenommen und die gewollte Bekämpfung dieser deshalb so schwierig ist, weil sie gerade nicht derart organisiert sind, eher unabhängig agieren, dafür aber an vielen unterschiedlichen Stellen ihre Kritik laut äußern. Dieser Gedankengang liegt ihnen aber vermutlich deshalb fern, weil man sich von staatlicher Alimentierung frei agierende und selbst denkende Individuen einfach nicht mehr vorstellen kann. Außerdem war es in der Weltgeschichte für Individuen noch nie so derart einfach und preiswert wie heute, die eigene Meinung der gesamten Menscheit darzubieten (ob diese auch zur Kenntnis genommen wird ist dann aber eine andere Frage). Starker Gegenwind muss also nicht immer mit einem hohen Organisationsgrad einher gehen. Ein Umstand der auch Politiker immer wieder dazu veranlasst, eine Regulierug des Internet zu fordern.

Dementsprechend auch die dort vorgestellte Typisierung der Kritiker in drei Gruppen:

Intellektuelle
Hierzu zählen Autoren wie Akif Pirinçci oder Kolumnisten/Journalisten wie Matthias Matussek, die zwar als Einzelkämpfer, weil sie sich auf Grund einer gewissen Egozentrik nicht gerne zusammenschlössen, gesehen werden, aber auf Grund ihrer publizistischen Arbeit Reichweite besitzen.
Religiöse
Lautstarke, stark vernetzte Gruppen von Christen aller coleur (Evangelikale, strenge Katholiken etc.)
Restliche
Politisch Interessierte mit antiemanzipatorischen Einstellungen, die Vernetzung suchen.

Eines der fundamentalen Probleme in weiten Teilen der LGBTI- und Genderbewegung ist ihre Unfähigkeit zu akzeptieren, daß sie mit ihrer Auffassung auch falsch liegen könnten. Die Szene ist zur Selbstkritik unfähig. So fasste Anne Wizorek, bei der natürlich nicht vergessen wurde, auf ihre neue Funktion als offizielle Sachverständige des 2. Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung hinzuweisen, das Problem der Szene in vier Punkten zusammen. Der Widerstand richtet sich gegen

  1. Gender-Mainstreaming
  2. die Wissenschaft von der Geschlechter-Forschung
  3. geschlechtergerechte Sprache
  4. Quotenregeln

welcher sich in der Propagierung eines traditionellen Familienbildes, einem generellen Antifeminismus und seiner feministischen Konzepte wie den reproduktiven Rechten von Frauen, manifestiert. Also nichts Neues unter der Gendersonne, denn jede Kritik von außen wird grundsätzlich als Angriff interpretiert. Eine legitime Kritik, die nicht umgehend als „Hate Speech“ abgetan wird scheint es prinzipiell nicht geben zu können.

Putin ist schuld

Eine Neuheit, jedenfalls für mich, gab es dennoch, die gleich von mehreren Referenten erwähnt wurde: Die angebliche Finanzierung von Genderkritikern durch Russland. Belege dafür wurden jedenfalls nicht genannt, dafür aber ein Name als Empfänger kolportiert, ohne es jedoch weiter auszuführen: Beatrix von Storch (AfD). Hierzu muss man wissen, daß Fr. von Storch vor einigen Jahren ein intransparenter und laxer Umgang mit Spendengeldern vorgeworfen wurde und auch zu Herkunft und Höhe der Geldmittel wurden Zweifel geäußert. Jetzt eine Finanzierung durch die Russen zu konstruieren, erscheint mir dann doch sehr weit hergeholt.

Im Raum bleibt aber die Behauptung „Finanzierung von Genderkritikern durch die Russen“ stehen. Zieht man die Funktionsweise von Genderismus in Betracht, bei dem Behauptungen zwar in die Welt gesetzt werden, die von den Anhängern mantraartig, nun allerdings als Tatsache, wiederholt werden, aber ohne jemals Belege beizubrinegn, steht zu erwarten, daß die Theorie der Russlandfinanzierung jetzt häufiger in Blogs zu lesen und auf feministischen Veranstaltungen zu hören sein wird.

Entsprechend der Maßnahmen von Regierung und Klerus in Russland gegen Homosexuelle erscheint das Feindbild durchaus nachvollziehbar. Dennoch halte ich andere Erklärungen für weitaus wahrscheinlicher, da Russland momentan sicherlich andere Schwerpunkte hat, als die Finanzierung von ausländischen Anti-LGBTI und Antigenderbewegungen. Meiner Auffassung nach übershätzt hier die LGBTI- und Genderbewgung ihre Bedeutung doch erheblich. Gerade im Falle der christlich orientierten AfD erscheint eine mögliche Finanzierung durch evangelikale oder katholische Kreise naheliegender.

Abgesehen davon zeugt das Lamentieren über die Finanzierung von politischen Gruppen durch staatliche Mittel von einer ziemlichen Doppelmoral. Angefangen bei der Parteiveranstaltung die im Bundestag stattfand, bis hin zu hunderten staatlich alimentierter Genderstellen in Behörden und Universitäten inklusive milliardenschwerer Förderprogramme läuft auch hier das Meiste über staatliche Gelder. Da der Genderismus aus den USA kommt, könnte man hinter der Russlandtheorie durchaus auch eine US-amerikanische Propagandamaschine vermuten. Ohne Belege wurde jedoch den unzähligen Verschwörungstheorien mit der Idee der russischen Finanzierung nur eine weitere hinzugefügt.

Nachtrag 11.05.2015

Volker Beck kommentiert das Fachgespräch auf seiner Facebookseite wie folgt:

Volles Haus bei Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion zu ‪#‎backlashstrategien‬ . Wir nehmen den Kampf gegen Hassplauderer & die Gegner der Gleichberechtigung auf. „Den AngryWhiteMen brennt die Hütte“

Offensichtlich gab es an dem Samstag eine gleichnahmige Parallelveranstaltung, denn meine war zwar durchaus sehr gut besucht, aber niemand konnte dort den Eindruck gewinnen, daß den „AngryWhiteMen“ die Hütte brenne. Wenn dem so wäre, hätte man das Fachgespräch ja nicht gebraucht. Politiker sind schon ein verlogenes Pack.

Nachtrag 13.05.2015

Veranstaltungskommentare

3 Kommentare

  1. Gassenreh sagt:

    Nicht verschwiegen werden sollte, dass Gender Mainstreaming auch ein wenig ungesund für Frauen, Mütter und Kinder ist. Zum Beispiel das Negieren bedeutsamer und dem Mann überlegener weiblicher Eigenschaften mit der Folge, dass häufig der Body nur noch wichtig und die an sich höhere weibliche Depressionsneigung noch gesteigert werden. Vergessen der für Sprach- und Kognitiventwicklung wichtigen frühkindlichen Mutterbindung (infolge des frühen flüssigkeitsgekoppelten Hörens des Foeten im Mutterleib) mit der Folge von Sprach-, Lese- und Rechtschreibstörungen durch Fremdbetreuung.
    Probleme durch Cortisolausschüttung (gefährliches Stresshormon) und Schlafmangel mit entsprechendem Wachstumshormonmangel von Krippenkindern mit Hippocampusminderung (Lernmaschine des Gehirns).
    Erschreckende Zunahme von Depressionen auch bei Kindern und Jugendlichen.
    [siehe „Kinder – Die Gefährdung ihrer normalen (Gehirn-) Entwicklung durch Gender Mainstreaming“ in: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 5. Auflage, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2015: ISBN 978-3-9814303-9-4 (http://www.amazon.de/Vergewaltigung-menschlichen-Identität-Irrtümer-Gender-Ideologie/dp/3) und „Es trifft Frauen und Kinder zuerst – Wie der Genderismus krank machen kann“, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2015: ISBN 978-3-945818-01-5 (http://www.amazon.de/trifft-Frauen-Kinder-zuerst-Genderismus/dp/394581801X)

  2. […] Beim Feuerwächter gibt es auch einen Bericht dazu: Wer will die Uhr zurückdrehen? […]

  3. „Zum Beispiel das Negieren bedeutsamer und dem Mann überlegener weiblicher Eigenschaften“ – Liebe Frau „Gassenreh“, diesen – Sie verzeihen die Deutlichkeit – Unsinn haben Sie auch bei uns schon so als Kommentar geschrieben. Was Sie damit bezwecken, bleibt nebulös. Etwas mehr Umsicht statt Spaltung und Herabwürdigung wäre sicher zielführender für Ihre Wahrnehmung.

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