Kauder will Bußgelder bei Nichtlöschung von Kommentaren und Warnhinweise

Unionsfraktionchef Volker Kauder hat ein Problem mit den Folgen der Globalisierung, denn in einem Spiegel-Interview (42/2016) fordert er Bußgelder für die Betreiber sozialer Netzwerke, namentlich Facebook, bei Nichtlöschung von (angeblich) rechtswidrigen Kommentaren sowie Warnhinweise auf Internetseiten und beweist dabei ein weiteres Mal, daß er nicht wirklich verstanden hat, wie das Netz in seiner Internationaltät funktioniert. Neuland eben.

SPIEGEL: Die Sehnsucht nach Überschaubarkeit gab es schon immer. Nur ist der Hass schon lange nicht mehr so ungeniert herausgeschrien worden.
Kauder: Es gibt viele Gründe. Die sozialen Medien haben sicher zu einer Enthemmung beigetragen. Dort hat sich zuerst diese hasserfüllte Sprache verbreitet. Schmähungen jeder Art wurden dort immer mehr zum Umgangston. Und nach und nach hat sich dann diese Art der Auseinandersetzung über das Netz hinaus in das reale Leben ausgebreitet. Diese Entwicklung können wir aber nicht weiter hinnehmen. Die Verrohung gefährdet das Zusammenleben und den demokratischen Grundkonsens. Daher muss wieder deutlicher gelten: Was in der realen Welt unrecht oder strafbar ist, muss auch in der virtuellen Welt unrecht oder strafbar sein.

Ob sich die hasserfüllte Sprache dort zuerst verbreitet hat, wage ich zu bezweifeln. An den Stammtischen und in Gruppen Gleichgesinnter wurde schon immer überdeutlicher Klartext gesprochen, nur fiel dies nicht weiter auf, auch weil sich Politiker nicht in die Niederungen des Volkes begeben und Schichten getrennt voneinander leben. Erst seit die Diskussionen mittels sozialer Netzwerke geführt werden, ist dies für alle vom Schreibtisch aus gleichermaßen sichtbar geworden.

Das Internet war nie der oft kolportierte rechtsfeie Raum, dort galten schon immer die selben Gesetze wie außerhalb. Was jedoch neu ist, ist die Globalisierung des Informationsaustausches in dessen Folge alle Rechtsordnungen diesen Planeten direkt aufeinanderprallen. In Deutschland bricht bei öffentlichem Zeigen eines Hakenkreuzes hektische Aktivität bei den Staatsorganen aus, was in den USA nicht mal eine Ewrwähung wert ist, wohingegen dort der Erscheinen einer nackten weiblichen (sic!) Brustwarze der apokalyptische Reiter des Untergangs ist. Und was dem deutschen Staat sein Hakenkreuz, ist dem Iran öffentliche Kritik an Mohammed und dem Islam. Diese in den Rechtsordnungen manifestierten, vollkommen unterschiedlichen Wertvorstellungen sind und bleiben miteinander unvereinbar. Selbst bisher einfache Sachverhalte, wie die des Tatorts werden im Internet zu komplizierten Fragestellungen, denn danach richtet es sich im Allgemeinen ob und wie etwas justiziabel ist oder eben nicht.

SPIEGEL: Das ist es ja auch. Nur hat es in der virtuellen Welt oft keine Konsequenzen. Ein soziales Netzwerk wie unternimmt kaum etwas gegen Äußerungen, wie Sie sie beschrieben haben. Im Gegenteil, das Geschäftsmodell baut darauf, dass sich der Hass hochschraubt. Und die Politik guckt zu.
Kauder: In der Tat: Staat und Politik haben hier viel zu lange gezögert. Die entsprechenden Regeln gibt es ja seit Jahren: Nach dem Telemediengesetz müssen Betreiber wie Facebook strafbare oder persönlichkeitsverletzende Kommentare unverzüglich löschen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Das bedeutet, wenn jemand einen rechtswidrigen Eintrag meldet, müsste der Anbieter diesen sofort entfernen. Dieser Pflicht kommen die Anbieter aber nicht richtig nach, wie auch der SPIEGEL kürzlich beschrieben hat.

Seine Ausage hat zwei Haken. Erstens gilt das Telemediengesetz nur für innerhalb von Deutschland ansässige Anbieter und zweitens gibt es ein Problem mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Wem soll diese Aufgabe übertragen werden? Dem Nutzer, dem ein Kommentar mißfällt? Dem Anbieter? Nach welcher Rechtsordnung (der des Firmensitzes, der am Standort der Server, der am Ort des Nutzers oder gar nach der der Staatsbürgerschaft des Nutzers?) soll dieser eine eingehedne Meldung auf Rechtswidrigkeit prüfen? Auch müssen sich Personen des öffentlichen Lebens im deutschsprachigen Rechtsraum mehr bieten lassen, als Normalbürger. Zwar ist die Meinungsfreiheit nach deutschem Recht keinesfalls absolut, aber dennoch sehr weit gefasst. Eine Meinung darf durchaus sowohl vollkommen falsch als auch unsinnig sein und erfordert keinerlei Begründung, selbst harsche Worte sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Man denke an jede Art von Klerikern, deren ganzes — oftmnals sogar staalich finanziertes — Berufsleben allein auf die Verbreitung absurder Geschichten und deren Verkauf als Wahrheit ausgerichtet ist. Es reicht bei einer Meinungsäußerung eben nicht aus, daß sich jemand angegriffen oder beleidigt fühlt, schon gar nicht, daß jemandem eine Meinung nicht gefällt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen kann daher meist nur ein ordentliches Gericht feststellen, ob eine Äußerung rechtswidrig oder noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Selbst wenn die Rechtswidrigkeit nach deutschem Recht festgestellt werden würde, warum sollte sich ein ausländischer Anbieter danach richten?

Ein erheblicher Teil dessen was dem Anbieter an unliebsamen Kommentaren gemeldet wird, dürfte nicht rechtswidrig sein. Werden diese Kommentare dennoch gelöscht entstehen, sofern es sich der Anbieter nicht allzu einfach macht und sich einfach auf sein Hausrecht beruft, Wiedergumtachungsansprüche. Doch wie soll der Anwendner diese durch wen durchsetzen lassen? Wie erfährt er von der Löschung seines Beitrages?

Abgesehen davon halte ich hier schon die Fragestellung für falsch, da das Geschäftsmodell nicht auf dem Hochschrauben von Hass beruht.

SPIEGEL: Bundesjustizminister Heiko Maas hat einen runden Tisch einberufen, um zusammen mit den Internetfirmen freiwillige Regeln zu erarbeiten. Das funktioniert nicht. Wie lange wollen Sie sich die Untätigkeit von Facebook noch bieten lassen?
Kauder: Die Zeit der runden Tische ist vorbei. Meine Geduld ist zu Ende. Facebook und die anderen Anbieter müssen sofort handeln. Wenn jetzt nichts geschieht, dann wird die Politik in Kürze reagieren. Ich werde hier nicht ruhen. Es geht hier auch um unsere demokratische Kultur, und das sehen sehr viele in meiner Fraktion genauso.

Die runden Tische sind sowieso der vollkommen falsche Weg. In einem Rechtstaat kann es nicht angehen, daß eine Gruppe aus Ministerialbeamten, Politikern und ausgewählten privaten Unternehmsvertretern im Hinterzimmer ausbaldowert, wie man politisch unerwünschte Kommentare entsorgt bekommt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Drohung von Kauder, daß sich in Kürze die Politik darum kümmern werde, zu unterstützen, denn dann wird es öffentlich diskutiert werden. Auch müsste dann die Politik endlich einmal präzise definieren was unter „Hate Speech“ genau fallen soll und kann die Deutungshoheit nicht mehr dem Gutdünken einer dubiosen, linken, privaten, aber mit öffentlichen Mitteln geförderten Stiftung überlassen.

SPIEGEL: Wie soll das konkret aussehen?
Kauder: Zunächst könnte eine genaue Frist zur Löschung vorgeschrieben werden, wenn die rechtswidrigen Inhalte bekannt geworden sind. Denkbar ist maximal eine Woche. Schon das ist viel. Aber es würde den Druck erhöhen. Facebook & Co. müssen nach meiner Kenntnis bei einem Verstoß gegen die Löschungsvorschrift des Telemediengesetzes derzeit keinerlei Konsequenzen vonseiten des Staates fürchten. Das muss sich ändern. Es sollte künftig ein Bußgeld verhängt werden können, wenn Facebook seinen Verpflichtungen zum Entfernen rechtswidriger Einträge nicht nachkommt.

Es immer noch nicht klar, wie die Rechtswidirgkeit festgestellt werden soll, da fordert er bereits Bußgelder, bevor überhaupt bestimmbar ist, ob Facebook seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, da nicht zweifelsfrei geklärt ist, welches denn diese sogenannten Verpflichtungen überhaupt sein sollen.

SPIEGEL: In welcher Höhe?
Kauder: Darüber muss diskutiert werden. Bislang sieht das Telemediengesetz Bußgelder bis 50.000 Euro für andere Verstöße vor. Dies könnte man auf einzelne Verstöße gegen die Löschungspflicht ausdehnen. Es wäre auch denkbar, dass man von den Anbietern zunächst nur fordert, nachvollziehbare und vor allem ausreichende Vorkehrungen zu schaffen, damit gemeldete Rechtsverstöße auch wirklich gelöscht werden. Bauen Facebook oder andere ein solches System nicht auf, könnte man dann ein Bußgeld verhängen. Das müsste für diesen generellen Pflichtverstoß höher als maximal 50.000 Euro sein. Zu den Pflichten gehörte auch eine problemlose Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft.

Es kreist wieder um dasselbe Problem, warum sollte ein ausländischer Anbieter mit deutschen Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten und wie sollte er dazu verpflichtet werden können? Wenn hier auf dem Blog ein Rechtstitel aus Saudi Arabien eingeht, in dem die Rechtswidrigkeit von etwas festgestellt wird und daraus Forderungen abgleitet werden, wird das auch nach alter Bürokratensitte unter gelesen, gelacht, gelocht abgehandelt.

SPIEGEL: Facebook argumentiert, dass die schiere Zahl an Kommentaren, die jeden Tag dort eingestellt werden, eine wirksame Kontrolle unmöglich mache.
Kauder: Das überzeugt mich nicht. VW kann ja auch nicht sagen, wir bauen Millionen Autos, da können wir nicht bei jedem einzelnen gucken, ob etwas nicht in Ordnung ist. Wer ein Massengeschäft betreibt, ist damit nicht von gesetzlichen Pflichten entbunden. Wo kämen wir da hin?

Selten dämlicher Vergleich, der aber davon zeugt, daß in Kauders Kopf — und nicht bei ihm — das Internet immer noch als eine Art Rundfunk verstanden wird, bei dem große Akteure (Sender) einen Markt von Konsumenten (Empfänger) unidirektional bedienen. Autohersteller bauen ihre Fahrzeuge nach festgelegten und genehmigten Plänen, wohingegen Sinn und Zweck der sozialen Netzwerke ist, daß Krethi und Plethi ihre eigenen Kommentare einstellen können und das Netzwerk nur den Vertrieb übernimmt. Oder — um beim Autovergleich zu bleiben — wer Lust hat baut, irgendwie etwas was nach Fahrzeug aussieht, VW vervielfältigt es unverändert und nimmt es in den Vertrieb.

SPIEGEL: Bislang hat sich Facebook als sehr hartnäckig erwiesen, wenn es darum ging, Forderungen aus der Politik abzuwehren.
Kauder: Facebook und andere Unternehmen müssen jetzt umdenken. Ansonsten hätte ich noch einen weiteren Vorschlag: Auf Zigarettenschachteln wird darauf hingewiesen, dass Rauchen tödlich sein kann. Warum sollte man die Anbieter nicht verpflichten, ihre Seiten mit einem Warnhinweis zu versehen: „Wer hier kommuniziert, muss damit rechnen, ohne Folgen verunglimpft zu werden“?

Das mit den Warnhinweisen verbuche ich mal zu seinen Gunsten unter polemischem Quatsch.

SPIEGEL: Bestrafen können Sie nur jemanden, den Sie kennen. In den sozialen Netzwerken findet vieles anonym statt.
Kauder: Man sollte überlegen, die Anbieter zu verpflichten, die IP-Adressen herauszugeben. Es kann nicht sein, dass Menschen ungestraft im Schutz der Anonymität Volksverhetzung betreiben können. Ich erwarte vom Bundesjustizminister, dass er einen Vorschlag macht, wie wir in diesem Punkt weiterkommen.

In vielen Fällen braucht man gar keine IP-Adrresse, da viele von Seiten der Politik als löschwürdig empfundenen Kommentaren tatsächlich unter Klarnamen gepostet werden. Wie bei den anderen Punkten stellt sich auch hier wieder die Frage, wie man ausländische Unternehmen zu etwas wirkungsvoll verpflichten will, denn bisher sind die Unternehmen nicht mal verpflichtet die IP-Adresse überhaupt zu speichern. Im Grunde läuft seine Überlegung auf die Einführung einer weltweiten Vorratsdatenspeicherung hinaus, mit vollem Zugriff auf die Daten bereits bei einfachen Delikten wie Beleidigung (§185 StGB, Geldstrafe oder max. ein Jahr Freiheitsstrafe). Dazu kommen dann noch die jetzt schon vom Abmahnunwesen im Bereich Filesharing bekannten Probleme, die IP-Adresse einem konkreten Nutzer zuzuordnen. Anders als im Zivilrecht (Stichwort Störerhaftung), stellt das Strafrecht erheblich höhere Anforderungen an den Nachweis einer Tat, bevor eine Verurteilung erfolgen kann.

Er erwartet vom Justizmninister, soso. Die Forderung jemand Anderes solle etwas tun, ist eine gern verfolgte Strategie in der Politik, um nicht selber konkrete Vorschläge vorlegen zu müssen (wer gint schon gerne zu, daß er keine Ahnung hat wovon er redet), aber gut um Eindruck von Akitivität vorzutäuschen. Volker Kauder ist nun auch schon 67, da sollte er endlich mal über’s Aufhören ernsthaft nachdenken.

2 Kommentare

  1. uwe hauptschueler sagt:

    Am 12.12.2012 hat Herr Kauder dem Kinderschänderschutzgesetz der Bundesnichtkomikerin Frau Merkel zugestimmt. Kinder zu verstümmeln ist akzeptabel, bei persönlichkeitsverletzenden Kommentaren ist aber Schluss mit lustig. Was für eine bigotte Mimose.

  2. Bigott mit Sicherheit, sonst wäre er nicht in der CDU, Mimose vielleicht, aber vor allen Dingen stört in der Politik allgemein, der Verlust der Deutungshoheit, Persönlichkeitsrechte sind da nur der vorgeschobene, dringend benötigte Grund für Maßnahmen. Sie kommen mit dem Medium Internet nicht klar, in dem jeder problemlos seine ungefilterte Meinung einfach weltweit zugänglich unkontrollierbar verbreiten kann. Genau das ist das für die Politik eigentliche Grundübel.

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