Bundesanwaltschaft: Keine belastbaren Anhaltspunkte für Spionage durch die NSA in Deutschland

So wie 2013 nach der Veröffentlichung der Snowden-Dokumente Ronald Pofalla die NSA-Affäre für beendet erklärt hat, hat nun auch der Generalbundesanwalt die Ermittlungen (erwartungsgemäß) eingestellt (Zeit, Spiegel). Genaueres lässt sich seiner Presseerklärung entnehmen:

Die Untersuchungen wegen der möglichen massenhaften Erhebung von Telekommunikationsdaten der Bevölkerung in Deutschland durch britische und US-amerikanische Nachrichtendienste sind abgeschlossen. Sie haben keine belastbaren Hinweise für eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete geheimdienstliche Agententätigkeit (§99 StGB) oder andere Straftaten erbracht.

Man hat also Hinweise, kann sie aber nicht belegen. Auch kann hiernach theoretisch Spionagetätigkeit in Deutschland durch die NSA stattfinden, die nicht gegen Deutschland gerichtet ist. Das ist insofern von Bedeutung, als das sich in Deutschland mit dem DE-CIX in Frankfurt am Main der größte Intenetknoten der Welt befindet.

Sowohl die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen als auch die Aufklärung durch den NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages haben keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass US-amerikanische oder britische Nachrichtendienste das deutsche Telekommunikations- und Internetaufkommen rechtswidrig systematisch und massenhaft überwachen.

Die Schlüsselwörter sind hier „rechtswidrig“ und „und“ (anstelle von oder). Das Abhöraktionen stattfinden kann nicht bestritten werden, seit einerseits bekannt wurde, daß das Händi von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört wurde, andererseits auf Grund der bekannt gewordenen Selektoren, die die NSA dem BND untergeschoben hat, die auch einzelne Bürger und europäische Industrieunternehmken wie EADS (heute Airbus) betrafen. Auch massenhaftes Abhören ist durchaus möglich, sofern es von der Bundesregierung genehmigt wurde, damit hätte die NSA nicht rechtswidrig gehandelt. Die Bundesregierung könnte zwar die Ermächtigung rechtswidirg erteilt haben, dies wäre dann aber ein anderer Fall. Die Ermittlungen betrafen §99 StGB:

§ 99 Geheimdienstliche Agententätigkeit

(1) Wer

  1. für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder
  2. gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt,

[…]
(2) In besonders schweren Fällen […]

  1. […]
  2. durch die Tat die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

[…]

Es geht in §99 StGB um den Staat Bundesrepublik Deutschland, nicht um seine Bürger. Aus Sicht einer Regierung kann es nur von Vorteil seine Bürger auszuspionieren, insbsondere beachtenswert im Hinblick auf die derzeit vorherrschende Meinung man bräuchte mehr Ermittlungsbefugnisse (Stichworte Staatstrojaner, Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation, VDS etc.).

Dies gilt nach Einschätzung des für die Spionageabwehr zuständigen Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auch für Kommunikation, die über in Deutschland verlaufende Glasfaserkabel abgewickelt wird. Zu dem gleichen Ergebnis gelangten die Betreiber des Internetknotens in Frankfurt am Main (DE-CIX) über den dort abgewickelten Datenverkehr.

Anders ausgedrückt, man hat mit Elan an die entsprechenden Behörden ein paar Briefe mit der Bitte um Stellungnahme geschickt und als Antwort bekommen, daß diese von nichts wissen. Weitergehende Ermittlungen wurden danach (vorsichtshalber?) nicht mehr angestellt. Interessant wäre es, Einblick in die Ermittlungsakten zu haben. Außerdem ist zu erwarten, daß die deutschen Geheimdienste aus taktischen Gründen ihre Erkenntnisse ggf. nicht mit der Bundesanwaltschaft teilten wollten.

Selbstverständlich ist sowohl von der Ideologie als auch von den technischen Möglichkeiten her vollkommen unplausibel, daß ein Dienst wie die NSA sich nicht in den weltgrößten Internetknoten würde einklinken wollen, auch wenn der DE-CIX einen Zugriff dementiert.

Den Unterlagen ist zu entnehmen, über welche Techniken und Fähigkeiten die US-amerikanischen Dienste verfügen. Die darin geschilderten Aufklärungsmöglichkeiten waren den deutschen Spionageabwehrbehörden bereits zuvor als technisch machbar bekannt. Sie haben keine Belege dafür gefunden, dass diese Techniken zielgerichtet gegen Deutschland eingesetzt worden sind. Ein solcher Einsatz ergibt sich auch nicht aus den „Snowden-Dokumenten“ selbst. Insbesondere geben die Dokumente keinen Aufschluss über konkret beschreibbare, tatsächlich durchgeführte Abhörmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund ist für weitere staatsanwaltschaftliche Untersuchungen von Gesetzes wegen kein Raum.

Die Frage ist hier, wie zielgerichtet zu interpretieren ist. Die NSA und deren Verbündete (five eyes) agiert wie ein großer Staubsauger, der alles an Daten aufsaugt, dessen er habhaft werden kann. Insofern wäre ein massenweises Abhören nicht im Sinne des Wortes zielgerichtet, da es kein spezifisches Ziel Deutschland gäbe.

Damit ist auch dieser Fall bis auf Weiteres im Sinne der Bundesregierungen von Deutschland und den USA abgeschlossen. Von hieraus meine Gratulation nach Übersee an die NSA für die erfolgreiche Verschleierung ihrer Aktivitäten.

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