Maas’ Ministerbrief an Facebook

In einem Brief an Facebook hat Justizminister Heiko Maas (SPD) wegen der Nichtlöschung seiner Meinung nach hetzerischer Kommentare auf Facebook die Firmenvertreter zum Gespräch ins Ministerium gebeten.

Ich möchte Sie kurzfristig zu einem Gespräch ins Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einladen, um Möglichkeiten zu erörtern, die Effektivität und Transparenz Ihrer Gemeinschaftsstandards zu verbessern.
Als Termin schlage ich vor Montag, den 14. September 2015, 17:00 Uhr.

Mich erinnert das Handeln von Maas ziemlich an das Vorgehen zu den Internetsperren von Ursula von der Leyen („Zensursula“) vor einigen Jahren.

Kurz zur Erinnerung:
Im Rahmen ihrer Aktivitäten zur Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet wollte Ursula von der Leyen jeden Seitenaufruf gegen eine Liste von Seiten, die Kinderpornografie enthielten, abgeglichen haben. Bei positivem Befund sollte dem Aufrufenden ein Stoppschild angezeigt werden. Die hierfür notwendige umfassende Zensurinfrastruktur sollte bei den Providern angesiedelt und von denen betrieben werden (die technischen Probleme dieser Idee, bleiben außen vor, um sie geht es hier nicht). Da es für derart weitreichende Überwachungsmaßnahmen des Surfverhaltens der Bürger keine Rechtsgrundlage gab, auf die man die Provider hätte verpflichten können, versuchte Fr. v. d. Leyen ihr Vorhaben quasi hintenrum zu erreichen, in dem sie Gespräche zwischen dem Ministerium, dem BKA und den Providern anberaumte, in der Hoffnung ministerialer Druck würde einschüchternd genug sein, um die Provider zu veranlassen diese Maßnahmen auch ohne Rechtsgrundlage einzuführen.

Justizminister Maas versucht im Grunde etwas Ähnliches. Da die Staatsanwaltschaften (StA) dem Justizministerium unterstellt sind, könnte er die Anweisung erteilen, schärfer auf entsprechende Kommentare zu achten und sie zur Anklage zu bringen. Anstelle dessen korrespondiert er mit Facebook und versucht ein privates Unternehmen zum Handeln in seinem Sinne zu bewegen. Die StA arbeiten am bereits Anschlag und für die Strafverfolgung müssten entsprechende Stellen geschaffen werden. Somit wäre sein Haus in der Pflicht. Anstelle dessen lagert man die eigenen Aufgaben lieber aus. Strafverfolgung ist aber eine der ureigensten Aufgaben des Staates, deren Auslagerung zur Auslegung nach gusto an Privatunternehmen eine erhebliche Rechtsunsicherheit erzeugt.

Analoges Vorgehen fand sich bei Fr. v. d. Leyen. Nicht die Quelle wird via Strafverfolgung angegangen, sondern der Bote in Haftung genommen. Man könnte dies durchaus als Amtsmißbrauch und Anmaßung von Hr. Maas auffassen, da er Kraft der Autorität seines Amtes als Minister, immerhin ein Vertreter der Regierung, versucht, ihm unliebsame Meinungsäußerungen — und eine solche sind die Hass- und Hetzkommentare zunächst einmal, ob es nun einem gefällt oder nicht — zu unterdrücken. Als Minister ist er Teil der Exekutive, somit steht es ihm — glücklicherweise — nicht zu, entsprechende Anordnungen, die Einladung zum Gespräch im Ministerium hat in diesem Fall Potential als Drohung verstanden zu werden, zu treffen. Die Gewaltenteilung wurde genau aus dem Grunde geschaffen, um willkürliche Anordnungen aus der Exekutive zu unterbinden. Aber Justizminister Maas hat es in anderen Fällen auch nicht so genau mit dem Gesetz genommen. Seine Aufgabe ist es ausschließlich, für die Durchsetzung der bestehenden gesetzlichen Regelungen zu sorgen oder ggf. entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen.

Die praktische Umsetzung und effektive Anwendung dieser selbst auferlegten Gemeinschaftsstandards scheinen jedoch nicht gewährleistet zu sein, obwohl derartige Äußerungen regelmäßig Straftatbestände, insbesondere den Tatbestand der Volksverhetzung, erfüllen und eine öffentliche Aufforderung zur Begehung von Straftaten darstellen können.

Er schreibt hier im Konjunktiv. Offenbar ist Hr. Maas sich eben nicht sicher, ob die genannten Straftatbestände tatsächlich greifen, dennoch erwartet er die Löschung der Einträge durch Facebook. Die Strafbarkeit festzustellen wäre Aufgabe eines Richters.

Facebook […] verpflichtet ist, rechtswidrige Inhalte seiner Nutzer unverzüglich nach Kenntniserlangung zu löschen.

Für die Wirksamkeitwerdung der Verpflichtung muss aber die Rechtswidrigkeit der Inhalte zweifelsfrei feststehen. Hr. Maas erwartet hier eine Form von freiwlligem vorauseilenden Gehorsam.

Vor diesem Hintergrund sollte Facebook dringend überprüfen, ob die gegenwärtigen Standards und deren Anwendung in der Praxis ausreichend sind, und Maßnahmen treffen, um die Verbreitung rassistischer und volksverhetzender Inhalte wirksam zu bekämpfen.

Man könnte auch die Frage stellen, ob diese eingeforderte Bekämpfung überhaupt die Aufgabe von Facebook ist und sein sollte. Sollte sich Facebook auf Grund des ministerialen Drucks ohne rechtskräftige Urteile dem Ansinnen des Justizministers beugen, verspricht dies für die Zukunft nichts Gutes für die Meinungsfreiheit, denn es wird ein Präzedenzfall zur Meinungsbeeinflussung geschaffen. Er selbst und auch seine Nachfolger werden dann dieses illegale, weil grundgesetzwidrige, Instrument weiter ausbauen (wollen).

Ein Kommentar

  1. […] Wirkungsbereichs eines Justizministers (Stichwort Gewaltenteilung) direkt Facebook an, mit der Aufforderung bestimmte ihm nicht genehme Postings zu sperren. Offensichtlich sah man im Ministerium und anderswo […]

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