Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff distanziert sich vom Entwurf zur Wiedereinführung der VDS

Andrea Voßhoffs Pressemitteilung

Bonn/Berlin, 16. April 2015

Ausgabe 13/2015
Datum 16.04.2015

Sowohl das Urteil des BVerfG aus dem Jahre 2010 als auch das des EuGH von 2014 zur Vorratsdatenspeicherung schließen sie genaugenommen nicht vollkommen aus, stellen aber derart hohe Hürden für ihre Einführung auf, daß de facto von ihrer Verfassungwidrigkeit ausgegangen werden muss.

Sinn und Zweck der Grundrechte ist die Beschränkung der Handlungsfreiheit des Staates zu Gunsten der Freiheitsrechte seiner Bürger. Der vorliegende Entwurf zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in der Bundesrepublik Deutschland im nationalen Alleingang überwindet nicht alle von den Urteilen gesetzten Hürden und stellt weiterhin einen erheblichen, durch nichts zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff dar.

Der Entwurf geht von der falschen Prämisse aus, daß ein Grundrechtseingriff erst bei Zugriff auf die Daten gegeben ist. Dem muss widersprochen werden. Bereits durch den reinen Akt des Speicherns wird der Grundrechtseingriff vollendet.

Auf Grund technischer Gegebenheiten müssen auch die Daten von Berufsgeheimnisträgern erfasst werden, da ein Aussortieren ohne weitere Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben wie z.B. die Datensparsamkeit im Vorfeld nicht möglich ist. Das nachträglich wirksam werdende Verwertungsverbot der gespeicherten Kommunikationsdaten dieser Personengruppe ist nicht dazu geeignet, den bereits erfolgten besonders schweren Grundrechtseingriff aufzuwiegen.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß Datensammlungen, obwohl zunächst sowohl der Kreis der Zugriffsberechtigten als auch der Verwendungszweck eng umrissen waren, innerhalb kurzer Zeit weitere Begehrlichkeiten zur Nutzung entstehen lassen. Aktuell sei in diesem Zusammenhang auf die Forderung nach Zugang zu den Daten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für Pharmaunternehmen, sowie auf die Pläne der Bundesregierung zu einer Gesetzesänderung, um die Lkw-Maut-Erfassungsdaten auch Dritten jenseits von Abrechnungszwecken zugänglich zu machen, verwiesen. Es besteht daher auch kein Grund zu der Annahme, daß es bei den anlasslos gespeicherten Vorratsdaten nicht in Kürze ähnliche Forderungen nach der Erweiterung der Verwertungszwecke und der Zugriffsberechtigten geben wird. Ebenso ist im Lichte der Snowden-Affäre nicht sichergestellt, daß fremde Geheimdienste nicht auf diese Daten zugreifen können.

Auch muss darauf hingewiesen weden, daß Elemente der Vorratsdatenspeicherung bereits heute durchgängig gegeben sind, denn andernfalls würde das Recht auf Bestandsdatenauskunft nach §101 UrhG regelmäßig ins Leere laufen. Die Ermittler im Bereich der Kommunikationsdaten sind also nicht gezwungen, vollkommen blind zu agieren. Gleichwohl wurde bereits nachgewiesen, daß sich die Aufklärungsquote unter Zuhilfenahme von Vorratsdaten nicht mal im Promillebereich verbessern würde. Diese minimale, in ihrer Größe vernachlässigbare, Steigerung der Aufklärungsquote rechtfertigt nicht systematische, zeitlich unbefristet — jeder einzelene Kommunikationsvorgang löst eine eigene Grundrechtsverletzung aus — stattfindende Grundrechtseingriffe aller Bürger dieses Landes. Für eine Erhöhung der Aufklärungsquote sind andere Mittel, wie eine bessere personelle Ausstattung der Ermittlungsbehörden, besser geeignet.

So wie ich die Einsetzung eines UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Privatheit als einen Meilenstein in der Verwirklichung der Menschenrechte sehe, muss das Recht auf Privatheit sowohl national als auch international gleichermaßen geschützt und durchgesetzt werden. Eine umfassende Speicherung der Kommunikationsdaten der Bürger läuft diesem Ziel zuwider und ist daher abzulehnen.

Ob eine erneute Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung notwendig sein wird, wird zu einem geeignetem Zeitpunkt in meinem Haus geprüft werden.

Andrea Voßhoff
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
<poststelle@bfdi.bund.de>
Key-ID: BFDA08FB (erzeugt am 12. November 2013)
Fingerprint: D2DD 64D0 43B4 81D9 8F21 6168 FBF8 05BD BFDA 08FB

hätte so oder so ähnlich bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung erscheinen können, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht geworden wäre. Stattdessen lenkt sie als stramme Parteisoldatin ein weiteres Mal durch beredtes Schweigen von ihrer Existenz ab, um auch in Zukunft mit lukrativen Posten von ihrer Partei versorgt zu werden.

Zum Thema

Nachtrag 21.04.2015

Inzwischen ist Fr. Voßhoff kurzfristig aufgewacht, um tatsächlich eine richtig ausgeklügelte Äußerung zum Thema beizusteuern:

Die Kernfrage, an der sich ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung messen lassen muss, wird sein, ob und wie die vom Europäischen Gerichtshof aufgeworfene Problematik der anlasslosen Speicherung gelöst werden soll. Aus den nun vorgelegten Leitlinien lässt sich jedenfalls nicht erkennen, dass die in diesem Punkt sehr engen Vorgaben des Gerichtes berücksichtigt wurden. Es bleibt daher fraglich, ob die geplanten Regelungen mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar sind. Eine valide Beurteilung dieser sowie aller weiteren datenschutzrechtlichen Fragen wird aber letztlich erst erfolgen können, wenn der konkrete Gesetzesentwurf vorliegt.

Nicht zu glauben, ein neues Gesetz zur VDS soll die Urteile berücksichtigen. Aber ansonsten alles wie gehabt, Fr. Voßhoff spricht sich nicht gegen die VDS als Solche aus, sondern möchte nur die Gerichtsurteile umgesetzt wissen. Ähnliches sagte sie bereits im Februar nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils. Aber immerhin, es ist heute schon als fortschrittlich anzuerkennen, wenn in der Politik jemand Gerichtsurteile zu Grundrechten anerkennt.

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