Wünsche an einen Bundespräsidialkandidaten

Da in nächster Zeit keine Änderung des politischen Systems, mithin die Abschaffung des Amtes, zu erwarten ist, muß man davon ausgehen, daß über kurz oder lang ein weiterer Bundespräsident gewählt werden wird. Daher erhält die Frage, welche Merkmale ein Kandidat aufweisen sollte, der als oberster Repräsentant einer Republik auf der Grundlage des Grundgesetzes gilt, eine erhöhte Relevanz.

Doch zunächst eine Kostenanalyse zum Amt und seinem Inhaber, da immer wieder gerne auf die hohe, lebenslängliche Dotierung des Amtsinhabers hingewiesen wird. Die Beschränkung auf die Besoldung greift aber zu kurz.

Auch wenn ein Bundespräsident derzeit bis zu seinem Lebensende mit rund 200.000 € pro Jahr zu Buche schlägt, so sind diese Zuwendungen bei Weitem nicht der Hauptkostenfaktor, sondern das Bundespräsidialamt als Solches. Für das Jahr 2011 beliefen sich die Ausgaben des Bundespräsidialamtes auf 19 Millionen Euro, in denen allein 10 Millionen Euro Personalkosten enthalten sind. Hinzu kommen neben anderen Kosten noch die für den Bundespräsidenten, so das sich die Gesamtaufwendungen für das Jahr 2011 auf 30 Millionen Euro beliefen.

Wie dieser Betrag letztlich zu bewerten ist, hängt vom Standpunkt ab. Von oben betrachtet, also verglichen mit dem Bundeshaushalt 2011 in Höhe von 353 Milliarden Euro, geht der Betrag vollkommen unter (<0,009%). Er ist also deutlich geringer als die berühmt-berüchtigten Peanuts (1%). Die beiden Budgets verhalten sich zueinander wie die Wegstrecken Reichstag-Schloß Bellevue (≈1,6 km) zu Berlin-„Südpazifik kurz hinter Neuseeland“ (≈18.500 km). Aus dieser Perspektive betrachtet, rechtfertigen die Kosten allein, nicht die Abschaffung von Bundespräsident und Bundespräsidialamt.

Etwas anders stellt sich sich die Sicht von unten her dar. Der Bürger bekommt vom Bundespräsidialamt in der Regel nicht viel mit, sondern sieht nur den Bundespräsidenten und stellt sich die Frage, warum jemand für den Rest seines Lebens einen stattlichen Ehrensold erhält, der für kurze Zeit (die Ernennung zum Amtsinhaber reicht aus) ein Amt inne hatte.

Näher kommt man er Sache erst, wenn die Kosten nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Hinblick auf den Kosten-Nutzen-Aspekt. Die Frage lautet daher nicht wieviel kostet ein Bundespräsident, sondern, was bekommen wir für unser Geld? Welchen Nutzen hat das Amt für die Repuplik, also für die res publica, die öffentliche Sache?

Das Amt des Bundespräsidenten ist geprägt von repräsentativen Funktionen und ohne eigene Macht ausgestattet. Eine seiner wesentlichen Aufgaben besteht in der Prüfung von beschlossenen Gesetzten auf Verfassungsmäßigkeit. Hält er diese für gegeben treten die Vorlagen mit seiner Unterschrift in Kraft. Hier kann man durchaus der Meinung sein, daß Amtsinhaber in der Vergangenheit Pflichtverletzungen begangen haben, da sie ihrer Prüfungspflicht nicht oder nicht ausreichend nachgekommen sind, wenn Gesetzte durch das Bundesverfassungsericht kassiert worden sind. Eine Amtsenhebung ist schwierig und nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen möglich (Art. 61 GG). Da ein Bundespräsident auch nicht abwählbar ist, ist im Regelfall ein einmal eingesetzer Bundespräsident für fünf Jahre unkündbar.

Rechtfertigt ein solcher Aufgabenbereich tatsächlich einen Aufwand von 30 Millionen Euro im Jahr? An dieser Stelle kommt die jeweilige Persönlichkeit des Amtsinhabers zum Tragen. Nutzt er seinen Spielraum — mit der Sicherheit, welche ihm seine Position verleiht — mit der Macht des Wortes aus und versteht sich als Vordenker, vielleicht manchmal auch als Erklärer oder ist er nur mehr ein gut besoldeter Bürokrat und Grüßaugust?

Für eine charismatische, sich dem Grundgesetz verpflichtet fühlende, Persönlichkeit gäbe es hier durchaus einiges zu sagen, was den Aufwand des Amtes rechtfertigen könnte. Das solche Persönlichkeiten nicht mehr in das Amt gehoben werden, ist durchaus bezeichnend für den Zustand der Republik, denn im parteinahen Umfeld gibt es solche Persönlichkeiten nicht und parteiferne, unabhängige — womöglich selbst denkende — Geister sind das Letzte was die Politik haben will. Alles hat sich dem parteipolitischen Geschacher unterzuordnen.

Ein freier Geist könnte in diesem Amt die Stellen aufzeigen, an denen das Grundgesetz nicht umgesetzt wird. Hierzu gehört ganz vorne weg die mangelnde Trennung von Staat und Kirche. Einserseits besteht hier ein rechtliches Problem, welches es zu lösen gilt, denn die Ablösung historischer Staatsleistungen an die Kirchen ist seit knapp 100 Jahren ein Gebot der Verfassung (Art. 140 GG), welches es nun endgültig umzusetzen gilt. Andererseits ist es ein gesellschaftlich relevantes Thema, denn bereits jetzt sind 40% der Bevölkerung offen konfessionslos.

Römisch-katholisch: 30,2 Prozent
Evangelisch: 29,9 Prozent
Andere/keine Konfession: 39,9 Prozent

Die Konfessionslosen bilden somit die größte gesellschaftliche Gruppierung. Tendenz steigend. Hinzu kommt, daß ein nicht unerheblicher Teil der konfessionsgebundenen, nicht mehr aus religiösen Gründen Mitglied der Kirche ist.

Nur drei Milieus können als kirchennah gelten: die Konservativ-Etablierten, die Traditionellen und die Bürgerliche Mitte. Hier stimmen überdurchschnittlich viele der Aussage zu: „Ich bin gläubiges Mitglied meiner Kirche/Religionsgemeinschaft, fühle mich mit ihr eng verbunden“. Bei den Konservativ-Etablierten sagen dies 15 Prozent, bei den Traditionellen 22 Prozent und in der Bürgerlichen Mitte 12 Prozent. Der Durchschnitt über alle Milieus hinweg liegt bei 9 Prozent.

Die Kirchen beanspruchen aber weiterhin einen Einfluss der ihnen schon seit Längerem nicht mehr zusteht und er wird ihnen von der Politik umstandslos zugestanden. Das von den Parteien kein Änderungsbedarf gesehen wird ist offensichtlich, im Gegenteil, die Parteien behindern Säkularisationsbestrebungen wo sie nur können. Von der CDU/CSU erwartet man es nicht anders, haben sie sich die Religion bereits im Namen auf die Fahne die geschrieben. Dennoch muss der Einfluss von fundamentalistischen Kreisen auf das dortige Führungspersonal (Kauderbrüder, Ursula von der Leyen, Christian Wulff u.a.) Anlass zur Sorge sein. Auch kann man wohl eine katholische Theologin, Annette Schavan, als Ministerin für Forschung und Wissenschaft in einem der größten Industrieländer der Welt nur als üblen Scherz bezeichnen.

Die SPD darf man getrost als unterwandert bezeichnen. So meint die katholische Bundestagsabgeordnete (Wahlkreis Kleeve) und SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks behaupten zu können (17.01.2012 — SPD-Politikerin: Christliche Werte werden in der Partei wichtiger):

Hendricks zufolge gibt es zwar immer noch mehr Christen in der CDU als in der SPD, doch habe ihr Anteil bei den Sozialdemokraten gegenüber deren Gründerzeit deutlich zugenommen. In der SPD gebe es heute prozentual mehr Christen als in der deutschen Bevölkerung. Dort sind es nach Angaben der EKD knapp 61,4 Prozent. Wie Hendricks sagte, gebe ihr der christliche Glaube eine „grundlegende Sicherheit“, die es erleichtere, politische Entscheidungen zu treffen.

Auch die Parteispitze um Sigmar Gabriel tut ihr Möglichstes um Säkularisationsbestrebungen zu unterbinden (14.1.2012 — SPD gegen strikte Trennung von Staat und Kirche — Kein Laizisten-Arbeitskreis):

Der Parteivorstand hat schlicht beschlossen, dass kein Arbeitskreis in seinem Auftrag die strikte Trennung von Kirche und Staat propagieren soll, weil es nicht Mehrheitsmeinung in unserer Partei ist.

Die Kirchennähe der FDP sei hier nur deshalb erwähnt, weil sie sich derzeit in der Regierungskoalition befindet und somit zumindest in dieser Legislaturperiode noch bei der Aufstellung eines Bundespräsidialkandidaten mitreden darf.

Unter den genannten Bedingungen ist es daher leider nicht zu erwarten, daß wenigstens der nächste Bundespräsident die Anforderungen, die eine zukunftsorientierte, säkulare Republik stellt, erfüllen wird.

Neben ethisch einwandfreiem Verhalten und Integrität, müßte für einen solchen Kandidaten eine säkulare Orientierung und Aufgeschlossenheit selbstverständlich sein. Jemand der säkular ist, muß nicht notwendigerweise auch aufgeschlossen sein, daher die explizite Forderung nach Beidem. Mit öffentlicher Frömmelei in seinem Amte sollte er das Volk verschonen und über die Abgründe religiöser Schriften informiert sein.

Mindestens die letzten drei Bundespräsidenten Christian Wulff (transparent wie eine saudische Burka), der feige Nur-ein-Buch-Kenner Horst Köhler (Bibel „wichtigstes Buch, das ich kenne“, Vorlesen der Bibel ist ein „wertvoller Beitrag für die frühkindliche Erziehung“, Rücktritt wegen fehlenden Respektes vor dem Amt) und Johannes Rau („Bruder Johannes“) waren ihr Geld definitv nicht wert.

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