Irgendwie versuchen gerade Hans-Georg Maaßen vom Verfassungsschutz (VS) und die BILD-Zeitung Edward Snowden unbedingt zum russischen Spion aufzubauen (Netzpolitik, FAKT, FAKT [Mediathek]). Doch warum das alles jetzt? Die Snowden-Dokumente gingen vor rd. drei Jahren durch die Presse, zogen relativ kurz die Aufmerksamkeit auf sich, aber passiert ist bisher nichts weiter. Die Bevölkerung hat ihre Generalaussphähung durch fremde Mächte unter aktiver Zuarbeit heimischer Geheimdienste, namentlich des Bundesnachrichtendienstes (BND), im Wesentlichen ruhig, gar unbeteiligt zur Kenntnis genommen. Bisher hat auch die Bundesregierung kein wirkliches Interesse gezeigt, den BND von deratigen Umtrieben gegen die eigene Bevölkerung zu säubern, was den Verdacht nahelegt, daß wenn sie nicht direkt Auftraggeberin, jedoch mindestens billigende Mitwisserin war. Eine Regierung, die willentlich nichts gegen die Bespitzelung der eigenen Bevölkerung durch fremde Mächte unternimmt gehört, sofern überhaupt möglich, umgehend abgewählt. Es hat ein paar Anhörungen im Untersuchungsausschuss gegeben, die Bundesregierung mauert(e) bei der Aufklärung, aber wirkliche Konsequenzen für die Verantwortlichen hat es nicht gegeben. Sicherlich auch bedingt durch das Desinteresse der Bevölkerung. Inzwischen sind die Snowden-Dokumente in der Öffentlichkeit kein Thema mehr, die Karawane ist weitergezogen, e-Mails werden weiterhin ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durchs Netz geschickt, nur einige Provider haben zwingende Transportverschlüsselung eingeführt. Als langfristige Folgen sind allenfalls die zunehmende Verschlüsselung bei Messenger-Apps und Händis zu sehen. Das ist ärgerlich für alle Geheimdienste, aber nicht mehr zu korrigieren.
In Informatikerkreisen galt es schon sehr lange als ausgemacht, daß die Geheimdienste mitlesen (allein schon weil sie es können in Verbindung mit der offenen Architektur des Netzes; dann die Kryptokriege, die anscheinend wieder — wie Anfang der 90er — aufleben) und die Snowden-Dokumente hatten dies nun belegt. Für den Sachverhalt der Aufdeckung der Masssenüberwachung spielt die Person des Aufdeckers jedoch keine Rolle. Entweder der Inhalt der veröffentlichten Dokumente entspricht den Tatsachen oder eben nicht. An keiner Stelle konnte in den Dokumenten Desinformation nachgewiesen werden, aber dafür wurden etliche Sachverhalte bestätigt. Edward Snowden ist in der Öffentlichkeit nicht mehr wirklich präsent und gerät langsam in Vergessenheit. Sollte er tatsächlich ein russischer Spion sein, muss ihm die deutsche Öffentichkeit trotzdem dankbar für die Aufdeckung der Machenschaften sein und auch unter diesen Umständen gebührte ihm ein Asylangebot von Deutschland, welches jedoch unter dieser Bundesregierung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht kommen dürfte. Welchen Zweck verfolgt man nun damit, Edward Snowden wieder an die Öffentlichkeit zu holen und ihn dabei unbedingt ohne Vorlage von Beweisen, ja nicht mal Indizien, als russischen Spion dargestellt zu wissen? Um nicht nur seine Person, sondern auch die Dokumente zu diskreditieren ist es bereits deutlich zu spät. Von was also soll abgelenkt werden? Ist das wirklich nur der erbärmliche Versuch vom Verfassungschutzchef Hans-Georg Maaßen seinen sinkenden Stern zu retten und die Blindheit des VS zu verschleiern? Immerhin wäre es die Aufgabe des VS gewesen, die Abgeordneten und die Bevölkerung vor der Massenausspähung zu schützen, stattdessen sieht er beisher keine Beleg dafür. Legt man Maaßens Maßstäbe zu Grunde, gibt sein Verhalten mehr Anlass zu der Annahme, er selbst ist ein Agent eines ausländischen Dienstes, naheliegenderweise eines Amerikanischen, als daß es Indizien für Snowden als russischen Agenten gibt. Die Idee, daß man versucht Russland für Verstimmungen mit den USA verantworlich zu machen, hat nur etwas von „tötet den Überbringer der schlechten Nachrichten“.