Deutschland und Telegram

Wer die Nachrichten der letzten Tage aus Politik und Staatsfunk verfolgt hat, konnte nicht übersehen, daß die deutsche Politik gegen den Messenger Telegram massiv vorgehen will. Die Furcht vor dem deutschen Staat scheint sich jedoch  bei Pavel Durov, dem führenden Kopf hinter Telegram, ziemlich in Grenzen zu halten (Durov’s Channel):

🥇Telegram is the fastest growing mobile app in 2021, leading this year’s Top Breakout Chart by Appannie (https://www.appannie.com/en/insights/market-data/2021-end-year-mobile-apps-recap/).

This means that the number of active users on Telegram increased faster than on any other mobile app in the world.

2021 will be remembered as the year when people grew tired of being disrespected by greedy corporations and chose the privacy and consistency of Telegram.

And yet, there’s so much more that we have in store for you. Thank you for joining Telegram early and taking this incredible journey with us 🎉

Das klingt jetzt nicht so sonderlich eingeschüchtert durch die Forderungen und Drohungen seitens deutscher Politiker.

Was mir an der Wut der Politiker auf Telegram fehlt ist eine stichhaltige Begründung warum sich Telegram eigentlich an deutsche Gesetze halten soll. Es ähnelt sehr stark der derzeit laufende Diskussion um die ausländischen Pornoanbieter, von denen ebensolches verlangt wird. Jahren schon hatte sich in der der Justiz die Meinung gebildet, daß, sobald ein Internetangebot — damals ging es noch um (sexfreie) Internetseitentexte — in deutscher Sprache abgefasst ist, es sich an Deutsche richte und somit unter die deutsche Gesetzgebung falle. Nur falls sich jemand wundert, weshalb gerne von „deutschsprachigen Angeboten“ die Rede ist, als ob bei Pornos die Sprache eine relevante Rolle spiele, aber die Sprache wird als Hebel zur Durchsetzung benutzt. Telegram hat einen außereuropäischen Sitz, Durov ist nicht einmal Deutscher, betreibt hier keine Geschäfte. Warum sollte es gemäß dem Netzwerkdurchsetzunggesetz (NetzDG), welches man übrigens derzeit auf der europäischen Ebene probiert zu kopieren, einen Ansprechpartner in Deutschland benennen? Man denke dies logisch zu Ende. Folgte man dieser Auffassung der globalen Zuständigkeit deutscher Gesetzgebung, müsste quasi jedes Unternehmen auf der Welt in Deutschland einen Ansprechpartner benennen. Oder man stelle sich die umgekehrte Situation vor. Akteure mit Sitz in Deutschland hätten sich bspw. nach saudischer, nordkoreanischer, chinesischer oder talibanischer Gesetzgebung zu richten. Wenn bei mir eine Forderung von dort einginge würde ich die auch, wie Telegram, nach der guten alten 3G-Bürokratenregel bearbeiten: „gelesen, gelacht, gelocht“.

Was mich aber ganz besonders ankotzt ist diese Doppelmoral. In anderen Ländern, wie bspw. Weißrussland, China oder im Maghreb und Mashrek wurde der Einsatz von Messengern für genau das in den höchsten Tönen gelobt, für was man sie in Deutschland verdammt.

Dennoch, unter dem Aspekt der Sicherheit ist der Messenger Telegram keinesfalls eine gute Alternative (allein schon der technisch nicht notwendige Zwang zu einer Mobilfunknummer), aber dies außer acht gelassen sind die angebotenen Funktionen grundsätzlich gut und dem Gros der Konkurrenz überlegen. Sein größter Nachteil liegt aber in der mangelnden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Es gibt zwar die sogenannten „Geheimchats“ deren Inhalte Ende-zu-Ende verschlüsselt sind, aber diese Geheimchats wurden um etliche Funktionen erleichtert, funktionieren ausschließlich zwischen zwei konkreten Mobilgeräten, sind nicht auf ein neues Gerät übertragbar und für Gruppen, egal ob groß oder klein, gibt es sie gar nicht. In der Desktopversion gibt es nicht mal mehr diese 1-zu-1-Geheimchats. Wer mehrere Mobilgeräte benutzt muss dann jeweils einen eigenen Geheimchat zum Kommunikationspartner aufbauen. Das ist schlicht unpraktisch, da die Inhalte mit einem Partner nie in einem Geheimchat vereint sind, sondern bei beiden Gesprächspartnern verteilt vorliegen. Die Kommunikationsteilnehmer müssen auch wissen, welches Gerät sein Gegenüber gerade benutzt. Eine geradezu blödsinnige, technische nicht notwendige Konstruktion. Die Konkurrenz zeigt aber das Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu mehreren Endgeräten problemlos machbar ist (Jabber/XMPP, Matrix), die wird aber wenig genutzt. Es ist auch nicht erkennbar, daß dieser Mangel in absehbarer Zeit behoben werden soll, stattdessen konzentriert sich die Entwicklung auf Videofähigkeiten und Schnickschnack.

In Anbetracht der sich kontinuierlich verschlechternden Situation in Deutschland durch Abbau des Rechtsstaats (man denke an die sich häufenden Hausdurchsuchungen in letzter Zeit) sollte jeder, der es noch nicht getan hat, seine Digitalgeräte verschlüsseln. Droht erst eine Hausdurchsuchung, berechtigt oder unberechtigt, ist es dafür zu spät.

Inzwischen kommen auch wieder Internetsperren ins Gespräch, wie schon 2002 durch Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) wegen ausländischer Naziseiten oder auch die Internetsperren von Ursula von der Leyen (CDU), vorgeblich wegen Kinderpornographie. Nun haben wir auch noch eine SPD geführte Regierung. Es kommt nicht von ungefähr, daß SPD-Politiker besonders laut nach Zensur rufen. Die SPD hat als millionenschwerer Medienkonzern (Stichwort ddvg) natürlich das ureigenste Interesse, jegliche freie, von ihr nicht steuerbare, Gegenöffentlichkeit zumindest zu behindern, da kommen ihr auch die Angriffe auf CDU-Politiker wie gerufen. Rein vorbeugend sollten daher für das Surfen im Internet die notwendigen Einstellungen der DNS-Server angepasst werden. Die jeweils automatisch konfigurierten DNS-Server der Provider sind zu meiden und durch Zensursichere zu ersetzen. Das funktioniert auch auf Mobilgeräten! Das hebelt DNS-Sperren aus und mindert zudem den Datenzufluss über das eigene Surfverhalten zu den Providern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert